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Glenns Gedanken: Dschungelschelte, die Zweite

Warum das Dschungelcamp nicht wirklich ehrlich ist, erläutert unser Kolumnist.

Eigentlich wollte ich nichts weiter zu «Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!» schreiben. Doch nach der ersten Woche der 5. Staffel und diversen Lobeshymnen auf das Format muss ich doch noch ein paar Aspekte nachtragen. Ich möchte es mir allerdings nicht so leicht machen und mich den typischen Negativkritikern anschließen, die die Sendung vor allem deshalb verurteilen, weil sie angeblich Hartz IV-Fernsehen sei und maßgeblich zur fortschreitenden Verblödung der Gesellschaft beitrage. Dieser Vorwurf ist schlichtweg Unsinn, denn detaillierte Analysen zeigen, dass sich das Profil der Zuschauer durch alle sozialen Schichten zieht. Der Handwerkerlehrling schaut genauso gern zu wie der Universitätsprofessor. Die Sendung ist ein Phänomen und zieht das allgemeine Interesse auf sich.

In vielen positiven Kritiken wird das Format gelobt, weil es gut gemachtes und vor allem ehrliches Fernsehen sei. Ist dies wirklich der Fall? Und wird das überhaupt von RTL angestrebt? Fakt ist, dass man in einer 60-minütigen Tageszusammenfassung jeden Kandidaten nach Belieben in einem guten oder schlechten Licht darstellen kann. So wird jedem Teilnehmer die gewünschte Rolle zugeteilt. Beispiel Sarah Knappik: Die Ex-«Topmodel»-Kandidatin hat das große Los gezogen und ist zur diesjährige Camp-Zicke gekürt worden. Durch das Zeigen ausgewählter Szenen, in denen sie entweder heult oder dumme Weisheiten von sich gibt, ist sie schnell zum Opfer und Hassobjekt der Zuschauer geworden. Das hatte zur Folge, dass sie seit Tagen mehrmals hintereinander zur Schadenfreude der Zuschauer die gefürchtete Dschungelprüfung absolvieren musste. Ein Paradebeispiel dafür, wie leicht man den Zuschauer in die gewünschte Richtung lenken und ihm eine bestimmte Meinung aufstülpen kann.

Unterstützt wird die einseitige Berichterstattung natürlich auch durch die zynischen Kommentare von Dirk Bach und Sonja Zietlow. In bewährter Manier ziehen sie schonungslos über die Kandidaten her, was vielerorts als unglaublich ehrlich bewertet wird. In meinen Augen ist es aber vor allem feige, wenn man sich dies nur außerhalb des Geschehens traut. Ehrlicher und gleichzeitig spannender wäre es, wenn Sonja & Dirk ihre Meinung den Kandidaten auch ins Gesicht sagen würden, wie etwa bei der Dschungelprüfung, bei der sie sich stets auffallend zurückhalten. So wirkt es nun mal sehr elitär, wenn man sich aus einem angemessenen Sicherheitsabstand über arbeitslose Promis lustig macht, ohne dass diesen die Möglichkeit zum Kontern gegeben wird. Denn das ist die einfachste Form des Humors von oben nach unten vom Starken dem Schwachen gegenüber: Selbstgerechte Moderatoren machen sich über den Pöbel lustig. Das ist nicht zwingend menschenverachtend oder moralisch verwerflich - aber auch wirklich keine große Leistung.

Bleibt noch die Frage nach meinem Wunsch-Dschungelkönig und da kann es für mich nur einen geben: Rainer Langhans. Er macht das Konzept kaputt, indem er sich nicht so einfach vorführen lässt und nicht die gewünschten Reaktionen zeigt. Er stellt sein Desinteresse an der Show ganz offen zur Schau. Er kümmert sich einen Dreck um die Zickereien der anderen Teilnehmer, verzieht keine Miene und langweilt RTL mit seinem Nichtstun. Sonja & Dirk ließ er auflaufen, indem er bei seiner Dschungelprüfung (Kakerlakensarg) eine Nullreaktion zeigte. Langhans ist der Beweis dafür, dass das Dschungelcamp mit etwas anspruchsvolleren Prominenten nicht funktioniert, weil diese sich nicht auf das gewünschte Niveau herablassen und sich gegen das Konzept stellen. Deshalb ist er für mich ein würdiger Sieger.
23.01.2011 00:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/47221
Glenn Riedmeier

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Tags

Glenns Gedanken Dschungelcamp Ich bin ein Star Holt mich hier raus

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