Weiß der vierte Teil der Zombiespieladaption auch abseits seiner ansehnlichen 3D-Effekte zu überzeugen?
Dass in Hollywood akuter Ideenmangel herrscht, dürfte hinlänglich bekannt sein. Um nicht ständig mit einem originären Stoff daherkommen zu müssen, widmet sich die Traumfabrik neben der exzessiven Verwendung von Roman- und Comicvorlagen seit geraumer Zeit auch immer wieder gern der Verfilmung populärer Videospiele. Dabei zeigten sich die Filmproduzenten in den letzten Jahren unter anderem besonders angetan von Survival-Horror-Games. So haben die drei großen Klassiker des einst so beliebten Genres auch bereits ihre jeweilige Kinoauswertung erfahren. Während «Silent Hill» (2006) aus der Feder von «Pulp Fiction»-Co-Autor Roger Avary hierbei zweifellos als ambitionierteste und werkgetreueste Adaption angesehen werden kann, machten es sich die Leinwandversionen von «Resident Evil» (2002) und «Alone in the Dark» (2005) wesentlich einfacher, indem sie sich lediglich einige Eckpfeiler der jeweiligen Grundkonstellationen herauspickten und den subtilen Horror der Vorlagen weitestgehend durch bloße Action ersetzten.
Vor allem «Alone in the Dark» entpuppte sich dabei als künstlerisches und finanzielles Desaster, was jedoch nicht sonderlich verwunderte, zeichnete doch niemand geringeres als Regiedilettant Uwe Boll für das lieblose und trashige Machwerk verantwortlich. «Resident Evil» verfügte hingegen trotz seines schwachen Drehbuchs und eines ebenfalls nicht zu leugnenden Trashfaktors über einen gewissen Charme, den er insbesondere aus der soliden Inszenierung Paul W. S. Andersons («Event Horizon», «Alien vs. Predator») und der passend besetzten Hauptdarstellerin Milla Jovovich («Das fünfte Element», «Johanna von Orléans») bezog. Auch wenn das Endergebnis schließlich zahlreiche Fans der ersten Stunde enttäuschte, konnte sich die unter anderem vom deutschen Erfolgsproduzenten Bernd Eichinger finanzierte Verfilmung eine ganz eigene treue Anhängerschaft aufbauen. Mit zunehmenden Ablegern steigerte die Reihe so nicht nur ihren Umsatz an den Kinokassen, sondern baute auch ihre Qualität zumindest ein Stück weit aus.
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Dieser Trend wird mit dem nunmehr vierten und erstmals auch in 3D präsentierten Teil «Afterlife» mangels Einfallsreichtum leider keineswegs fortgesetzt, auch wenn es Regisseur und Autor Paul W. S. Anderson durchaus gut verstanden hat, die dritte Dimension wirkungsvoll für seine Zwecke zu nutzen. Nicht umsonst werben die Plakate und Trailer des Films unablässig mit dem zum Einsatz gekommenen Fusion Camera System, das von Vincent Pace und James Cameron entwickelt und so unter anderem auch in dessen Science-Fiction-Blockbuster «Avatar» (2009) verwendet wurde. Deutlich wird dieser Vorzug von «Resident Evil: Afterlife» bereits an der nett anzuschauenden Vorspannsequenz in einer Fußgängerzone des verregneten Tokio, die einmal mehr unter Beweis stellt, dass abseits großer Actionsequenzen Schrifteinblendungen zu den großen Stärken der neuen 3D-Technik gehören. Wunderbar in Szene gesetzte Regentropfen (die sogar an der Schrift dezent abperlen) runden zusammen mit der kraftvollen Musikuntermalung den stimmungsvollen Einstieg gut ab.
Nach diesem kurzen Intro setzt schließlich die eigentliche Handlung des Films ein, die relativ nahtlos an das Ende des dritten Teils anknüpft. So begibt sich die kampferprobte Protagonistin Alice (Milla Jovovich) gemeinsam mit ihren zahlreichen Klonen nach Tokio, um einen vernichtenden Schlag gegen die dort ansässige Umbrella Corporation zu führen, jenen Konzern, der einst für die Entwicklung des Virus’ verantwortlich war, das inzwischen fast die gesamte Menschheit in aggressive Untote verwandelt hat. Ohne sich groß mit einer weiteren Einführung zu befassen, geht der Film dabei auch direkt mit hohem Tempo in die Vollen und entfacht ein maßlos übertriebenes, aber insbesondere durch seine furiosen 3D-Effekte durchaus ansehnliches Actionfeuerwerk.
