Warum es sich bei dem Format um keine Castingshow mehr handelt, erläutert unser Kolumnist.
Nach den "mega-geilen" Castings mit dem lustigen Freddy Fickfrosch, befindet sich die achte Staffel von «Deutschland sucht den Superstar» gerade in der heißen Phase der Mottoshows, bei der wieder jede Woche ein Kandidat ausscheidet. Wer die Show seit längerer Zeit nicht mehr verfolgt hat, wird überrascht sein, wie sehr man den Fokus weg von den Gesangsdarbietungen und hin zu den Geschichten, die hinter den Kulissen passieren, verlegt hat. Dies war bereits im vergangenen Jahr der Fall, als Kandidat Menowin Fröhlich weniger auf Grund seiner musikalischen Leistungen, sondern vielmehr wegen seiner kriminellen Vergangenheit in die Presse kam. In der aktuell laufenden Staffel verfolgt man dieses Konzept konsequent weiter.
So las man in den vergangenen Wochen Schlagzeilen wie "Sex-Gerüchte: Ardian Bujupi in der Umkleidekabine von Zazou Mall erwischt!", "Nina Richel - Zusammenbruch nach der Show!" oder "Anna-Carina über Nina: Asoziale Schlampe!". Über das musikalische Können wird dagegen überhaupt nicht berichtet - anscheinend zu unwichtig. Auch in der Show selbst bekommt man den Eindruck, dass der Gesang inzwischen nur noch eine geringfügige Rolle spielt. Immer mehr Sendezeit geht für Einspieler drauf, die angeblich das Geschehen hinter den Kulissen aufdecken. Darin sieht man, wie sich die Kandidaten gegenseitig anzicken, übereinander lästern und sich mittlerweile schonungslos beleidigen. Nun kündigt sich auch noch eine Romanze an. Alles stets unterlegt mit dramatischer Musik, und garniert mit hektischen Bild- und Soundeffekten, um die gewünschte Wirkung beim Publikum zu erzielen. Wieviel von den Geschichten nun wirklich authentisch ist, oder doch nur den kranken Hirnen gelangweilter RTL-Drehbuchautoren entsprungen ist, ist eine andere Frage. Moderator Marco Schreyl bohrt in der Show natürlich auch gezielt nach, um im besten Fall einen Live-Eklat herbeizuführen. Selbst die Jury rund um Dieter Bohlen lässt inzwischen das Verhalten der Kandidaten in ihre Bewertung der Gesangsdarbietungen miteinfließen. Geht's noch? Obwohl die Quoten längst nicht mehr so phänomenal gut sind wie in den vergangenen Jahren, geht die Rechnung von RTL auf, und sie machen «DSDS» mit diesen ziemlich durchschaubaren Tricks wieder zum Gesprächsthema. "That's Entertainment!", könnte man sagen. Und dennoch finde ich es immer wieder erschreckend, wie leicht sich Menschen beeinflussen lassen.
Der Fall Nina Richel erscheint dabei besonders kritisch. Schon während der ersten Mottoshows wurde der Zickenkrieg zwischen den Kandidatinnen Nina und Anna-Carina zum großen Aufhänger gemacht. Das Publikum wurde gezielt mobilisiert, bis es sich in zwei Blöcke aufteilte, und die Auftritte der minderjährigen Kandidatinnen mit niederschmetternden Buh-Rufen quittierte. Dies ging solange, bis Nina schließlich drei Mal nach der Show zusammenbrach. Weil die Kandidatin offenbar mit diesem Druck nicht klar kam, musste sie auf ärztlichen Rat die Show verlassen. Eine Psychologin erwartet gar Spätschäden. Auch dieses Drama wurde natürlich weiterhin mit der Kamera verfolgt und in der Live-Show zum Thema gemacht. Inzwischen riskiert man bei «DSDS» also gesundheitliche Schäden der Kandidaten, nur um eine spannende Story zu basteln. Verglichen mit qualitativ hochwertigeren Castingshows wie «X Factor» und «Unser Star für Oslo» wirkt «Deutschland sucht den Superstar» mittlerweile wie ein Spießrutenlauf. Liebes RTL-Team, falls ihr es inzwischen vergessen habt: «DSDS» ist eine Castingshow, bei der es hauptsächlich und ausschließlich um Musik gehen soll, und nicht um irgendein armseliges Laientheater!