Der Unfall bei «Wetten, dass..?» war nicht der erste im TV, aber der Schlimmste: Ein Höher, Schneller, Weiter birgt stets mehr Risiko.
Es war das Schockerlebnis vom vergangenen Wochenende: Der schreckliche Sturz des Wettkandidaten in der Unterhaltungssendung «Wetten, dass..?». Regungslos blieb er auf dem Studioboden liegen. Moderator Gottschalk war entsetzt. Assistentin Hunziker rief sofort nach einem Arzt und auch im Saal selbst soll es plötzlich mucksmäuschenstill gewesen sein. Selbst die kreischenden Justin Bieber-Fans waren ruhig. Und selbst dem Zuschauer auf der Couch, der sich vielleicht wie so oft mit Freunden zum gemütlichen TV-Abend verabredet hatte, blieb der Atem weg. Schnell wurde reagiert und Musik-Highlights aus vergangenen «Wetten, dass..?»-Sendungen gesendet. Im Hintergrund versuchte man die extreme Situation irgendwie in den Griff zu kriegen. Mit dem Bild des verunglückten «Wetten, dass..?»-Kandidaten wurde der Zuschauer vor dem Bildschirm somit für einige Minuten alleine gelassen. Nicht selten hat sich vielleicht auch bei ihm eine Betroffenheit und Sorge um das Wohl des durch den Unfall Geschädigten breit gemacht.
Natürlich ist es nur richtig, dass der Sender in Absprache mit der Regie vom Geschehen wegschaltet, um diesen Krisenmoment abseits einer breiten Öffentlichkeit in den Griff zu bekommen. Denn es reichte sicherlich schon, dass tausende Menschen im Düsseldorfer Studio live vor Ort alles mitbekamen und mindestens ebenso schockiert über den Vorfall dummerweise direkt zu Beginn der Sendung waren, wie auch Thomas Gottschalk, für den der Kandidaten-Unfall zum Alptraum in seiner Karriere wurde. Umso mehr ist es nachvollziehbar, dass die Sendung später abgesagt wurde. Denn: Unter welchen Umstände hätten Take That mit Robbie Williams oder Justin Bieber denn noch auftreten sollen? Es wäre stets unter der Prämisse gewesen, dass man etwas verdrängen oder vergessen machen möchte. Nämlich den tragischen Unfall des Wettkandidaten, der inzwischen in Lebensgefahr ist. Nein, nach so einem Vorfall kann die Party nicht weiter gehen. Unter welchen Umständen hätten die anderen Wetten laufen sollen und wie erst hätte man den Wettkönig küren sollen? Es wäre makaber gewesen. So war es die richtige Entscheidung «Wetten, dass..?» abzubrechen und das Publikum in den Nachrichtensendungen mit Informationen um den Gesundheitszustand des Kandidaten auf dem Laufenden zu halten.
Diese Entscheidung hat man auch vor dem Hintergrund getroffen, dass in der Kulisse tatsächlich noch Künstler mit Weltrang wie Phil Collins warteten. Sie alle waren mit Abbruch der Sendung also umsonst nach Düsseldorf gekommen, doch sind sie bestimmt die Letzten gewesen, die dafür kein Verständnis gehabt haben. Die Entscheidung wurde auch vor dem Hintergrund getroffen, dass man das Quotenduell mit «Das Supertalent» verlieren würde. Denn so kam es schließlich: In der Zielgruppe setzten sich Bohlen & Co. deutlich durch und auch in der Reichweite wurde das halbstündige «Wetten, dass..?» überholt. Deshalb wird jetzt wieder eine Quoten-Debatte entflammen, in der es zum einen darum geht, wie viel Höher, Weiter, Schneller es gehen darf, um die jungen Menschen sowie die hohen Marktanteile für sich zu erhaschen. Es wird auch darum gehen, inwieweit öffentlich-rechtliches Fernsehen sich dem Quotendruck hergeben kann und darf. Doch seien wir ehrlich: Eine „Privatisierung“ der Öffentlich-Rechtlichen ist nicht erst seit wenigen Wochen und Monaten zu beobachten.
Dem ZDF-Team in Redaktion und Produktion ist kein Vorwurf zu machen. Denn trotz aller Sicherheitsvorkehrungen: Im Bereich des Entertainment ist ein gewisses Risiko immer gegeben. Welches dann auch mit dem Ehrgeiz und den Attitüden des Kandidaten zusammenhängt. Denn gerade im Privatfernsehen ist der Trend des Höher, Schneller, Weiter sehr rasant und sorgt für die besten Quoten. Erinnern wir uns nur einmal an den Fahrrad-Sturz von Stefan Raab – auch nur wenige Monate her. Nicht auszumalen, wenn dort Schlimmeres passiert wäre. Und schon 1971 hätte eine Familie in einer ZDF-Show beinahe mit dem Leben bezahlt: In der Sendung «Wünsch Dir was», moderiert von Dietmar Schönherr, konnte sie sich unter Wasser bei einem simulierten Autounfall nicht so einfach wie geplant aus dem sinkenen Wagen befreien. Die Türen ließen sich nicht auf Anhieb öffnen, Panik machte sich breit. Taucher kamen ihnen letztlich zur Rettung.
Gingen die Sachen hier noch verhältnismäßig glimpflich aus, könnte es für den «Wetten, dass..?»-Kandidaten ernste Folgen haben. Hoffen wir das Beste. Bedeutet das dann das Aus für das ZDF-Flaggschiff? Derzeit heißt es, dass im neuen Jahr für Thomas Gottschalk und seine Samstagabend-Sendung das Motto „The Show must Go on“ lautet – mit hoffentlich besseren Vorzeichen. Doch ohne Schwarzmalen zu wollen: Ein Jahr nach der Skandal-Show wurde «Wünsch Dir was» beim ZDF abgesetzt. Gerne aber glauben wir Programmdirektor Thomas Bellut, dass «Wetten, dass..?» dieses Schicksal nicht ereilen wird. Es wäre auch Schade drum. Denn anders als damals haben Sender und Moderator nach dem Unfall vorbildlich reagiert. Das ZDF und Thomas Gottschalk gingen mit dieser äußerst schwierigen Situation professionell um und retten das Image von «Wetten, dass..?», das deshalb weitergehen darf - nur vielleicht mit weniger Mut zum Risiko.
«Kirschs Blüten» gehen auch nächste Woche wieder auf – jeden Dienstag! Nur bei Quotenmeter.de!