Quotenmeter.de vor Ort: Redakteur Christian Richter besuchte das Set der neuen Sat.1-Soap und machte einige interessante Entdeckungen.
Es ist eine trostlose Gegend. Weit vor den Toren Berlins liegt der Ort Strausberg, in dessen Industriegebiet am äußersten Rand des S-Bahnnetzes zwischen Baumärkten und Autohäusern die neue tägliche Sat.1-Serie «Hand aufs Herz» entsteht. Die Zufahrt teilt sich die Produktion mit dem örtlichen Job-Center, das in einem unscheinbaren Plattenbau untergebracht ist. Während dort die Menschen auf ihren Termin warten, herrscht auf dem Nachbargrundstück bereits ab kurz nach 8.00 Uhr geschäftiges Treiben.
Eingezogen ist das Format in eine alte Militärkaserne, die in ihrer langen Geschichte alle deutschen Armeen beheimatete. Zuletzt nutze die Bundeswehr das 1936 errichtete Gebäude. „Wir haben deutschlandweit nach einer geeigneten Location gesucht“, berichtet Susanne Brandes, die Sprecherin der Serie. Sogar einen Drehort in Wien habe man sich angeschaut. Den Ausschlag für das Objekt gab letztendlich die große Freitreppe im Hauptflügel. „Eine solche Treppe ist der Traum für jeden Regisseur“, schwärmt Brandes weiter.
Doch bevor die erste Klappe fallen konnte, wartete eine Menge Arbeit auf das Team. Zu diesem Zeitpunkt stand das Gebäude bereits zehn Jahre leer und war in einem schlechten Zustand. Sämtliche Produktionsschritte von den Autoren, über die Maske und Kostüm bis zum Schnitt fanden im weiträumigen Gebäude ihren Platz. Selbst die Sets wurden nicht wie bei anderen täglichen Serien in Studios errichtet, sondern ebenfalls in die Kaserne integriert. Sie liegen weit verstreut im gesamten Komplex.
Man erkennt sofort, dass die Wände aus echtem Beton und nicht Sperrholz sind, dass hinter den Fenstern eine echte Außenwelt und keine Fototapete zu erkennen ist und man riecht, dass die Spieltoilette früher wirklich genutzt wurde. Hier zeigt sich deutlich die 70-jährige Geschichte des Hauses, das fast ausschließlich von Männern bewohnt wurde.
Weil es sich um echte Räume und eben keine Studiobauten handelt, sind alle Sets 360 Grad voll bespielbar. Es gibt also nirgends eine Ecke, wo die Kulisse endet. Das ist ein Luxus, den nur die wenigsten Produktionen genießen. So kann die Kamera beispielsweise um die Hauptfigur Bea Vogel mehrmals herumfahren, während sie am Klavier in der großen Aula sitzt. Da die genutzten Schulflure zudem direkt aneinander grenzen, ist es auch möglich lange Kamerafahrten vom Schulhof, über die große Freitreppe am Kiosk vorbei durch die Gänge bis in die Klassenzimmer hinein zu realisieren.
Die Räume der Schule werden für jede Aufnahme mit bis zu 50 Komparsen gefüllt, die bewusst dauerhaft eingesetzt werden, um den Eindruck einer konstanten Schüler- und Lehrerschaft zu erwecken. Die meisten von ihnen kommen aus den umliegenden Gemeinden.
Doch nicht nur die Klassenzimmer, Schulflure und Lehrerzimmer sind im alten Quartier zu finden, sondern auch die Serien-Bar „Chulo's“ und die Wohnung der Vogels. Aufgrund der baulichen Bedingungen sind jedoch deren Zimmer in unterschiedlichen Flügeln des Hauses untergebracht. Hinter einer großen Tür versteckt sich zudem die Dekoration eines edlen Restaurants, das bisher noch nicht bespielt wurde, aber künftig zu einem zentralen Punkt der Serie werden wird.
Bei der Gestaltung der einzelnen Räume haben sich die Bühnenbildner von ihren eigenen Schul-Erinnerungen inspirieren lassen und Sets geschaffen, in denen man förmlich die Kreide riechen kann. Von den Wandzeitungen im Klassenzimmer bis zu den Schmiererein auf dem Klo - alles soll so authentisch wie möglich wirken. Aus diesem Grund werden auch nahezu alle Szenen nur mit Handkameras von der Schulter und nicht mithilfe von Stativen oder Kamerawagen gedreht. Die Aufnahmen wirken auf diese Weise dynamisch und ungekünstelt.
