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TV und so: Provokation-Integration

Das Fernsehen kann zur Integration beitragen, wenn es provoziert. Henryk M. Broder macht dies gerade vor.

Das leidhafte Gesellschaftsthema Integration: Kaum etwas eignet sich so sehr zu populistischen Aussagen und Debatten wie dieses Thema, das bei Politikern, an Stammtischen, in Fernsehdiskussionen oder im Freundeskreis immer wieder ein beliebtes ist, weil jeder etwas dazu sagen kann, weil jeder dazu eine Meinung hat. Seit Jahren existiert dieses Thema in Boulevardmedien und der Wissenschaft, bei Stammtischhetzen genauso wie in fundierten Elitekreisen. Jeden geht diese Integration in Deutschland etwas an. Aber was ist sie überhaupt? Was bedeutet sie? Und wie können wir es schaffen, Migranten zu integrieren? Das Fernsehen kann dazu Antworten liefern.

In der neuen ARD-Sendung «Entweder Broder», die aktuell sonntags nach «ttt» am späten Abend ausgestrahlt wird, beschäftigte sich die erste Episode genau mit diesem Problem der Integrations-Definition. Als «Deutschland-Safari» untertitelt, fahren die beiden Publizisten Henryk M. Broder (Jude) und Hamed Abdel-Samad (Muslim) im Land herum, um die Menschen und ihre Ressentiments, ihre Vorurteile und Ansichten kennen zu lernen. Broder zeichnete sich bisher dadurch aus, als Autor kontroverser Sachbücher wie „Der ewige Antisemit“ die Debatte um die Integration von Juden in Deutschland anzuheizen – er scheint immer wieder der Provokateur par excellence. Hamed Abdel-Samad steht als Autor des Buches „Der Untergang der islamischen Welt“ seiner Religion sehr kritisch gegenüber und prognostiziert ihr Ende, sollte sie ihre veralteten Traditionen und Regeln beibehalten und sich nicht der zivilisierten, globalisierten Welt anpassen.

Die beiden Protagonisten schaffen es in der Sendung, den Zuschauern durch bewusste Provokation vor Augen zu führen, wie primitiv und wie oberflächlich das Thema Integration in den Köpfen der Deutschen und Ausländer behaftet ist. Als Abdel-Samad beispielsweise einen türkischstämmigen Verkäufer nach dessen Religion und Regeln befragt, kann dieser nur bruchstückhaft mit gefährlichem Halbwissen antworten – für ihn gelten zudem die Regeln des Islam nicht, auch wenn er sie bei anderen voraussetzt. Der Zuschauer erfährt dadurch: Viele Migranten sind zwar auf religiöse Werte, Regeln und Tugenden gepolt, befolgen diese aber meist überhaupt nicht. Andere tun dies mit Selbstverständlichkeit, auch in Deutschland. Die Frage, wie weit Ausländer also integriert sind, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Dies ist eine der Grundaussagen der neuen Sendung «Entweder Broder».

Es zeigt sich nach und nach also, dass das Thema Integration ein kompliziertes und tiefgründiges ist, das oberflächlich und populistisch so wenig diskutiert werden kann wie kein zweites – gefährlich wird es dann, wenn es eben doch getan wird. Zum Ende der ersten Episode diskutieren Broder und Abdel-Samad dann auch darüber, wie Integration am besten funktionieren kann: Ein Schlüssel sei dafür der Humor; die Feststellung, dass man über sich selber lachen kann. Diese Antwort auf die Integrationsfrage ist so einfach wie schwer. Kann der Muslim, genauso wie der Christ oder der Jude über die eigenen Marotten, die eigenen religiösen Differenzen und Eigenheiten oder sogar die eigenen Vorurteile lachen, so ist der größte Schritt auf dem Weg zu einem gemeinsamen, friedlichen Miteinander getan. Humor überwindet alle Grenzen – leider ist dieses Gesetz bisher bei den wenigsten angekommen, wie «Entweder Broder» entlarvend aufzeigt. Dennoch ist genau diese Sendung ein Beitrag dafür: Mit Humor die Eigenheiten Anderer zu tolerieren und zu akzeptieren – und gerne auch hin und wieder darüber zu lachen.
10.11.2010 00:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/45717
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