Von den vielen 3D-Produktionen der letzten Monate (deren Großteil die Dreidimensionalität erst nachträglich in der Postproduktion spendiert bekam) wusste in der Tat kaum eine ein solches Mittendringefühl zu erzeugen, wie es Paul W. S. Anderson nun in «Afterlife» demonstriert. Wenn die Blutspritzer eines direkt vor den Augen des Zuschauers explodierenden Zombiekopfes auf der Kamera und somit gefühlt auch auf der eigenen 3D-Brille kleben bleiben, schlägt das Herz des geneigten Genrefans zu Recht ein wenig höher. Einziges Manko an der ganzen Geschichte ist die Tatsache, dass sich der Film streckenweise etwas darin verliert, seine dreidimensionalen Spielereien in überaus ausgedehnten Zeitlupenpassagen selbstverliebt zu zelebrieren. Spätestens hier wird erkennbar, wie stark das Werk auf eine Aufführung in 3D ausgerichtet ist und in welchem Maße sich seine Inszenierung nach jenen Effekten gerichtet hat. Ob dies nun als störend einzustufen ist, muss am Ende aber jeder Zuschauer wohl für sich selbst entscheiden. Fakt ist, dass die Zombiehatz in «Afterlife» ohne den 3D-Bonus einen Großteil ihres Reizes verliert. Falls man also einen Kinobesuch in Erwägung ziehen sollte, empfiehlt es sich, diesen einem technisch entsprechend ausgerüsteten Saal abzustatten.
Neben der Präsentation in 3D trägt aber auch die großartige Soundkulisse wesentlich dazu bei, dass dem Zuschauer die Möglichkeit geboten wird, an einigen Stellen regelrecht in das Geschehen einzutauchen. In diesem Zusammenhang sei auch die gelungene und vom Komponistenduo tomandandy geschriebene Filmmusik noch einmal gesondert positiv hervorgehoben. Mit ihren hämmernden, elektronischen Industrialsounds schaffen sie es nicht nur, für passende Untermalung zu sorgen, sondern auch den Actionszenen eine zusätzliche Wucht zu verleihen.
Doch damit erschöpfen sich allmählich die guten Seiten am vierten Teil der langlebigen «Resident Evil»-Reihe. Nach dem fulminanten Auftakt schleicht sich mit Alices kurzer Suche nach einem angeblich infektionsfreien Ort namens Arcadia, in den sie ihre ehemaligen Mitstreiter am Ende des dritten Teils geschickt hat, zunächst einiger Leerlauf ein. Als sie dann später auf eine Gruppe Überlebender in Los Angeles trifft, nehmen die Geschehnisse zwar wieder spürbar an Fahrt auf und können zudem mit weiteren dreidimensionalen visuellen Leckerbissen aufwarten, doch offenbart sich bei einem Blick hinter diese actiongeladene Fassade die eigentliche Ideenarmut der Produktion.
Auch wenn die «Resident Evil»-Filme noch nie eine wirklich ausgeklügelte Geschichte zu erzählen hatten (schließlich stammen alle Teile aus der Feder von Paul W. S. Anderson), war es bei vorhandenem Grundinteresse doch bislang zumindest einigermaßen spannend, Näheres über die Hintergründe der Machenschaften der ominösen Umbrella Corporation sowie über deren „Projekt Alice“ zu erfahren. Da dieser Haupthandlungsstrang jedoch in «Resident Evil: Extinction» (2007), dem dritten Teil der Reihe, bereits weitestgehend auserzählt wurde, kann «Afterlife» diesem nun nichts Neues mehr hinzufügen. Aber auch abgesehen davon, ist die Handlung des Horror-Actioners kaum der Rede wert. Unter Rückgriff auf zahlreiche Genreklischees, stupide Dialoge sowie allzu plumpe und viel zu vorhersehbare Schockeffekte, entfaltet Paul W. S. Anderson ein unoriginelles Storygebilde, dessen Verlauf von überkonstruierten Elementen dominiert wird, die selbst in der dargebotenen Filmwelt noch unglaubwürdig wirken. Ärgerlich ist da in besonderem Maße auch das Finale, das zwar ebenfalls durch ein paar nette Effektideen fesseln kann, mit einem dermaßen überzeichneten und von Shawn Roberts übertrieben lässig dargestellten Bösewicht aber endgültig wieder ins Alberne, wenn nicht sogar Trashige abdriftet.
