Tim Burton geht zum Broadway. Und der Bär Balu singt auch bald auf der großen Bühne: «Alice im Wunderland» und «Das Dschungelbuch» werden zu Bühnenmusicals.
Kommen demnächst Tim Burtons Riesenerfolg «Alice im Wunderland» und Disneys Evergreen «Das Dschungelbuch» auf die Bretter, die die Welt bedeuten? Sofern die Pläne des Disney-Konzerns fruchten, ja! Denn im Fahrwasser der Unsummen, die «Alice im Wunderland» letztes Jahr einnahm, und der nicht abebnenden Beliebtheit des «Dschungelbuchs» in hiesigen Gefilden, möchte der Unterhaltungsgigant noch intensiver ins Musical-Geschäft investieren. Weitere Musicalideen, die hinter den verschlossenen Türen der Walt Disney Theatrical Prods. umhergeworfen werden, beinhalten Bühnenadaptionen der Zeichentrickfilme «Aladdin» und «Dumbo» sowie der Realfilmkomödien «Freaky Friday» und «Vater der Braut».
Da nicht allen Plänen Disneys der Sprung in die Realität gelingt und wieder andere Projekte nicht mit großem Erfolg glänzen, steht wohl nicht zu befürchten, dass Disney die Musical-Welt komplett an sich reißt. Die Broadway-Version von «Arielle, die Meerjungfrau» schloss beispielsweise sehr schnell ihre Pforten, weshalb internationale Ableger eher rar gesät sind. Der relative Misserfolg lag unter anderem in einem durchwachsenden Kostüm- und Bühnendesign begründet, sowie in mäßigen Bühnensongs, die sich nicht nahtlos zwischen die beliebten Filmlieder reihen konnten. Das künstlerisch enttäuschende «Arielle»-Musical wirft somit auch die Frage auf: Kann Disney überhaupt noch weitere gute Musicals aus dem Boden stampfen?
Die Bühnenversion von «Alice im Wunderland» könnte zumindest einige der Fehler von «Arielle» vermeiden: Auf der Basis des Szenenbilds und der Kostüme des dafür Oscar-prämierten Films ist ein kohärentes und äußerst ansehnliches Erscheinungsbild für das Musical zu erwarten. Laut Variety wird dies in Kooperation zwischen Tim Burton und Stan Meyer entstehen. Meyer war schon für die Broadway-Fassung von «Die Schöne und das Biest» verantwortlich, genauso wie der voraussichtliche «Alice im Wunderland»-Bühnenregisseur Robert Jess Roth. Ein Komponist wurde bislang nicht gefunden, jedoch steht bei Burton eh Danny Elfman zu vermuten. Dass es, bis auf Avril Lavignes Gejaule im Abspann, keine Filmlieder gibt, auf denen das Musical aufbauen kann, ist vielleicht sogar ein Vorteil: Entsteht die Musik für «Alice im Wunderland» in einem Rutsch, ist eine künstlerisch einheitliche Vision möglich. Das einzige Problem für «Alice im Wunderland» sehe ich in der Story. Eigentlich darf dieser Stoff gar keine haben, und wenn man ihm schon eine verpasst, dann nicht so eine ausgelutschte Hedenprophezeiung wie im Kinofilm. Da Linda Woolverton, die Autorin des Milliardenerfolgs, auch die Bühnenfassung schreiben wird, wird sich in der Musicalfassung wohl leider nichts daran ändern.
Der Musicalversion von «Das Dschungelbuch» stehe ich mit größeren Zweifeln entgegen. Bislang ist zwar nur bekannt, dass Mary Zimmerman («Metamorphoses») Regie und Buch übernehmen soll, allerdings ist mir unklar, wie der Zeichentrickklassiker auf der Bühne funktionieren soll. Der Disney-Film besticht nicht gerade mit einer ausgefeilten Geschichte, die sich für ein rund zweistündiges Bühnenstück anbietet. Hier müssten zahlreiche Änderungen vorgenommen werden, was einige der aus Nostalgie ins Theater gelockten Besucher stören könnte. Und die bereits existierenden Songs aus der Feder der Sherman-Brüder mögen so eingängig und kultig sein, wie sie wollen, für mich haben sie keine bühnenfüllenden Qualitäten. Es wäre ein äußerst „kleines“ Musical. Da sich Disney-Musicals aber zwangsweise direkt oder indirekt mit «Der König der Löwen» vergleichen lassen müssen, sehe ich einige enttäuschte Reaktionen vor mir. «Der König der Löwen» ist ein monumentales Bühnenereignis, beim «Dschungelbuch» kann ich mir das nicht vorstellen. Ob das Publikum das «Dschungelbuch» dann als Luftnummer abstrafen wird?
Nun, so lange nicht mehr über die zahlreichen Disney-Musicalprojekte bekannt ist, möchte ich eigentlich nicht zu viel mutmaßen. Bisher lassen sich eigentlich allein die Ideen beurteilen. Und was das angeht, hat sich Disney eher ungewöhnliche Vorlagen ausgewählt. Mich schrie keiner dieser Filme an und legte eine Musicaladaption nahe, während ich von «Tarzan» lange vor der offiziellen Ankündigung ein Bühnenmusical erwartete. Trotz des kurzen US-Einsatzes ist «Tarzan» auch äußerst gelungen. Ein «Dumbo»-Musical hingegen klingt für mich dagegen erstmal nach einer Schnapsidee wie «Spider-Man». Und das möchte sich ja wohl niemand als Vorbild nehmen.