Mit den "Iraqi War Logs" wurden viele brisante Geheimakten über den Irak-Krieg öffentlich. Praktizierte Informationsfreiheit oder Skandal?
Informationen können gefährlich sein. Aus dieser These machte beispielsweise Hans-Christian Schmid mit «23 – Nichts ist so, wie es scheint» im Jahre 1998 einen Film. Er basiert in Grundzügen auf einem Hackerclan, der zur Zeit des Kalten Krieges in westeuropäische und amerikanische Computersysteme einbrach und den KGB mit den dabei gestohlenen Informationen großzügig versorgte.
Heute scheint eine solche Angelegenheit öffentlicher abzulaufen. So wurden der Internet-Plattform Wikileaks vor wenigen Wochen Hunderttausende hoch brisanter Geheimakten über den Irak-Krieg und seine Folgeereignisse vermutlich aus dem Pentagon zugespielt, die seitdem auf besagter Homepage für alle Welt zu lesen sind. Das geschah nicht zum ersten Mal, doch nie zuvor wurde ein solches Ausmaß wie bei den „Iraqi War Logs“ erreicht. Es handelt sich um die größte Veröffentlichung militärischer Dokumente in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika. Selbstverständlich war es abzusehen, dass dies der Obama-Administration und den hochrangigen US-Militärs gar nicht gefallen würde. Generalstabschef Mike Mullen bezeichnete Wikileaks wegen seiner Vorgehensweise als unverantwortlich, während Außenministerin Clinton die Organisation beschuldigte, sie würde das Leben von Soldaten aufs Spiel setzen. Niemand mag Whistleblower. Außer vielleicht die Betroffenen und die Redaktion der Time.
Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat mit der „Spiegel-Affäre“ einen ähnlichen Sachverhalt aufzuweisen, als Rudolph Augstein und einige seiner Redakteure nach der Publikation eines umstrittenen Artikels auf Betreiben von Franz Joseph Strauß teilweise monatelang in Untersuchungshaft landeten, bis ihr Name wieder bereinigt war. Die Anklage lief dabei, in ihrer Essenz grob umrissen, auf „Ich sage das“ hinaus. Hoffen wir, dass Clinton ihre Anschuldigungen besser untermauern kann und nicht in dasselbe Fahrwasser gerät, wie damals unser Bundesadenauer.
Doch was steht denn nun eigentlich drin in den vieldiskutierten „Iraqi War Logs“? Neben einem so detaillierten wie erschreckenden Bodycount der letzten sieben Jahre wird nun öffentlich, wie die U.S. Army angeblich von Folterungen und Misshandlungen von Gefangenen durch irakische Sicherheitskräfte gewusst haben soll. Das ist brisant. Das ist gefährlich. Aber es ist eben auch Teil des öffentlichen Interesses der Staatsbürger von Ländern, die an dem Krieg militärisch beteiligt sind. Und diese haben ein Anrecht, über dessen Verlauf und Folgen informiert zu werden. Wenn das die Regierungen nicht übernehmen, macht das eben früher oder später jemand anderes.
Auch nächsten Freitag schließt sich mit 360 Grad wieder der Kreis.