Die Neuauflage von «Fort Boyard» bei kabel eins in der Kritik - wie gut ist die Abenteuershow? Wie sind die massiven Zuschauerverluste in Woche zwei zu erklären?
„Aller guten Dinge sind drei“ – trifft das auch auf die inzwischen dritte Version der Mutter aller Abenteuerspielshows «Fort Boyard» in Deutschland zu? Bis jetzt noch eher nicht. Doch im Einzelnen: Die ehemalige Militärfestung aus dem 19. Jahrhundert vor der südfranzösischen Atlantikküste bei La Rochelle wird seit vergangenem Jahr nach acht Jahren Pause wieder auch von deutschen Abenteurern bespielt.
kabel eins schickte im Sommer 2010 die Moderatoren Andrea Kaiser und Alexander Wesselsky auf das Fort, um sie durch den neuerlichen Versuch der in Frankreich seit 1990 durchgehend erfolgreichen Show führen zu lassen. Nun strahlte der kleine Sender der ProSiebenSat.1-Gruppe die ersten beiden von den insgesamt neun neuen Folgen aus.
Bleibt man in der Analyse selbiger erstmal bei den besagten neuen Moderatoren, könnte man noch den Eindruck gewinnen, dass kabel eins eine durchaus gute Neuauflage von «Fort Boyard» auf die Beine gestellt hätte, denn sowohl die Sportmoderatorin Andrea Kaiser, als auch der Sänger Alexander Wesselsky machen ihre Sache sehr ordentlich. Sie passen gut zusammen und auch beide gut ins Fort, denn Andrea Kaiser wirkt durch ihre Sonnenbrille und die kurze Urlaubskleidung ein bisschen wie eine junge, fidele Reiseleiterin, die die Touristen-Kandidaten charmant, agil und mit Know-how durch das alte Gemäuer führt, während Alexander Wesselsky den Eindruck macht, mit Glatze und Bart der strenge Burgherr zu sein.
Doch genau hier ergibt sich dann schon der erste Nachteil des kabel eins-Forts: Wenn Wesselsky auch so aussieht, ist er trotzdem – genau wie seine Kollegin – eine gute Seele. Es braucht nämlich zwei davon, denn es spielen zwei Teams aus jeweils drei mehr oder weniger Prominenten gegeneinander und sie wollen beide von einem motivierenden Leader angeführt werden und von ihm die Spiele erklärt bekommen. Insofern fällt die Rolle des strengen Herrn von Boyard, die einst Rainer Schöne und Alexander Mazza inne hatten und die jeweiligen Einzelteams pro Sendefolge schroff durch die ebensolche Festung führten, komplett weg. Schade, denn Wesselsky hätte sie sicher gut ausgeführt und sich auf Anhieb direkt hinter Schöne eingereiht, der wohl für die meisten deutschen «Boyard»-Fans der Burgherr überhaupt bleiben wird.
Was es ebenfalls nicht mehr gibt: Die Rätsel und Denksportaufgaben im Fort-Turm, die in der Sat.1-Staffel vom alten Hutzelmännchen mit weißem Bart und langen Haaren und in den beiden ProSieben-Staffeln von Sonya Kraus gestellt wurden. Auch hier kann man nur „schade“ sagen, denn viele hätten mit Sicherheit das kultige alte Männchen gern wieder gesehen, welches in der französischen Originalversion als Pere Fouras immer noch sein Unwesen treibt.
Das Design des kabel eins-Forts ähnelt dem der ProSieben-Version. Ein bräunlicher Doppelstern auf blauem Grund, der anscheinend sowohl einen Seestern als auch eine Kompassrosette darstellen soll. Darauf die Großbuchstabenaufschrift „FORT BOYARD“. Nicht schlecht als Logo, doch jenes des Frankreich-Originals ist noch besser durchdacht und lässt sofort erkennen, um welche Sendung es sich handelt, ohne dass man Schriften lesen muss, denn es ist charakterisiert durch den großen braun-goldenen Namensschriftzug, in dem das „O“ von „BOYARD“ ein Schlüsselloch ist (und damit schon auf das Erkämpfen der Schlüssel während der Spiele aufmerksam macht) und der in seiner Außenform das Oval des Forts zu erkennen gibt.
