Eine Kneipenbesitzerin zeigte englischen Live-Fußball über griechisches anstatt englisches Pay-TV und wurde prompt verklagt – doch vor dem Europäischen Gerichtshof bekam sie zunächst einmal recht. Was ein solches Urteil für Folgen haben könnte…
In der vergangenen Woche wurde ein Fall vor dem Europäischen Gerichtshof weiter verhandelt, der die Pay-TV-Rechtesituation der gesamten Union verändern könnte: In der Rechtssache stehen sich die Football Association Premier League, die Vermarkter der ersten englischen Fußball-Liga, und die Kneipenbesitzerin Karen Murphy gegenüber. Letztere bestellte für ihre Kunden in ihrer Sportsbar nicht das englische Pay-TV BSkyB, das die exklusiven Live-Rechte für eine englische Ausstrahlung hat, sondern das griechische Pay-TV, das dieselben Spiele zeigt. Der einzige Nachteil: Kommentar und O-Ton sind auf griechisch – in einer vollen Kneipe nur ein geringes Manko. Der große Vorteil: Die griechischen Bildrechte der Premier League kosten nur einen Bruchteil des teuren BSkyB, für das Kneipenbesitzer rund 1000 Pfund im Monat hinblättern müssen.
Die Premier Leauge duldete nicht, dass Murphy auf englischem Territorium nicht das englische Pay-TV bezahlte – und zog vor den britischen High Court, der die Rechtssache gleich zum Europäischen Gerichtshof nach Luxemburg weiterleitete. Am 03. Februar 2011 wurden nun die Schlussanträge der Parteien gestellt. Zur Überraschung aller hat sich Generalanwältin Juliane Kokott nun mit ihrem Plädoyer in allen Punkten auf die Seite der Kneipenbesitzerin Karen Murphy gestellt. In der Pressemitteilung heißt es: „Nach Ansicht von Generalanwältin Kokott verstoßen territoriale Exklusivitätsvereinbarungen bei der Übertragung von Fußballspielen gegen Unionsrecht.“
Das Urteil zu dem Fall wird erst in einigen Monaten erwartet, doch Beobachter sprechen schon von einem Sieg der Angeklagten: Oftmals hätten sich die Richter letztlich der Meinung der Generalanwältin angeschlossen. Ob es auch in dieser Sache so sein wird, bleibt abzuwarten. Die Spekulationen über eine völlig neue Pay-TV-Rechtesituation innerhalb der EU dürften allerdings nun erst recht angeheizt werden. Mittlerweile wird die Streitfrage sogar schon als „Bosman-Moment des Pay-TV“ tituliert – in Anlehnung an das revolutionäre
EU-Urteil für den belgischen Fußball-Profi Jean-Marc Bosman, welches ab 1995 das Transfersystem des Sport-Weltmarktes innerhalb eines Tages umstürzte. Sollte es auch im Pay-TV zu einer solchen Revolution kommen?
Fakt ist, dass Generalanwältin Kokott keinen Anlass mehr dafür sieht, lokale Pay-TV-Rechte der Premier League als exklusiv zu verkaufen: „Das Unionsrecht ermöglicht es nicht, die Live-Übertragung von Premier-League-Fußballspielen in Gaststätten unter Verwendung ausländischer Decoderkarten zu untersagen.“ Im Umkehrschluss heißt dies, dass Kunden nicht an BSkyB gebunden wären, wenn sie die englische Premier League schauen wollten, sondern unter zahlreichen europäischen Bezahlfernsehangeboten wählen könnten – wie dies die Kneipenbesitzerin mit ihrem griechischen Sender gemacht hat.
In der Pressemeldung zum Fall heißt es zunächst: „In Bezug auf eine mögliche Rechtfertigung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit prüft die Generalanwältin den Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums, und insbesondere die Frage, ob an Satellitenübertragungen von Live-Fußballübertragungen Rechte bestehen, deren spezifischer Gegenstand eine Aufteilung des Binnenmarkts verlangt.“ Doch die territorialen Exklusivrechte würden laut Kokott nicht zu der in der EU festgeschriebenen Dienstleistungsfreiheit passen: „Die Vermarktung von Senderechten auf der Grundlage territorialer Exklusivität liefe darauf hinaus, aus der Ausschaltung des Binnenmarktes Gewinn zu erzielen. Im Ergebnis rechtfertige daher der spezifische Gegenstand der Rechte an der Übertragung von Fußballspielen keine Aufteilung des Binnenmarkts und somit auch nicht die gegebene Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit.“
Der deutsche Sport-Blog allesaussersport.de mit Autor Kai Pahl hat eine
klare Meinung zu diesem Urteil: „Geht das durch, wird der komplette TV-Rechte- und Pay-TV-Markt auf den Kopf gestellt.“ Pahl schreibt zudem, dass „niemand die Konsequenzen eines solchen Urteils vorhersagen [kann]“. Schon im
Oktober 2010 spekulierte allesaussersport.de über mögliche Änderungen des europäischen Pay-TV, sollte das Urteil entsprechend ausfallen: „Große Sportligen wie Premier League würden sich vermutlich nur noch auf große, paneuropäische Pay-TV-Betreiber beschränken. Auf der anderen Seite würden kleine Märkte komplett hinten runterfallen. Würde beispielsweise BSkyB die Premier League-Rechte europaweit kaufen – würde sich für BSkyB die Einführung eines griechischen Kommentars lohnen oder würde es bedeuten, dass es in Griechenland die Premier League nur noch auf Englisch gibt?“
Letztlich dürfte jeder Pay-TV-Anbieter mit seinem Angebot in der gesamten EU auf dem Markt agieren – SKY Deutschland könnte also seine Bundesliga-Rechte auch im Ausland anbieten. Dies würde wohl eben zwangsweise später dazu führen, dass Sportrechte nur noch europäisch an einen einzigen Anbieter und nicht mehr lokal vergeben werden, der sein Programm letztlich im gesamten EU-Raum anbietet. Sollte es wirklich dazu kommen, wäre die News Corp. am Zug: Das Medienkonglomerat von Rupert Murdoch, dem das britische und italienische Pay-TV BSkyB und Sky Italia sowie knapp die Hälfte der Anteile von Sky Deutschland gehört, ist der größte europäische Bezahlfernsehanbieter und dürfte mit großem Interesse das Urteil in der brisanten Rechtssache erwarten.