Eine neue Software ermöglicht schnelle und digitale Filmdiäten. Dick, dünn, groß oder klein: Alles egal?
Einige der meistgepriesenen schauspielerischen Leistungen sind das Ergebnis mühevoller Gewichtsveränderungen. Da wären beispielsweise Christian Bale, der 27 Kilogramm für seine Rolle im spanischen Thriller «The Machinist» abnahm, oder Robert DeNiro, der für den Schluss von «Wie ein wilder Stier» mittels italienischer Schlemmereien bis zu 30 Kilo zunahm. Eine neue Software des Max-Planck-Instituts könnte Schauspielern die Filmdiäten in Zukunft ersparen: MovieReshape heißt das digitale Werkzeug und lässt sich als effektives Photoshop für bewegte Bilder beschrieben. Im Gegensatz zur Motion-Capturing-Technik, für die ein Darsteller in einem speziellen Anzug stecken muss, damit Animatoren später seine Mimik und Gestik auf eine am Computer erstellte Figur übertragen können, kann man mittels MovieReshape die regulär gedrehten Aufnahmen eines Schauspielers nehmen und dann innerhalb weniger Stunden nach Belieben modifizieren. Dazu wird ein 3D-Modell, welches entstand, indem 120 3D-Scans von Frauen und Männern gemacht und schließlich in dieses Universalmodell verschmolzen wurden , auf die Silhouette des Schauspielers gelegt. Das variierbare Modell wird, vereinfacht gesprochen, zu einer Einheit mit der realen Darstellung, und so kann die reale Silhouette dicker oder dünner, größer oder kleiner gemacht werden.
Diese Technik soll Zeit sparen, was sonst Tage oder gar Wochen dauert könne mit MovieReshape in wenigen Stunden erledigt werden, und besonders realistisch wirkende Ergebnisse liefern. Gewissenhaften Einsatz vorausgesetzt. Außerdem soll MovieReshape effektiv für digitale Alterung oder Verjüngung von Schauspielern eingesetzt werden können, also die aufwändige Arbeit des Spezialeffektteams von «Des seltsame Fall des Benjamin Button» in einem Bruchteil der Zeit überwältigen. MovieReshape befindet sich derzeit noch in der Entwicklung, momentan funktioniert die Software nur bei Aufnahmen mit einem detailarmen Hintergrund, doch die Entwickler versprechen sich einen Meilenstein in der Spezialeffektgeschichte.
Vorausgesetzt, dass die Ergebnisse wirklich überzeugend sind, wären die Möglichkeiten tatsächlich nahezu unbegrenzt: Talentierte Schauspieler, die aus gesundheitlichen oder terminlichen Gründen kein langwieriges Training durchziehen können, könnten zukünftig in den verschiedensten Rollen besetzt werden. Und da MovieReshape auch die Größe verändern kann, hätten Schauspieler wie Verne Troyer vielleicht endlich reelle Chancen auf vorzeigbare Rollen, außerhalb des wandelnden Klischees der lustigen, kleinen Kerle. Aber es gibt natürlich auch Schattenseiten an MovieReshape. Schnell könnte der geneigte Cineast darum bangen, dass die intensive Vorbereitungszeit auf extreme Rollen untergraben wird. Mit MovieReshape könnte der Wille sterben, Schauspieler monatelang für eine Rolle trainieren zu lassen. Dabei benötigen einige Darsteller diese Zeit, um sich richtig in ihre Figur hineinzudenken.
Diese Befürchtung ist jedoch, denke ich, unbegründet. Es wird immer Schauspieler und Regisseure geben, die gezielt auf solche digitalen Spielereien verzichten. Schließlich wird auch seit Jahren die Grabrede für teure Kulissenbauten gehalten, und dennoch kommen immer wieder große Hollywood-Blockbuster um die Ecke, bei denen darauf verzichtet wurde, alles vor einer grünen oder blauen Wand zu drehen.
Als viel problematischer erachte ich das, was die Werbebranche mit MovieReshape anstellen könnte. Dank Photoshop wurden Models in Printanzeigen und auf Plakaten immer dünner und makelloser. Man mag sich gar nicht erst ausmalen, was geschieht, sobald den Werbefilmern MovieReshape in die Hände fällt. McDonalds müsste nicht mehr bis zur nächsten Staffel von «Germany‘s Next Topmodel» warten, um billig an Models ranzukommen, die mehr oder minder freiwillig in einen McRib beißen und schmatzend in die Kamera lächeln. Man nimmt sich einfach eine deprimierte Schülerin, verspricht ihr ein gratis McMenü, und passt sie in der Postproduktion mittels MovieReshape den Werbeidealen an. Hat ein Fußballspieler in der Nutella-Werbung einen zu dicken Hintern? Dank MovieReshape wird niemand auf die Idee kommen, der fette Poppes sei durch Nussnougatcreme entstanden. Und für lächerliche Vorher-Nachher-Vergleiche in Dauerwerbesendungen, die vibrierende Diätgürtel anpreisen, muss man nicht mehr nach einer dicken Darstellerin suchen, die die selbe Haarfarbe hat, wie das dünne Modell, das billig an der Straßenlaterne neben dem Studio aufgegabelt wurde. MovieReshape, und der Naivling wird mit immer geringerem Aufwand verarscht.
Bleibt eigentlich nur zu hoffen, dass MovieReshape für die Werbung zu kostenineffizient bleibt. An sich ist MovieReshape nämlich nichts weiteres, als ein Werkzeug. Für dieses Programm gilt das gleiche, wie für jedes andere technische Errungenschaft der Filmbranche: So lange sie richtig eingesetzt wird, ist es eine dankbare Erfindung. Stellt sich nur die Frage, ob MovieReshape vernünftig eingesetzt wird, oder ob die Trainer der Stars und die Hersteller überzeugender Fatsuits schon mal bei der Agentur für Arbeit anrufen sollten. Nur die Zukunft wird es uns verraten.