Obwohl die Serie in Brandenburg hergestellt wird, soll sie in Köln spielen. Als Grund nannte die Sprecherin, dass es schon zu viele Serien geben würde, die im naheliegendem Berlin stattfinden. Dass eine Produktion an einem anderen Ort gedreht wird, ist nicht ungewöhnlich, erfordert jedoch zusätzlichen Aufwand den wahren Standort zu verschleiern. Überall sind in den Kulissen kleine Hinweise auf die Rheinmetropole versteckt. So ist ein Flur mit der Skyline der Stadt und dem Geißbock des FC verziert. Im Lehrerzimmer hängt ein Kölner Stadtplan und im Hof verdeckt ein kölsches Werbeplakat die Sicht auf die brandenburgische Umgebung
Die Entscheidung eine tägliche Serie nicht in einem komfortablen Studio, sondern ausschließlich an Originalkulissen drehen zu lassen, stellt eine große Herausforderung an das Produktionsteam dar, denn Ton und Licht lassen sich dort schwerer kontrollieren. Dafür sind jedoch authentischere Bilder als bei anderen Formaten möglich. Dieser optische Vorteil verlangt allerdings schnelle Umbauten, denn es gibt keine stationäre Regie oder festinstalliertes Licht. Alles muss vor jeder Szene an das jeweilige Set geräumt werden. Das Team ist jedoch derart gut eingespielt, dass ein Umbau nur wenige Minuten benötigt.
Da der endgültige Auftrag für das Format sehr spät getroffen wurde, musste die gesamte Produktion innerhalb kürzester Zeit auf die Beine gestellt werden. Daher war es auch nicht möglich die Dreharbeiten mit dem üblichen Vorlauf von sechs Wochen beginnen zu lassen. Um diesen langfristig aufzubauen, dreht das Team derzeit täglich fünf Minuten mehr Material ab, als für eine Folge benötigt wird. Zu Beginn der Ausstrahlung konnte so bereits ein Polster von vier Wochen geschaffen werden.
In einer Drehpause verrät Hauptdarstellerin Vanessa Jung, dass sie es genießt wieder täglich drehen zu können. Außerdem habe sie sich gerade ein E-Piano für ihre neue Wohnung gekauft, denn für ihr echtes Klavier wäre darin leider keinen Platz. Für ihre Rolle der Musiklehrein Bea Vogel muss sie wieder häufiger üben.
Die musikalische Ausrichtung des Formats soll vor allem bei den jungen Zuschauern punkten. In nahezu jeder Folge wird es eine kleine Musiknummer in Form eines gesungenen Liedes oder eines Liveauftritts geben. Damit diese Aufführungen möglich sind, müssen die Darsteller der Musik-AG vier bis fünf Mal pro Woche proben. Dank ihrer umfangreichen Musicalerfahrung, sind sie in der Lage innerhalb kürzester Zeit einen Song oder eine Choreografie einzustudieren.
Mit dem musikalischen Schwerpunkt im Umfeld einer Schule erinnert die Serie unweigerlich an die amerikanischen Produktionen «High School Musical» und «Glee». Ein Effekt, der zwar nicht ungewollt ist, aber auch nicht zu stark von den Machern erzwungen wird. Aus diesem Grund konzentrierte sich die Pressearbeit zum Start der Serie auch eher auf die Figuren und Handlungsstränge als auf die musikalischen Einlagen. Erst im Laufe der kommenden Wochen soll dieser Aspekt stärker in den Fokus gerückt werden.
Um eine feste Fangemeinde von «Hand aufs Herz» aufzubauen, setzt die PR-Abteilung auf eine enge Verzahlung zwischen der TV-Ausstrahlung und der Internetplattform. Dort sind neben den Cross-Promotion-Beiträgen anderer Sat.1-Sendungen auch kleine Interviewschnipsel und ausführliche Portraits der Darsteller zu sehen. Herzstück der Online-Kampagne ist jedoch die Homepage der fiktiven Pestalozzi-Gesamtschule. Neben Fotos aus der Kulisse werden dort regelmäßig Handyvideos oder SMS-Nachrichten in voller Länge veröffentlicht, die in der Serie nur kurz zu sehen sind. Wie in echten Blogs und Foren kommentieren diese die (fiktiven) Schüler und Lehrer anschließend. Demnächst ist über diese Seite auch ein Casting geplant, an dem Nachwuchsbands teilnehmen und einen Auftritt in der Serie gewinnen können. Dazu gibt es eine eigene Facebook-Seite und einen Twitter-Account. Man will so nah wie möglich an die jungen Zuschauer heran.
Bisher sind die Einschaltquoten der Serie mit rund zehn Prozent in der werberelevanten Zielgruppe zwar leicht unterdurchschnittlich, aber noch nicht besorgniserregend. Das Produktionsteam von «Hand aufs Herz» hofft daher, dass die Werte in den kommenden Wochen nicht deutlich fallen werden, denn sonst müssen auch sie bald ins benachbarte Job-Center wechseln und sich künftig im Warten üben.