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Sebastian Vettels Quoten-Treppchen

Sebastian Vettel ist Weltmeister und die Deutschen feiern ihn. War das schon von Beginn an so oder kam die Euphorie erst im Laufe der Saison?

Statistisch gesehen verfügen 83 Prozent der deutschen Haushalte über ein Auto. Über einen Formel-1-Boliden hingegen nur acht. Haushalte - nicht Prozent.

Deutschland hat einen neuen Formel-1-König und das ausgerechnet in der Saison, in der sich Michael Schumacher den Weg zurück in die Herzen der deutschen Fans erfahren wollte. Stattdessen steht nun Sebastian Vettel ganz oben auf dem Siegerpodest. Mit einem Sieg im letzten Saisonrennen in Abu Dhabi erklomm Vettel erst zum zweiten Mal in der Saison den ersten Platz der Gesamtwertung - ein wirklich gutes Timing. Mit 256 Punkten wurde er Weltmeister und Michael Schumacher blieb ein wenig zufriedenstellender neunter Rang.

Deutschland feiert seinen neuen Formel-1-König und hinterher wollen natürlich mal wieder alle von vornherein an ihn geglaubt haben. Auch jene, denen Schumis Comeback zunächst den Realitätssinn verhagelte. War das wirklich so? Ganz Deutschland im Vettel-Wahn von Anfang an? Ein Blick auf die Einschaltquoten soll es zeigen. Ich beschränke mich dabei auf die Rennen, die zu vernünftigen Tageszeiten starteten, sodass RTL keine Wiederholung am Nachmittag zeigen musste, weil das die Quoten ordentlich verzerrt. Australien, Malaysia, China, Japan und Südkorea scheiden damit aus.

Die Idee ist einfach: Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Erfolg von Sebastian Vettel pro Rennen und dem Anteil der Zuschauer, die sich nach dem Rennen noch die Siegerehrung un die Highlights ansehen? Ein echter Fan dürfte ja kaum davon abzubringen sein, den Erfolg voll auszukosten, während er, wenn sein Liebling längst mit Motorschaden im Kiesbett liegt, keine Lust mehr haben dürfte, sich anzusehen, wie die Konkurrenz ihren Triumph feiern darf. Tatsächlich ergibt sich ein ziemlich interessanter Zusammenhang:

Bei den beiden Rennen in Brasilien und Abu Dhabi, bei denen die meisten Zuschauer des Rennens auch noch bei Highlights und Siegerehrung dabei waren, hat jeweils Sebastian Vettel gewonnen. In Brasilien sahen im Schnitt 7,56 Millionen Zuschauer das Rennen, bei den späteren Nachberichten waren immer noch 7,27 Millionen dabei. Vettels dritter Sieg in den ausgewählten Rennen fällt dagegen völlig ab. Nicht einmal 40 Prozent der Zuschauer blieben beim Großen Preis von Europa über das reguläre Rennen hinaus dran. Kein Wunder: Die Fußball-WM-Partie zwischen Deutschland und England wurde gerade angepfiffen.

Auch für Brasilien und Abu Dhabi gibt es durchaus Alternativerklärungen. Abu Dhabi markierte das Saisonfinale und die Krönung des Weltmeisters. Hier wäre das Interesse sicherlich auch ohne deutschen Champion groß gewesen. Und das Rennen in Brasilien lief erst um 17 Uhr an, sodass die Nachberichte in eine äußerst zuschauerträchtige Zeit fielen. Beim Großen Preis von Kanada klappte das allerdings nicht: Nur 51,7 Prozent blieben dran, dabei hatte der Start sogar erst um 18 Uhr stattgefunden. Vettel wurde in dem Rennen allerdings auch bloß Vierter.

So lässt sich auch durchaus eine magische Grenze ziehen: Wenn Sebastian Vettel auf dem Treppchen landete, dann blieben mindestens 55 Prozent der Zuschauer dran, um sich auch noch die Sektdusche anzusehen - wenn kein Länderspiel im Weg war. Landete er in den hinteren Rängen oder gar nicht im Ziel, dann war das Interesse in der Regel geringer.

Deutschlands neuer Formel-1-König stand also schon die ganze Saison hoch im Kurs. Da fragt man sich, wozu eigentlich das unselige Comeback von Michael Schumacher nötig war.

Oft steckt mehr hinter den Zahlen des TV-Geschäfts als man auf den ersten Blick sieht. Oder weniger. Statistisch gesehen nimmt sie unter die Lupe.
19.11.2010 11:34 Uhr Kurz-URL: qmde.de/45922
Stefan Tewes

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Statistisch gesehen

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