Mit dem Start der neuen Staffel läuft RTL Gefahr, die Nerven der Zuschauer zu überstrapazieren.
Lange war
«Deutschland sucht den Superstar» das Vorzeigeformat in Sachen Quoten. Seit 2002 sorgt die Show für richtig gute Einschaltquoten. Bei den 14- bis 49-Jährigen schreckte RTL mit der Zeit auch nicht mehr vor der Konkurrenz zu «Wetten, dass..?» zurück – und stürzte den Show-Dino vom Quoten-Thron. Und der Casting-Boom geht weiter: Die neue Staffel startete am Samstag so erfolgreich wie kein anderer Durchlauf zuvor. Im Schnitt schalteten 7,47 Millionen Menschen ein, in der Zielgruppe wurde ein Marktanteil von 36,8 Prozent gemessen.
Doch was man wohl auch in Köln vor zwei Jahren noch für unmöglich gehalten hatte: «DSDS» ist mittlerweile nicht mehr der Quoten-Primus im Programm. Zwar fährt man noch immer sehr gute Ergebnisse ein, das «Supertalent» hatte mit der vergangenen Staffel die Nase aber deutlich vorn. Als RTL die erste Staffel im Jahr 2007 sendete, traute man ihr wohl keinen großen Erfolg zu. Lediglich eine handvoll Sendungen zeigte der Privatsender damals. In den folgenden Staffeln entwickelte sich das Format zu einer echten Samstagabend-Unterhaltungsshow, die über mehrere Monate hinweg gesendet wurde.
Der Vorteil gegenüber «Deutschland sucht den Superstar»: Es werden nicht nur Sänger gesucht. Die Show bietet daher auch viel mehr Abwechslung. Die vielen Live-Zuschauer im Saal sind darüber hinaus ebenfalls ein spannendes Element. Doch bei «DSDS» muss RTL aufpassen, dass der Bogen der Bloßstellung nicht bald völlig überspannt wird. Wie weit man gehen kann, will man nun anscheinend austesten. Der Start der achten Staffel entlarvte den Kölner Sender dabei mehr als deutlich.
In rund 60 Minuten reiner Sendezeit sahen die Zuschauer nur so wenige Kandidaten, dass sie diese an einer Hand hätten abzählen können. Jeder, der die Castingshow in den vergangenen Jahren verfolgt hat, weiß, dass es sich bei den ersten Castingfolgen am Anfang auch immer um Comedy handelt. So weit, so gut. Doch am Samstagabend kam nur selten das Gefühl einer guten Unterhaltungssendung auf. Viel zu lange blieben die Kameras auf den wenigen Kandidaten drauf.
Viel zu oft spielte RTL auch Cartoon-Einspieler ein, um die Szenerie humoristisch zu untermalen. Fast wirkte es wie in einem Musikvideo, in dem sich die verschiedenen Szenen im Sekundentakt die Klinke in die Hand geben. Zudem wurden schlechte Gesangseinlagen unendlich oft wiederholt und die Sendung damit massiv in die Länge getrieben. Die Grenzen zwischen Wahrheit und Realität verschwinden damit immer mehr - Fake-TV, wie man es in diesem Ausmaß eigentlich nur von «Familien im Brennpunkt» & Co. kennt. Noch geht der Plan auf, doch in Köln sollte man ganz genau hinschauen. Sollte «DSDS» so schwerfällig bleiben, das Tempo nicht anziehen und die Sendung weiterhin derart übertrieben nachbearbeitet werden, wird es die Zuschauer schnell langweilen.
Hinzu kommt, dass sich der Sender noch mehr von Dieter Bohlen abhängig macht. Im Intro zum Staffel-Auftakt war ein XXL-Pop-Titan zu sehen, der sozusagen über allem thront. Eine eigene Bohlen-Show eben, in der die anderen Juroren eine untergeordnete Rolle spielen. Auf absehbare Zeit wird er wohl auch weiterhin für die Show zur Verfügung stehen. Doch was ist, wenn Bohlen sich in ein paar Jahren dazu entscheidet, nicht mehr den knallharten Juror zu geben? RTL und «DSDS» hätten Probleme ungeahnten Ausmaßes. Es bleibt zu hoffen, dass der Sender mit der Taktik, die Kandidaten völlig absurd und überspitzt darzustellen, doch noch auf die Nase fällt und dann wieder zu einer erträglichen Unterhaltungsshow zurückkehrt.