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«Tron» kehrt nach 3 Jahrzehnten zurück

Seite 1 Am 27. Januar 2011 startet «Tron: Legacy» in den deutschen Kinos. Bereits vor dem Filmstart ist das Interesse an der Disney-Produktion riesig.

«Tron: Legacy». Drei Jahre hintereinander wurde er auf der San Diego Comic Con, Amerikas größter Film- und Comicmesse, beworben. Das Marketingbudget wird auf 120 Millionen Dollar geschätzt. Das Effektspektakel selbst kostete dem Studio rund 150 Millionen. Dadurch, dass die französische Elektronik-Kombo Daft Punk den Soundtrack komponierte, entstand lange im Vorfeld der Veröffentlichung ein enormer Hype um die Filmmusik. Die CD schaffte es als erstes Filmmusikalbum seit fünf Jahren in die Top 10 der US-Charts.

Viel Trubel um eine Fortsetzung eines passabel erfolgreichen Sci-Fi-Films aus dem Jahre 1982, in dem ein Videospielprogrammierer in die digitale Welt der Computer gesogen wird und zusammen mit einigen befreundeten Programmen gegen das herrische Master Control Program auflehnt. Bevor am 27. Januar «Tron: Legacy» auch in die deutschen Kinos kommt, blickt Quotenmeter.de auf die Geschichte hinter diesem Blockbuster und seinem Vorläufer.

Die Inspiration: Die Gladiatoren von «Pong»


Die Wurzeln von «Tron» reichen bis in das Jahr 1976 zurück. Der Animator Steven Lisberger war zu dieser Zeit von der so genannten Backlit Animation begeistert, einem Trickmedium, welches Bilder mittels einer speziellen Belichtungsmethode erzeugt. Ende der 70er und zu Begin der 80er war diese Form der Animation vor allem in Werbespots und Firmenlogos anzutreffen, da sie eine damals als sehr attraktiv und modern empfundene, neonfarben leuchtende Discoästhetik aufwies. Lisberger wollte in diesem Medium einen vollständigen Film drehen, fand aber keine geeignete Handlungsplattform für eine im Backlit-Animation-Stil gehaltene Filmwelt. Das Arcadespiel «Pong» brachte Lisberger schließlich auf die ersehnte Idee: Er sah in dem Videospielklassiker eine Art modernen Gladiatorenkampf und nahm sich vor, einen von «Spartacus» inspirierten Film darüber zu erzählen, wie anthropomorphisierte Programme in der elektronischen Welt hinter dem Bildschirm ums Überleben kämpfen.

Ursprünglich plante Lisberger zusammen mit Geschäftspartner Donald Kushner, «Tron» als unabhängig produzierten Trickfilm zu verwirklichen, der nur für die in der Realität spielenden Buchenden aus diesem Medium ausbricht. Um diese Pläne verfolgen zu können, gründete er ein neues Trickstudio, welches vor allem in der Werbung tätig war, aber auch für den Sender NBC zwei Trickspecials produzierte, die in Deutschland als «Die Dschungelolympiade» veröffentlicht wurden. Als aufgrund des US-Boykotts der Olympischen Spiele 1980 die Ausstrahlung und somit auch die Zahlung für die Produktion aufgeschoben wurde, öffneten sich die Lisberger Studios auch Interessenten von außen. Die Entwicklung an «Tron» schritt voran und man wich vom Plan eines reinen Animationsfilm ab. Stattdessen sollte «Tron» Backlit Animation, Computeranimation und mit Schauspielern gedrehtes Material kombinieren. Unterhaltungen mit Computer- und Videospielexperten änderten unterdessen auch die inhaltliche Gestalt des Projekts. Durch Alan Kay, einem der Miterfinder des Laptops, und seine technischen Visionen beeinflusst, wurde die Thematik von «Tron» über die Videospiel-Gladiatorenkämpfe hinausgehoben. Im endgültigen Skript wurde auch der Wettstreit zwischen Großrechnern (symbolisiert durch den Bösewicht MCP) und Personalcomputern thematisiert, was die Autoren Steven Lisberger und Bonnie MacBird als den Kampf zwischen einem totalitären und einem demokratischen System deuteten. Im gleichen Maße sahen die Macher von «Tron» ihre Geschichte als eine Reflektion des damals unaufhaltsam erscheinenden Aufstrebens des Computerriesen IBM, der andere Mitbewerber und die Subkultur der Hobbyprogrammierer zu verdrängen drohte. Ein weiterer Gedanke, der in den Schreibprozess des endgültigen Drehbuchs für «Tron» einfloss, war das Konzept des digitalen Bürgers. Durch den Computer entstünde, so Steven Lisberger, ein digitales Double jeder Person, die sämtliche bürokratischen Fakten und mehr vereint. Die für die Zukunft entscheidende Frage blieb laut ihm, wer die Kontrolle über diesen Doppelgänger erhält. Ein geistreiches Konzept, welches in «Tron» jedoch, ebenso wie die meisten der angerissenen Grundüberlegungen, bloß marginal zur Geltung kam. Dies dürfte für Mitglieder der Programmiererkultur genügt haben, um in «Tron» einen nicht bloß unterhaltsamen, sondern auch relevanten Kultfilm zu sehen, womit der Grundstein für die spätere Rezeptionsgeschichte des Films gelegt wurde, hinderte «Tron» aber zugleich daran, größere cineastische Ehren zu erhalten.