Darüber hinaus zeichneten sich die Vorgängerfilme insbesondere auch dadurch aus, dass sie sich trotz der gleichbleibenden Grundthematik in ihren jeweils entworfenen Ausgangssituationen stark voneinander unterschieden und somit Abwechslung durchaus groß schrieben. Vor allem der von Russell Mulcahy («Highlander») inszenierte dritte Teil konnte durch das beste Szenario der Reihe, einen coolen Look und einige originelle Einfälle (inklusive deutlicher Referenzen an Klassiker wie «Mad Max» und Hitchcocks «Die Vögel») als unterhaltsames Popcornkino punkten. In dieser Hinsicht ist Teil vier nun also ein recht deutlicher Rückschritt.
Wenigstens hatte es sich Paul W. S. Anderson als Zugeständnis an die Fans der Vorlage zur Aufgabe gemacht, weitere Figuren aus den Spielen auftreten zu lassen. Mag dies auf der Seite der Untotenschar noch gut funktionieren und einige Anhänger sicherlich erfreuen, fällt das Filmdebüt von Chris Redfield, immerhin Protagonist mehrerer Spiele der Reihe (unter anderem des allerersten), sehr enttäuschend aus. Natürlich ist bei einem Actionfilm der Marke «Resident Evil» keine tiefgründige Charakterzeichnung zu erwarten, doch hätte einer Figur, die für das Franchise unzweifelhaft von einiger Bedeutung ist, die eine oder andere Facette sicherlich gut getan. So bleibt der von Wentworth Miller («Prison Break», «Dinotopia») verkörperte Soldat genauso blass und austauschbar wie die meisten restlichen Gestalten des Films.
Als wäre dies alles noch nicht genug, hat «Resident Evil: Afterlife» mit einem altbekannten Problem der Filmreihe zu kämpfen, das sich mal mehr, mal weniger, nun aber so eklatant wie wohl seit dem ersten Teil nicht mehr bemerkbar macht. So lässt auch der neueste Ableger die meiste Zeit den nötigen Humor oder auch nur eine kleine Portion Selbstironie vermissen, welche das teils arg überzogene Geschehen auf der Leinwand deutlich erträglicher machen könnten. Doch abgesehen von ein paar nur bedingt zündenden Onelinern, wird das Dargebotene mit einem übermäßigen Ernst behandelt, der das Werk letztlich der Lächerlichkeit preisgibt. Da ist es noch der größte Gag des Films, dass ausgerechnet «Prison Break»-Star Wentworth Miller seinen ersten Auftritt als Insasse einer Gefängniszelle absolviert.
Insgesamt weiß «Resident Evil: Afterlife» in Sachen Action also durchaus zu überzeugen, was der Film nicht zuletzt den streckenweise sehr ansehnlichen 3D-Effekten zu verdanken hat, denen sich die Inszenierung die meiste Zeit völlig unterordnet. Ansonsten enttäuscht die Produktion aber gnadenlos die Erwartungen, die zumidest eingefleischte Fans der Filmreihe nach deren drittem Teil berechtigterweise hätten aufbauen können. So hat Regisseur und Drehbuchautor Paul W. S. Anderson bei all seiner Konzentration auf die gekonnte Nutzung der Dreidimensionalität die Entwicklung einer fesselnden Geschichte eindeutig hintangestellt und stattdessen auf altbackene Versatzstücke und überaus oberflächlich gezeichnete Figuren zurückgegriffen. Neue Fans wird er damit sicherlich nicht gewinnen. Wer die Vorgängerfilme jedoch gemocht hat, wird bei einer leicht heruntergeschraubten Erwartungshaltung sicherlich auch Teil vier etwas abgewinnen können. Ein Ende der Reihe ist derweil vorerst nicht in Sicht, wie das serientypisch offene Ende von «Afterlife» und die Aussagen der Macher nach dem äußerst guten Startwochenende in den USA bereits nahelegen. Um wieder frischen Wind in das Franchise zu bringen, sollte Serienmastermind Anderson für «Resident Evil 5» dann aber vielleicht ernsthaft in Erwägung ziehen, den Staffelstab als Hauptverantwortlicher abzugeben, wie er es zuvor bereits bei Teil zwei und drei (zumindest was den Regieposten anging) getan hat. Ob seine Ehefrau Milla Jovovich sich damit jedoch einverstanden erklären würde, darf sicher bezweifelt werden. Fest steht auf jeden Fall, dass Kinogänger weiterhin vergeblich auf die erste wirklich gute Videospielverfilmung warten müssen.
«Resident Evil: Afterlife» ist ab dem 16. September in vielen deutschen Kinos zu sehen.