Story
Hilfeschreie dringen durch die Nacht. Wie versteinert steht Jürgen Müller im Wohnzimmer seines Hauses. Verzweifelt versucht der alte Mann jegliche Bewegung zu vermeiden, denn die Metallplatte unter seinen Füßen verheißt kaum Gutes: Jürgen Müller steht auf einer Mine. Den Mann verlassen zunehmend die Kräfte. Eine heftige Explosion reißt ihn schließlich in den Tod. Als Hauptkommissar Bruno Schumann am Tatort eintrifft, traut er seinen Augen kaum. Denn das durch die Explosion zerstörte Haus war einst sein Elternhaus. Den Hauptkommissar holen unvermittelt Gedanken aus der Vergangenheit ein. Vor 37 Jahren wurde sein Vater während eines Polizeieinsatzes getötet. Jürgen Müller und Fritz Krömer, ein weiterer Kollege, hatten damals die erschütternde Nachricht überbracht. Nur wenig später verkaufte seine Mutter das Haus an das jetzige Opfer. Bruno Schumann ahnt, dass der Schlüssel zur Lösung des Falles in seiner eigenen Vergangenheit liegt. Eine erste Spur führt den Hauptkommissar und seine Kollegen zu Rolf Kahles, einem vorbestraften Sprengstoffexperten, dessen Mutter Gabriele einst Schumanns Vater getötet haben soll. Sie hatte damals auffallend schnell gestanden, den Polizisten im Streit mit der eigenen Dienstwaffe erschossen zu haben. Wenige Tage vor dem Anschlag auf Jürgen Müller ist Gabriele Kahles gestorben und ihr Sohn Rolf aus dem Gefängnis geflohen. Voller Angst, das nächste Opfer zu werden, sucht Fritz Krömer den Hauptkommissar auf.
Verzweifelt gesteht er, dass nicht Gabriele Kahles, sondern der damals zehnjährige Rolf Schumanns Vater erschossen hatte. Nun scheint dieser sich an den Polizisten rächen zu wollen, die damals seine Mutter unschuldig ins Gefängnis gebracht hatten. Hauptkommissar Schumann ist aber skeptisch und immer mehr davon überzeugt, dass Krömer ihm weiterhin die Wahrheit über die Umstände, die zum Tod seines Vaters geführt hatten, verschweigt. Bei ihren Recherchen entkommen Schumann und Henry Weber allerdings nur knapp einem Anschlag, der eindeutig Krömer in seiner abgelegenen Datsche töten sollte. Die Kommissare bleiben hartnäckig, und tatsächlich kann bald durch neue kriminaltechnische Methoden nachgewiesen werden, dass Schumanns Vater nicht an einer Schussverletzung starb, sondern erstickt wurde. Allmählich scheint Licht ins Dunkel des Falles zu kommen, doch dann steht Rolf Kahles selbst auf einer Tretmine.
Darsteller
Christian Berkel («Inglourious Basterds») ist Hauptkommissar Bruno Schumann
Maya Bothe («Kommissar Stolberg») ist Kommissarin Alex Keller
Frank Giering («Lasko – die Faust Gottes») ist Kommissar Henry Weber
Antonia Holfelder («Hexe Lili») ist IngeTschernay
Volker Lechtenbrink («Das Sandmännchen») ist Fritz Krömer
Marc Ben Puch («Callgirl Undercover») ist Vater Schumann
Joachim Nimtz («Parkour») ist Rolf Kahles
Andreas Guenther («Zweiohrküken») ist Fritz Krömer (jung)
Hans-Henning Stober («Wir sind das Volk») ist Jürgen Müller (jung)
Margrit Sartorius («SOKO Leipzig», «Der Alte») ist Gabriele Kahles
Kritik
In gewohnter Manier bietet die Krimi-Serie «Der Kriminalist» auch mit dem Auftakt der sechsten Staffel im ZDF eine äußerst spannende Thematik. Die ausgehende Situation ist ein auf einer Tretmine stehender alter Mann, der sich kaum noch länger auf den Beinen halten kann. Eine riesige Explosion ist der Aufmacher der Episode «Der Kriminalist: Schatten der Vergangenheit». Eine sehr gute Sequenz, die beim Zuschauer direkt Aufmerksamkeit erregt. Doch der erwartet dann folglich, dass es auch in den nächsten Minuten so actionreich weiter geht. Die Handlung in «Der Kriminalist: Schatten der Vergangenheit» beschäftigt sich aber zunächst mit der Vergangenheitsbewältigung von Hauptkommissar Bruno Schumann. Vordergründig sind nach dem spektakulären Einstieg eher melodramatische Szenen als Action. Erst zum Ende soll es wieder spannend werden. Regisseur und Drehbuch-Autor Thomas Jahn inszenierte also eine Mischung aus Drama-Elementen und spannenden Krimi-Inhalten. Über die Dosierung der Mischung lässt sich jedoch streiten.