Mit einem ausgearbeiteten Skript und einem kompletten Storyboardentwurf bot Lisberger «Tron» mehreren Hollywoodstudios an, jedoch zeigte keins Interesse an diesem aufwändigen und ungewöhnlichen Projekt. Als letztes Studio stand Disney an, von dem Lisbergers Team aber überzeugt war, dass es «Tron» ablehnen würde. Als Traditionsstudio mit ausgebildeter Zeichentricksparte wäre es, so Lisberger, sicherlich nicht gewillt, die in «Tron» angedachten modernen Technologien unterstützen wollen. Entgegen aller Erwartungen, fand er bei Disney Gehör.

Der Wunsch: «Star Wars» für die Arcade-Generation


Mit «Tron» kam Lisberger zur richtigen Zeit ins richtige Studio. Walt Disney Productions befand sich seit einigen Jahren in einer schweren finanziellen Krise. Anlass war, dass die Geschäftsführung nach dem Tod des Firmengründers in eine filmstilistische Starre verfiel und sich keine Experimente zutraute. New Hollywood und den ersten Blockbustern wurden konsequent altbackene Familienkomödien entgegengesetzt. Ende der 70er begann in den Disney-Studios daraufhin eine Phase des Umbruchs, hoffend, die verlorenen Kinobesucher wiederzuerlangen. Der Sci-Fi-Thriller «Das schwarze Loch» war die erste Disney-Produktion, die in den USA keine uneingeschränkte Altersempfehlung erhielt. Nicht zuletzt wegen ihres spröden Drehbuchs floppte sie. Ron Miller, Walt Disneys Schwiegersohn und einer weniger konservativen Filmproduktion gegenüber aufgeschlossen, stieg 1980 zum Präsidenten des Konzerns auf und beförderte Tom Wilhite, den damals 27-jährigen Leiter der Publicityabteilung, zum Vorsitzenden der Filmabteilung. Händeringend suchten sie nach weiteren unkonventionellen, mutigen und andersartigen Konzepten, die das jugendliche Publikum zu Disney zurückholen sollten.

In den Augen Millers und Wilhites bot «Tron» exakt das, was Disney in den frühen 80er Jahren benötigte. Weitere Unterstützung erhielt das Projekt von Harrison Ellenshaw, Sohn von Disneys renommierten Matte Painter Peter Ellenshaw und verantwortlich für die Maskenmalereien in «Star Wars», der bei «Tron» letztlich als Associate Producer tätig war und sich bei der Koordination der Effektaufnahmen behilflich zeigte. Befürchtungen, der Film könne in seiner Andersartigkeit Disneys Image ankratzen oder zu wagemutig für einen kommerziellen Erfolg sein, gab es nicht, eher herrschte die gegenteilige Mentalität. Die einzigen Befürchtungen betrafen die technischen Herausforderungen von «Tron» sowie Lisbergers Unerfahrenheit als Kinoregisseur. Das Studio gab Testaufnahmen in Auftrag, nach deren Sichtung «Tron» grünes Licht erhielt. Bloß Disneys Animatorenteam zeigte sich «Tron» gegenüber widerwillig. Viele Zeichner waren von den Möglichkeiten der Computeranimation eingeschüchtert und wollten sich nicht an der Arbeit an einem Film beteiligen, mit dem sie möglicherweise der Zeichentrickkunst das Grab schaufeln könnten. Deswegen versuchte sich zunächst Lisbergers Team im Alleingang an den Effektzeichnungen und der Backlit Animation für «Tron», welche dem Sci-Fi-Film seinen distinktives Äußeres verleihen sollte.

