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«Rette die Million» - oder: wer bleibt Millionär?

Die zweite Ausgabe der ZDF-Quizshow «Rette die Million» wurde in Köln-Ossendorf aufgezeichnet.

Quotenmeter.de-Redakteur Jürgen Kirsch war vor Ort und sah sich das Konzept der Sendung an. Hatte es zur Premierensendung doch viel Kritik gehagelt, verlief der Produktionsablauf diesmal fließend und reibungslos. Eine Analyse. Die erste Million ist bekanntlich die schwerste. Bei der ZDF-Quizshow «Rette die Million» gilt das überhaupt nicht. Die Schwierigkeit in diesem Spiel besteht darin, die Million zu behalten.

Denn der souveräne Moderator Jörg Pilawa schenkt seinen Kandidaten, die jeweils als Duo auf die umzäunte Bühne kommen, erstmal komplett eine Million Euro – in bar. In dicken 25.000-Bündeln liegen sie vor ihnen, zum Anfassen nah. Angefasst werden sie dann auch. Aber für wie lange, ist die Frage. Acht Spielrunden folgen, in denen es für die frischen Millionäre gilt ihre Million zu verteidigen. Das machen sie, in dem sie acht knifflige Fragen beantworten, die Jörg Pilawa stellt. Dabei dürfen sie sogar nach jeder Spielrunde eine Kategorie selbst auswählen. Auch vier Antwortmöglichkeiten gibt es gratis dazu. Doch wenn man dann eine Frage nicht beantworten kann, und anfängt die beispielsweise drei von vier Antwortfelder mit Geldbündeln zu belegen, ist das Geld entweder schnell ganz oder zumindest ein großer Teil weg. Ein Antwortfeld muss immer frei bleiben, hat man keine Ahnung und setzt auf das falsche Feld, so kann das Millionär-Dasein für die Kandidaten auch sehr schnell beendet sein. Ein Aussteigen gibt es nicht. Einfache Spielregeln also bei «Rettet die Million», die zwar einfach klingen, es für die Kandidaten auf den zweiten Blick aber gar nicht sind.

Die Million zu bekommen ist bei «Rette die Million» also die einfachste Disziplin. Vollautomatisch wird sie auf den Spielpult vor den Kandidaten befördert, sie dürfen dann mit den Scheinen hantieren. Einige Kandidaten, die vor dem kongenialen Quiz-Onkel Pilawa ihr Glück versuchen, werden sich wie so manche millionenschweren Stars und Sternchen fühlen, die ihren Reichtum regelrecht verzocken, bis am Ende schlimmstenfalls nichts mehr übrig bleibt. Die Wahrscheinlichkeit die Million bei der ZDF-Quizshow tatsächlich zu bekommen, ist zwar noch um einiges höher als im Lotto zu gewinnen, aber gleichfalls erfordert dieses Unternehmen zum einen Wissen, zum anderen aber auch Glück und die richtige Intuition. Maximal 60 Sekunden Zeit haben die Kandidaten-Paare, um die Antwortfelder mit Geldbündeln zu bestücken. In den letzten Sekunden werden hier und da noch mal schnell Überlegungen umgeworfen, Blitzgedanken gefasst und möglicherweise vor allem verheerende Fehler gemacht. Da ist es für die Kandidaten eine Erlösung, wenn sie sich entweder schnell festlegen (können) und Pilawa die Zeit anhält oder bestenfalls die Antwort gleich wissen - denn das beruhigt auch die Nerven. Andernfalls sind diese Kurzschlussreaktionen nicht ausgeschlossen und bringen Kandidaten sogar um ihren Gewinn – beinahe zumindest. Weil auch der Moderator Pilawa offensichtlich so fair oder regelkonform ist und den entscheidenden Fehler rückgängig macht, weil das letztmalige Verschieben der Geldbündeln (angeblich) eine Sekunde über der abgelaufenen Zeit erfolgt ist, bewahrt er sie vor ihrem schlimmsten Fehler. Doch durch diese vermeintliche Fairness rettet aber eigentlich der Moderator den Kandidaten immerhin die 25.000 Euro, die eigentlich im Kanal unter der Studiobühne hätten verschwinden müssen. Ohne die Gutmütigkeit des Jörg Pilawa wäre also ein weiteres Kandidatenpaar leer ausgegangen, denn in der zweiten Ausgabe von «Rettet die Million» wurden tatsächlich nicht mehr als 25.000 Euro ausgeschüttet. Den Vorwurf, man habe Gebührengelder verspielt, muss sich das ZDF diesmal also keinesfalls gefallen lassen.

Vielmehr ist es dem ausgeklügelten Quiz-Konzept geschuldet, dass es für die Kandidaten sehr schwer ist, diese Million auch zu verteidigen. Theoretisch ist es also einfacher bei Günther Jauchs «Wer wird Millionär?» sich die Frageleiter zur Million hochzuarbeiten. Zwar warten hier 15 Fragen, doch hat man auch drei bis vier Joker parat. Während man beim «Wer bleibt Millionär?» - wie man «Rette die Million» auch hätte taufen können - ganz auf sich allein gestellt ist, beziehungsweise zu Zweit an den manchmal sehr schwierigen Fragen zu tüfteln hat. In der ZDF-Quizshow sind nur acht Fragen zu beantworten, aber dadurch, dass man das Geld setzen muss, wird der große Stapel im Laufe des Spiels immer kleiner und die Wahrscheinlichkeit viel davon übrig zu behalten, immer geringer. Taktik ist gefragt, die aber mit spontanen Aktionen und Nicht-Wissen unvereinbar ist. Nun ist es auch eine Frage, ob die Regeländerungen, die zur zweiten Ausgabe von «Rettet die Million» griffen, für den Kandidaten eher eine Erleichterung oder eine zusätzliche Schwierigkeit bieten. Denn ab der fünften Fragerunde gibt Jörg Pilawa seinen Kandidaten nur noch drei Antwortmöglichkeiten vor, bei der achten und letzten Frage hält er nur zwei Antworten bereit. So endet es für die Kandidaten schließlich mit einer simplen 50:50-Chance, welche Entscheidung vielleicht schwerer fällt, als wenn man vier Antwortmöglichkeiten zur Verfügung hat und davon vielleicht einiges ausschließen kann, um auf Umwegen auf die Lösung zu kommen. Andernfalls bedeuten weniger Antwortmöglichkeiten auch weniger Potenzial auf die falschen Antworten zu setzen. Es bleibt also der Auffassung des Kandidatenpaares überlassen, ob er diese Regeländerungen als Segen oder Qual auffasst.

