Julian Miller sah einen neuen ARD-Degeto-Film, der inhaltlich deutliche Schwächen hat.Story
Der erfolgreiche Architekt Robert Kant, atemloser Manager für Großprojekte in Fernost, will mit seiner ehrgeizigen Partnerin und zukünftigen Frau Lotta zu einem Geschäftstermin nach Shanghai jetten. Beim Einchecken bemerkt er das Fehlen wichtiger Papiere und muss noch einmal zurück ins Büro. Mangels Taxi ergattert er kurzerhand einen herrenlosen Leihwagen und gibt Gas. Dabei kommt es zu einem schweren Unfall mit der Töpferin Teresa. Eine komplette Ladung wertvollen Keramik-Geschirrs geht zu Bruch, doch wie durch ein Wunder wird niemand verletzt. Teresa würde gerne die Versicherungsnummer ihres Unfallgegners erfahren, doch der hat das Gedächtnis verloren und weiß nicht einmal mehr seinen Namen.
Die Polizei nennt ihn ganz einfach Cheng - so hieß der letzte Mieter seines Leihwagens. Da der Verwirrte nicht weiß, wo er hin soll, nimmt Teresa ihn vorerst bei sich auf. Die alleinerziehende Mutter erweist sich als ausgesprochene Chaotin. Sie hat notorische finanzielle Probleme, ist launisch, und auf die klugen Ratschläge ihres neuen Mitbewohners kann sie gut verzichten. Trotzdem fühlen sich die beiden magisch voneinander angezogen: Sie mögen sogar die gleichen Witze. Für Teresas aufgeweckte Kinder Max und Lisa ist Cheng bald ein Vaterersatz. Als Robert noch einmal zur Unfallstelle zurückkehrt und seinen Ausweis wiederfindet, ist er sich gar nicht mal so sicher, ob er überhaupt in sein altes Leben zurück will.
Darsteller
Fritz Karl («Wer früher stirbt, ist länger tot») ist Robert
Anna Loos («Weissensee») ist Teresa
Claudia Hübschmann («Spielzeugland») ist Lotta
Wolfgang Hinze («Buddenbrocks») ist Heinrich
Felix Steitz («Hafensommer») ist Max
Jadea Diaz («Das weiße Band») ist Lisa Mercedes
Oliver Breite («Post Mortem») ist Heinz Blesser
Kritik
Die schweren Mängel im dramaturgischen Aufbau des neuen ARD-Degeto-Films beginnen schon bei der Prämisse: Töpferin Teresa steckt in massiven Geldproblemen, die so weit reichen, dass ihr Banker ihr bereits als Privatmann Geld leiht. Glücklicherweise hat sie eine Ladung Keramik in ihrem Wagen, die sie verkaufen und somit endlich ihre diversen Schulden abbezahlen kann. Aber weil unverhofft eben oft kommt, gerät sie in einen Verkehrsunfall mit dem Manager Robert, bei dem ihre gesamte Wagenladung zu Bruch geht. Und da Robert nicht mehr weiß, wer er ist, und Teresa trotzdem gerne das Geld von seiner Versicherung erhalten würde, nimmt sie ihn bei sich auf. Wie man sieht, bemühen sich die Autoren Edda Leesch und Marcus Hertneck sichtlich um das Aufbauen eines Plausibilitätskonstrukts, was aber so mangelhaft geschieht, dass es bei der ersten Analyse wie ein schlecht gebautes Kartenhaus in sich zusammenfällt. Denn diese vollkommen unglaubwürdigen Plotverläufe kann man schließlich bei Gott nicht als plausibel bezeichnen, sofern man nicht ein vollkommen gestörtes Verhältnis zur Realität hat.
«Liebe vergisst man nicht» ist eine einzige Ansammlung von Debilitäten, was sich auch in der Gestaltung der Protagonisten widerspiegelt. Während die Hauptfigur Robert der gestresste Manager ist, der ausbrechen will, zeichnet sich Teresa genau durch zwei Dinge aus: Sie handelt irrational und schreit bei jeder sich bietenden Gelegenheit hysterisch durch die Gegend. Vielschichtigkeit sucht man in «Liebe vergisst man nicht» vollkommen vergeblich. Besonders nervig sind jedoch die Kinder in diesem Film, insbesondere Teresas kleine altkluge Tochter Lisa, die mit ihren völlig bescheuerten Dialogparts jede Szene unnötig verlängert. Die Dialoge sind ein weiteres großes Problem des Drehbuchs, da sie sich ausnahmslos auf einem vollkommen infantilen Niveau bewegen. Und mit „Es ist nicht so, wie du denkst“ fällt sogar der Lieblingssatz eines jeden Filmkritikers. Das hat man lange nicht mehr geschafft.
Ohne größere Wendungen verläuft die Handlung den ganzen zweiten Akt über im Nichts und am Schluss schmeißt der Manager seinen Job hin, nachdem er ein paar Tage bei einer Keramikerin und ihren nervigen Kindern auf dem Land verbracht hat. Natürlich. Hirnrissiger, als es hier der Fall ist, kann ein Film nicht mehr enden. Bis auf die hysterische Teresa, die rationale Werte konsequent abzulehnen scheint, werden einem hier durchwegs Figuren ohne Ecken und Kanten geboten, die auch genauso gespielt werden. Lediglich Hauptdarsteller Fritz Karl merkt man hier und da an, dass er mit dem dümmlichen Drehbuch unterfordert ist, da er sich immerhin noch bemüht, seiner Rolle ein wenig Charme und Authentizität zu verleihen. Liebe vergisst man vielleicht nicht, aber diesen Film hoffentlich schon. Je schneller, desto besser.
Das Erste strahlt «Liebe vergisst man nicht» am Donnerstag, den 2. Dezember 2010, um 20.15 Uhr aus.