Womit «Tron» bereits während der Produktionszeit das meiste Aufsehen erregte, war sein massiver Einsatz von Computeranimation. Rund zwanzig Minuten des Films enthalten Computeraufnahmen. Es war der erste Film, der in solchen Ausmaßen auf Computertechnologie zurückgriff, zuvor wurden in nur wenigen Hollywoodproduktionen wenige, vereinzelte Effekte am Computer realisiert. Die Computeranimation in «Tron» wurde von insgesamt vier Effekthäusern gestemmt und brachte die damalige Computertechnologie mehrfach an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Um etwa die weitreichenden Computerhintergründe in «Tron» zu ermöglichen, musste ein heutzutage alltägliches Verfahren namens Depth Cloying entwickelt werden. Die Computerbilder waren kristallklar, vollkommen gleich, wie weit entfernt ein Objekt in der Aufnahme erscheinen sollte. Ohne Defokussierung und Abschwächung der Farbe konnte so aber keine Tiefenwirkung erzeugt werden. Durch Depth Cloying wurde eben diese für eine glaubwürdigere Perspektive benötigte Unschärfe simuliert, indem der Computer die Progression der Objekte entsprechend ihrer Entfernung von der digitalen Kamera berechnet.

Aufgrund der Effektlastigkeit von «Tron» und der während der Dreharbeiten bei Jugendlichen weiter gestiegenen Beliebtheit von Arcaden, ging das Studio davon aus, einen sicheren Blockbuster der Ausmaße einer Spielberg-Produktion oder sogar «Star Wars» auf der Hand zu haben.

Die Realität: Nischenkult statt Kassenschlager


Der Sommer 1982 kam, und mit ihm «E.T.», «Star Trek II», «Poltergeist» und «Tron». Die Kinoeinnahmen des für Disney so entscheidenden Sci-Fi-Films, wurden mit gemischten Gefühlen aufgenommen: Bei einem Budget von ca. 17 Millionen Dollar nahm er in den USA ca. 33 Millionen an den Kinokassen ein, was für das Studio zwar einen dringend benötigten Erfolg darstellte, aber weit hinter den Erwartungen zurücklag. In den Kinocharts reichte es nicht einmal für die Top 20 des Jahres. Es genügte allerdings, um mit «Blade Runner» einen anderen Sci-Fi-Meilenstein von 1982 an den Kinokassen zu überholen.

Doch wieso war «Tron» bloß ein sehr mäßiger Erfolg beschieden? Eine Teilschuld lässt sich, neben der harten Konkurrenz in den Kinosälen, gewiss dem Drehbuch zuschreiben: Wie bereits erwähnt, nahm die computeraffine Subkultur «Tron» mit offenen Armen auf, da er für sie relevante Themen behandelte. Mangels Konkurrenz in diesem Filmsektor ließ sich über die teils hölzerne und naive umgesetzte Reflektion über den Einfluss der Computertechnologie auf den Alltag hinwegsehen. Für das Massenpublikum, welches 1982 längst nicht so viel digitale Erfahrungen gesammelt hat, war der Informatikjargon und das generelle Thema jedoch zu abschreckend, insbesondere, da sich die Autoren nicht um massenverständliche Erklärungen kümmerten. Identifikation mit den Figuren war kaum möglich, da sie sehr schwach charakterisiert wurden und man sie ob ihres Designs schnell verwechseln konnte. In der mittlerweile legendären Lightcycle-Rennsequenz ändert sich sogar das den restlichen Film über eingehaltene Farbschema, mit dem sich die Guten von den Bösen unterscheiden ließen. Solche Kleinigkeiten distanzierten in ihrer enormen Häufung das Publikum von der Geschichte. Damalige Marktforschungen des Studios besagten außerdem, dass der Disney-Markenname weitere potentielle Zuschauer verschreckte. Somit war «Tron» wegweisend für die kurz daraufhin von der Geschäftsführung genehmigte Gründung von Touchstone Pictures, eines zweiten Filmstudios, das ohne die Disneyprägung auskam und sich auf Filme für ein älteres Publikum konzentrierte.

Der Zahn der Zeit war derweil sehr gnädig mit «Tron». Kinder und Jugendliche, die ihn im Kino sahen, behielten ihn großteils gut in Erinnerung und machten ihn auf Videokassette zum Kultklassiker. Die zunehmende Computerisierung der Gesellschaft dürfte ebenfalls das Verständnis für «Tron» geweitet haben. Visuell sollte «Tron» einmalig bleiben, und das ungewöhnliche Design des Films erhielt in den 90ern rückblickend einen Retro-Charme. Und einige Cineasten erkannten mit zeitlichem Abstand die Bedeutung von «Tron» als Meilenstein der Computeranimation.

Wie sehr sich nach «Tron» die Bedeutung der Computeranimation änderte, verdeutlicht wohl am eindrucksvollsten seine Oscar-Disqualifikation in der Effektkategorie, weil die Academy den Computereinsatz als Mogelei einschätzte. So etwas war bereits wenige Jahre später undenkbar.
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03.01.2011 09:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/46787
Sidney Schering

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Tron

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