Doch offensichtlich ist es keineswegs leichter geworden bei «Rettet die Million» mit dem gesamten Stapel an Geldbündeln das Studio zu verlassen. Im Gegenteil. Denn zwar konnte die Million von zwei Kandidatenpaaren über zwei Runden gerettet werden, doch dann wurde das Geld wieder auf Antwortfelder verteilt und fiel zurück in den abgesicherten Bereich unter der Studiobühne. Manchmal waren die Geldscheine auch schneller wieder weg, als sie zuvor nach oben manövriert wurden. Wie bei so manchem Prominenten folgte der Absturz vom einstigen (wenn auch sehr kurzen) Reichtum. Doch befindet man sich letztlich glücklicherweise noch in einer Fernseh-Show, so dass die Kandidatenpaare im Gegensatz zu den einstigen Millionären der Show- und Musikbranche nichts zu verlieren haben. Sie gehen allerhöchstens leer aus. Sie haben sich vor einem Millionenpublikum entweder blamiert oder Sympathien gewonnen.

Meistens ist es letzteres, denn die Kandidatenpaare hat die Produktionsfirma Endemol gut ausgewählt, sind es doch echte Charaktertypen, die auch mal einen flotten Spruch drücken können („Wenn die Antwort nicht BH ist, geh’n wir demnächst ohne“). Noch dazu hat die Sendung mit Jörg Pilawa einen gestandenen Quiz-Show-Moderator, der sein Handwerk versteht. Dass die Spielrunden jeweils spannend sind, ist nicht abzustreiten. Doch ist die Laufzeit der Sendung mit zweieinhalb Stunden vielleicht doch ein Tick zu langatmig. Im Studio gab es deswegen übrigens keine Probleme: Hat die Premieren-Sendung damals noch für Furore gesorgt, so lief diesmal alles glatt. Sehr pünktlich kam das Publikum ins Studio und noch vor dem eigentlich geplanten Aufzeichnungsbeginn waren alle Mann startklar. Den zeitlichen Produktionsplan hat man sehr gut eingehalten und sogar früher begonnen. Ebenfalls pünktlich konnte das Publikum das Studio nach zweieinhalb Stunden wieder verlassen. Es gab nur eine einzige Unterbrechung, weil tatsächlich Zuschauer mitten in der Sendung die Toilette aufgesucht hatten. Zwar wurden nach der harschen Kritik einiger Zuschauer bei der Premiere in Köln-Ossendorf nun bei der zweiten Sendung immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass man jederzeit das Örtchen aufsuchen könne. Doch ist das ungünstig, wenn gerade derjenige zur Pinkelpause seinen Platz geräumt hat, der als Überraschungsgast im nächsten Abschnitt geplant war. Davon konnte und sollte er natürlich nichts wissen. Ein unglücklicher Zufall eben, doch nach kurzem Warten ging es flott weiter.

Auch auf die Kritik an seiner Haarpracht reagierte Moderator Jörg Pilawa, hatte man sich zuletzt an seiner "Weltreise-Frisur" gestört. „Ein Zuschauer schrieb mir, ob ich im ZDF jetzt auch den Florian Silbereisen geben müsse. Daraufhin habe ich ein bisschen was geändert, nun ist es eher wie Kerner“, machte Pilawa gar noch Scherze. Er hatte auch gut lachen, denn diesmal hatte die Sendung funktioniert. Na bitte, es geht doch! Nur die strahlenden Gewinner fehlten am Ende ein wenig für ein rundum gelungenes Bild, da fast alle Kandidaten ohne Geld wieder gehen mussten. Doch auch ohne Geld wird ein Pärchen trotzdem strahlen können, denn zumindest sie werden ihren romantischen Fernsehmoment nie vergessen - Heiratsanträge in Fernsehshows sind zwar häufiger bei Kai Pflaume zu sehen, doch war hier der Überraschungsmoment einfach größer. Am Ende der Sendung, als noch zwei Szenen eben aus diesem Grund nachgedreht werden mussten, gab es dennoch einiges Murren im Publikum. Doch ist das dann wirklich auf die mangelnde Erprobtheit mancher Zuschauer in Fernsehstudios zurückzuführen, denn die zwei, drei Minuten mehr auf dem Sitzfleisch zu verharren, haben sicherlich niemandem weh getan. Zumal solche Nachdrehs bei Aufzeichnungen eben dazu gehören wie das Vorab-Aufzeichnen des Publikum-Klatschens am Anfang. Letztendlich waren sie aber alle auf ihre Kosten gekommen im Köln-Ossendorfer TV-Studio.
10.11.2010 12:06 Uhr Kurz-URL: qmde.de/45735
Jürgen Kirsch

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