Story
Ein halbes Jahr ist es her, seit seine geliebte Frau starb, und noch immer kann Kurt Tobaben den Verlust nicht überwinden. Der wohlhabende Handschuhfabrikant aus Hamburg vernachlässigt seine Firma, verschanzt sich in seiner Villa und trauert der Vergangenheit nach. Erst ein Ausflug nach Travemünde bringt den verzweifelten Witwer auf andere Gedanken. In einer Hotelbar lernt er Luzy Ditten kennen, die dort als Serviererin arbeitet und ihn mit ihrer offenen, verständnisvollen Art sofort in ihren Bann zieht. Fortan trifft er sich öfter mit der deutlich jüngeren Frau und bald schon entsteht eine zärtliche Annäherung zwischen der quirligen Blondine Luzy und dem in seinem Leid gefangenen Kurt. Als er beschließt, sie als „Gesellschafterin“ zu engagieren und mit nach Hamburg zu nehmen, fühlt sich sein Umfeld vor den Kopf gestoßen. In gesellschaftlichen Kreisen wird getuschelt, während Kurts Angehörige, allen voran Tochter Karin, der neuen Frau an Vaters Seite äußerst kritisch begegnen.
Überhaupt steht es mit dem verwandtschaftlichen Zusammenhalt nicht zum Besten. Denn die Arbeit bei der städtischen Kunststiftung zehrt an Karins Nerven und als sie eine Ausstellung für die befreundete Künstlerin Ruth Brede organisieren will, springen ihr die Sponsoren ab - nicht gerade der beste Zeitpunkt für familiäre Konflikte. Doch dann kommt es faustdick: Kurts Sohn Kai plagt das Gewissen. Jahrelang verschwieg er seinem Vater, der ihn finanziell unterstützte, dass er sich statt der ihm auferlegten Firmenübernahme lieber für eine Karriere als Koch entschieden hat. Als schließlich die Karten auf den Tisch gelegt werden, entwickeln sich die Dinge anders als gedacht. Alle Beteiligten sind gezwungen, ihre ganz eigenen Entscheidungen für eine glücklichere Zukunft zu treffen.
Darsteller
Günther Maria Halmer («Liebe für Fortgeschrittene») ist Kurt Tobaben
Teresa Weißbach («Mein Herz in Chile») ist Luzy Ditten
Floriane Daniel («Der letzte Bulle») ist Karin Kracht
Ingeborg Westphal («Die Entbehrlichen») ist Ruth Brehde
Ole Tillmann («Mein Leben & Ich») ist Kai Tobaben
Kritik
Wenn deutsche Fernsehfilme Geschichten aus dem Alltag erzählen, können dabei durchaus realitätsnahe Dramen entstehen, die nicht nur tiefe Einblicke in das Gefühls- und Seelenleben der jeweiligen Charaktere gewähren, sondern auch mit mitfühlenden Emotionen überzeugen, die den Zuschauer an den Film fesseln. Doch wird zu sehr auf Mitgefühl oder die Tränendrüsen gedrückt, dann driftet ein solcher Film auch einmal schnell in den Bereich der Schmonzette ab. Den von der ARD-Filmfirma Degeto hergestellten Film «Frischer Wind» hat dieses Schicksal ereilt. Zwar können die Schauspieler – allen voran Hauptdarsteller Günther Maria Halmer – etwas Mitgefühl erwecken, doch wirken ihre Charaktere etwas zu aufgesetzt oder überzeichnet. Denn teilweise kommen sie auch sehr klischeehaft und kitschig daher, wenn beispielsweise die junge Luzy Ditten, gespielt von Teresa Weißbach, der verdutzten Familie Tobaben geradezu überheblich und überfreundlich begegnet, während Tochter Karin, die von Floriane Kracht immerhin authentisch verkörpert wird, nur so vor Eifersucht und Missgunst strotzt. Da rutscht ihr sogar das Wort „Flittchen“ über die Lippen, was sie später bereut. Nicht nur in dieser Szene hat der Film «Frischer Wind», bei dem Imogen Kimmel Regie geführt hat, viel zu dick aufgetragen. An anderen Stellen wirken auch die Dialoge mehr als schmalzig und sind teilweise von etwas Albernheit nicht gefeit.