Hieran hätte man sich kabel eins durchaus auch orieentieren dürfen. Ebenso wie an der Musik des Originals. Die französische Erkennungsmelodie kommt zwar sogar in der neuen deutschen Version vor, jedoch komischerweise nur im Abspann. Als Titelmusik und Werbe-Bumper hat man eine neu komponierte Melodie genommen, die rockig daherkommt und schon alleine deshalb nicht wirklich zu «Fort Boyard» passen will, denn hier erwartet man eine Musik, die das Abenteuer- und Meeresthema widerspiegelt. Betrachtet man dann einmal die Kandidaten der neuen kabel eins-Auflage, gehen die Ärgernisse gleich weiter. So sind es eben erstens wieder Prominente, die um die Goldtaler im Finale spielen und zweitens größtenteils nicht gerade die beliebtesten oder interessantesten. Hin und wieder kennt man diese sogar nicht eimmal, handelt es sich doch meistens um C- oder sogar D-Promis, die auch im Dschungel-Camp bei RTL im wahrsten Sinne des Wortes „eine Rolle spielen“ könnten.
In der ersten Folge traten gegeneinander an: Das Team „Rot“, bestehend aus «Star Search»-Gewinner Martin Kesici, „No Angel“ Lucy Diakovska und dem wohl Unbekanntesten der Runde - Choreograf Marco da Silva, das Team „Blau“ mit den «K11»-Darstellern Alexandra Rietz, Michael Naseband und Gerrit Grass.
In der zweiten Folge waren dabei: Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein, die Deutsche Meisterin in der Rhythmischen Sportgymnastik Magdalena Brzeska und Kickbox-Weltmeisterin Dr. Christine Theiss (Team „Rot“) und die Schauspieler Arne Stephan, Andreas Elsholz und Manuel Cortez (Team „Blau“).
Da ein Martin Kesici, der vergangenes Jahr auch bei «Solitary» auf ProSieben mitspielte, ja durchaus schon mal im Knast war und seine beiden Teamgenossen dort auch hinpassen würden, wurde das Duell der Premiere zu einem „Polizei gegen Knackis“-Wettkampf hochstilisiert. Jenes der zweiten Ausgabe dann natürlich zum „Frauen gegen Männer“-Streit. Hier stellt sich aber bei beidem die Frage, wieso überhaupt ein Duell sein muss, denn eigentlich sollte bei «Fort Boyard» nicht ein Wettkampf zwischen zwei Promi-Teams im Vordergrund stehen, sondern der Kampf eines Teams mit seinen geschickt in den Spielen eingesetzten Mitgliedern um Schlüssel und Geld für normale Kandidaten.
Natürlich könnte man meinen, dass die Promis größtenteils so unbekannt sind, dass es einem schon fast so vorkommen müsste, als ob Normalos über das Fortgelände rennen, doch auch hier wäre man fehlgeleitet, denn das Spenden des gewonnenen Geldes am Ende der Sendung erinnert den Zuschauer schon noch wieder daran, dass es hier offenbar doch Promis waren, die sich den Spielen für einen guten Zweck gestellt haben. Außerdem werden die ach so bekannten Kandidaten zwischendurch lustig und munter wieder und wieder mit Blue-Box-Kommentaren eingeblendet, in denen sie den Zuschauern erklären, was diese gerade ohnehin schon sehen. Wenn sie denn was sehen und das Bild nicht von den übergroßen Kommentareinblendungen schon fast vollständig verdeckt wird. Dabei sind die Produzenten auch nicht davor zurückgeschreckt, diese überflüssigen Kommentare mitten in die entscheidenden Phasen der einzelnen Spiele reinzufeuern. Das stört dann nicht nur den Spielfluss und die Spannung, sondern lässt auch die Grundsatzfrage stellen, ob heutige Gameshow-Produzenten (und die besagten vom Kabel1-«Fort Boyard» sind ja von der eigentlich erfahrenen Firma „Tresor TV“) sich überhaupt noch mal selbst ihre Sendungen nach der Fertigstellung anschauen. Anscheinend aber nicht, denn sonst wären sie – sofern sie halbwegs normal denkende Menschen sind – selbst genervt von den Blue-Box-Einblendungen gewesen, die in einer Gameshow eigentlich nichts zu suchen haben. Auch nicht in einer Abenteuerlichen wie «Fort Boyard». Dieser Punkt der unsinnigen Blue-Box-Aktionen à la «Chart-Show» oder «Die 10» ist dann auch wohl das aller Schlimmste an der aktuellen deutschen Version.