Zwar bleibt von Anfang an eine gewisse Grundspannung erhalten. Aber nehmen die längeren melodramatischen Szenen im mittleren Teil des Films vielmehr das zu Beginn sensationell entfachte Feuer – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn auf Explosionen, Angstschweiß und Verzweiflung folgen die Aufarbeitung der Vergangenheit, Geständnisse und Lügen. Dass das nicht für jeden Zuschauer zusammen passt, macht die Episode «Der Kriminalist: Schatten der Vergangenheit» zu einer besonderen Folge der Reihe. Thomas Jahn hat in seinem Erzählstil dramaturgisch aber gut gewählt. Zum Vorteil des Films hat er die eher actionarmen Szenen mit Rückblenden versehen und auch abseits der Verhöre und Geständnisse die Szenerie durch etwas Wortwitz aufgelockert.
Christian Berkel als Hauptkommissar Bruno Schumann steht im Mittelpunkt und lässt diese Episode, die sich indirekt auch mit der Vergangenheit seines Charakters beschäftigt, gelingen. Denn die Dialoge sind stets verständlich und emotionalisieren. Das ist auch der Grund, warum es spannend bleibt. Denn letztlich wird im mittleren Teil des Films mehr gesprochen als gehandelt. Damit der Zuschauer nicht nur zwei Menschen in einem Verhörraum sieht, hat Regisseur Thomas Jahn ergänzend die Rückblenden parat, die für Abwechslung und etwas Nervenkitzel sorgen. Somit ist «Der Kriminalist: Schatten der Vergangenheit» durchgehend spannend. Am Ende wird sogar nochmal etwas draufgelegt. Beim Überführen des vermeintlichen Täters geraten Schumann und sein Team ein weiteres Mal in große Gefahr. Schumann muss den einzigen Mann, der ihm alles über die Umstände vergangener Tage erzählen kann, vor einer Tretmine retten. Eine knifflige Angelegenheit, die für neuen Zündstoff am Ende der Episode sorgt.
Denn hier nimmt «Der Kriminalist» wieder Fahrt auf und ist Nervenkitzel pur. Sehenswert ist «Der Kriminalist» also eben wegen dieser spannungsgeladenen Story. Doch ist der Anteil der Szenen, wo es um die Erzählungen über die Vergangenheit geht, welche mit Rückblenden ausgeschmückt wurden, größer, was für den Betrachter gelegentlich Leerlauf bedeuten kann. Die detailreiche Erzählweise von Thomas Jahn ist ein Pluspunkt, der auch Geschmack auf die weiteren zwei Episoden mit Jahns Beteiligung macht. Denn so kann der Zuschauer die Komplexität der Figurenkonstellationen erst begreifen. Letztlich ist es aber die nicht ausgewogene Balance zwischen der detailgenauen Erzählung im Drehbuch und dem explosiven Einstieg in die Episode sowie ihrem Action-Anteil, die Erwartungshaltungen enttäuscht.
Das ZDF zeigt die Krimi-Episode «Der Kriminalist: Schatten der Vergangenheit» am Freitag, 15. Oktober 2010 um 20.15 Uhr.