Denn auch das Drehbuch von Dr. Gabriele Kreis kann wenig überzeugen. Es mag in der Absicht auf mitfühlende und ergreifende Art eine realitätsnahe Geschichte zu erzählen geschrieben worden sein, doch eine klare Linie ist hier nicht zu erkennen. Vielmehr begleitet der Zuschauer Unternehmer Kurt Tobaben bei seinem Weg heraus aus tiefster Trauer, die er mit Alkohol zu ertränken versucht, hinein in ein neues Glück mit einer verständnisvollen Frau wie Luzy, welches sich aber lange Zeit nicht genau definieren lässt. Nebenbei erfährt Tobaben auch noch, dass sein Sohn gar nicht wirklich studiert, sondern als Koch Karriere machen will. Ein Schock für die mittlerweile angespannte Stimmung in der Familie, doch auch in dieser Hinsicht verpasst es der Film tatsächlich einmal frischen Wind in die Inszenierung zu bringen. Stattdessen tritt man beim Erzählen der zudem langatmigen Geschichte auch hier lieber auf der Stelle. Denn tatsächlich scheint sich die Handlung nur sehr langsam fortzubewegen. «Frischer Wind» ist also wenn überhaupt ein laues Lüftchen, das mehr einer Entdeckung der Langsamkeit im Erzählstil gleichkommt. Der Inhalt der Geschichte scheint gar nicht so abwegig, auch wenn man sich stellenweise etwas von der Realität weg bewegt. Denn beinahe unerklärlich ist dabei auch die Naivität von Kurt Tobaben, wenn er nach 20 Semestern erst durch die Gewissensbisse seines Sohnes merkt, dass dieser gar nicht wirklich studiert hat. Dass Kai, den Ole Tillmann spielt, sich als Koch beweisen will und später gar mal sein eigenes Restaurant plant, ist für den Charakter ein mutiger Schritt, der durch die große Lüge dem Vater gegenüber aber auch eine feige Attitüde hat. Vermutlich wäre es glaubwürdiger gewesen, wenn man die Auflehnung des Sohnes gegen die ihm vorbestimmte Zukunft im väterlichen Betrieb intensiver forciert hätte. Denn dass er sich nicht ins gemachte Nest des reichen Elternhauses und des gut laufenden Betriebs setzt, sondern sich auf eigene Beine stellt und der oberen gesellschaftlichen Schicht der Unternehmer abschwört, um als normaler, angestellter Koch seine Brötchen mit Fleiß, Leistung und Arbeit zu verdienen, wäre ein interessanter Ansatz gewesen. Dies hätte der Figur auch einigen Respekt abverlangt und den Film mit Gesellschaftskritik gewürzt.
Da «Frischer Wind» letztlich darauf verzichtet hat, sondern in den Irrungen und Wirrungen der undurchsichtigen Beziehungskonstellationen verharrt, langweilt das den Zuschauer. Mehr als eine Schmonzette ist der ARD-Film somit nicht geworden, denn wo jede Tiefgründigkeit und Spannung fehlt, können auch die dramatischen, emotionalen Szenen nicht mehr punkten. Lange Zeit weiß der Film – so scheint es – auch gar nicht wirklich zu wissen, wo er ankommen möchte, sprich: Es bleibt unklar, was der Film eigentlich aussagen möchte. Nach einem überaus dramatischen Einstieg verlagert man sich in eine melancholische Grundstimmung, die am Ende gar nicht mehr richtig aufgeheitert werden kann. Die Schauspieler wirken an vielen Stellen in ihren Rollen zu klischeehaft oder überkandidelt, so dass auch hier nur oberflächliche Dialoge von eher blassen Charakteren übrig bleiben, die das Mitgefühl des Zuschauers nur ansatzweise wecken können. «Frischer Wind» wird beim Publikum auch nicht ankommen.
Die ARD zeigt den Degeto-Film «Frischer Wind» am Freitag, 4. Februar 2011 um 20.15 Uhr.