Gibt es denn sonst noch wenigstens ein paar positive Dinge zu nennen? Vielleicht die Liliputaner, die die Teams wieder in alter Manier über das Fort begleiten und die Spiele ansich, die mal wieder komplett Boyard-typisch waren und nostalgische Gefühle bei den Fans ausgelöst haben dürften. Da waren zum Beispiel in Folge 1 die berühmte Spinnenkammer, durch die sich «K11»-Kommissar Naseband kämpfen musste (Spinnen anfassen, umdrehen und Codezettel suchen sowie im Erfolgsfall abnehmen) oder das Klettern an der Fort-Außenwand, bei dem Kesici und Rietz, die den von Höhenangst geplagten und ordinär fluchenden Sänger nach einem Zurückliegen noch überraschend überholt hat, zu Codezetteln klettern und ihren Teams die gefundenen Zahlenkombinationen zurufen mussten. In Folge 2 kamen unter anderem die „Folterkammer“, in der sich Arne Stephan mit Hilfe von Ringen, Steigbügeln und Brücken an der Decke entlang hangeln musste, um den Schlüssel am Ende des Raumes zu erreichen und das Bungeespringen von einer Fort-Brücke aus, bei dem Christine Theiss im kopfüber hängenden Zustand den Code für das Öffnen einer Schlüsselbox ihren Teamgenossinnen vorlesen musste, dran.
Die spannende, abenteuerliche Fort-Atmosphäre kommt dabei aber nur selten zur Geltung, höchstens wenn in einer Spielekammer mal das Licht etwas abgedunkelter ist und ein paar Fackeln im Hintergrund leuchten.
Das Finalspiel ist das Bekannte aus den anderen Versionen: Die große von Tigern umschwärmte Schatzkammer, bei der aber dieses Mal beide Teams 30 Sekunden Zeit haben (plus 10 Sekunden extra pro in den Hauptspielen gewonnenem Schlüssel), um möglichst viele Goldmünzen zu sammeln, die am Ende abgewogen und in Euro umgerechnet werden. Hier gelang dem Team „Blau“ in Sendung 2 bisher die höchste Siegprämie in Höhe von über € 10.000,- einzustreichen und für einen guten Zweck zu spenden. Des Weiteren könnte man noch das eigentlich ziemlich flotte Tempo zwischen und auch während den Spielen loben, was ja aber durch die besagten Blue-Box-Kommentare ad absurdum geführt wird.
Soweit, so schlecht. Sollte man die ersten beiden Folgen des deutschen «Fort Boyard»-Starts mit einer Schulnote bewerten, käme man wohl besten Willens nicht über eine 4- hinaus. Gute Ansätze bieten zwar die gut gewählten Moderatoren und die spannenden Spiele, doch können sie ihr Potential im sonst schlechten Umfeld nur schwer voll ausschöpfen.
So ist also zu hoffen, dass in einer eventuellen zweiten Staffel in erster Linie auf die alles überschattenden Blue-Box-Kommentareinblendungen verzichtet wird, normale Kandidaten spielen (erstmal egal, ob in Duell- oder Einzelform) und der Kult der Turmrätsel mit dem alten Hutzelmännchen wieder eingeführt wird.
Doch ob es überhaupt zu einer solchen zweiten Staffel kommen wird, muss man bezweifeln, denn die guten Startquoten der ersten Folge sind bereits in Woche zwei drastisch gesunken. Man könnte fast meinen, dass einige Fans nach dem ersten Kontakt mit der kabel eins-Version verschreckt oder gar vergrault wurden und Leute, die mit dem Format noch bisher keine Bekanntschaft hatten, es sowieso in seiner schlechten Ausführung leichtfertig als Humbug abgetan haben. Vielleicht folgt dann aber in zehn Jahren wieder eine bessere Auflage…