Dick Wolfs «Law & Order», das ein ganzes Serienuniversum begründet hat, musste sich im Mai 2010 von seinen Zuschauern verabschieden. Nach 20 Jahren hätte man mit nur einer weiteren Staffel den Rekord von «Rauchende Colts» gebrochen. Wieso kam es zur Absetzung und ist das letzte Wort wirklich gesprochen?
Die Flaggschiff-Reihe liegt in einem künstlichen Koma – wartend auf lebensrettende Medizin.
- Dick Wolf
Dick Wolf vertraute stets in Recht und Ordnung. Als er sein Serienprojekt «Night & Day» gegen Ende der 80er verschiedenen Broadcastern anbot, zeigten sich zwar alle interessiert, hatten aber letztlich nicht genug Vertrauen in einen möglichen Erfolg und passten. Wolf gab nicht auf und brachte das Format 1989 unter dem Titel «Law & Order» bei NBC unter, wo es auch bleiben sollte – zwei Jahrzehnte, zwanzig Seasons, mehr als 400 Episoden hindurch. Das realistische Porträt von Polizeiarbeit und Staatsanwaltschaft machte buchstäblich Schlagzeilen: Aus Zeitungsmeldungen wurden Storys geformt, die das amerikanische Publikum begeisterten. Doch es sollte nicht bei einer Monarchie bleiben. Nach und nach wurde aus «Law & Order» ein Franchise, das sich auch international verdient machte. Nacheinander entstanden die «Special Victims Unit» (dt. «Law & Order: New York»), «Criminal Intent», «Trial by Jury» und «Crime & Punishment». Erstere halten sich noch heute im Geschäft, während für die letzten beiden nach jeweils nur einer Staffel Schluss war.
Inzwischen gibt es auch eine britische Adaption der Serie. Im kommenden Herbst geht zudem das neue Spin-Off «Law & Order: Los Angeles» on Air, das bislang sehr prominent besetzt wurde. Ohne einen Piloten produziert haben zu lassen, gab NBC im Rahmen der Upfronts 2010 bekannt, eine gesamte erste Staffel bestellt zu haben. Klar – schließlich vertraut man der geübten Hand Dick Wolfs. Oder nicht? Der Mai brachte für den 63-jährigen Filmschaffenden nicht nur Erfreuliches mit sich: «Law & Order», das Flaggschiff wurde abgesetzt. Fans und Fernsehbranche waren gleichermaßen entgeistert. Zwar konnte Staffel zwanzig im Schnitt nur 7,2 Millionen der Zuschauer von sich überzeugen, doch eine Verlängerung der Serie wurde eigentlich als reine Förmlichkeit angesehen - und das aus mehreren Gründen. Zum einen wäre da natürlich das entsprechende Prestige und die treue Fanbase, die das Original in zwei Dekaden gesammelt hat. Zum anderen hätte man mit nur einer weiteren Runde den Rekord der Serie «Rauchende Colts» gebrochen, die mit 635 Folgen die langlebigste Dramaserie der Primetime ist. Angela Bromstad, Programmchefin des Senders, hatte außerdem nur wenige Wochen vor der Absetzung erklärt, sie wolle nicht die Person sein, die «Law & Order» mit dieser verdienten Ehre vor Augen abdanken lässt.
Es ist aber auch falsch, zu behaupten, dass «Law & Order» von Seiten der Sendeanstalt die Luft kaltblütig abgeschnürt worden ist. Beide Parteien haben sich bemüht, die Zusammenarbeit gewinnbringend fortzusetzen. Und doch wurde am Freitag, den 14. Mai 2010, zehn Tage vor der Ausstrahlung des Staffelfinales offiziell das Ende der Serie verkündet. Die Berichte hatten sich bereits am Vortag gehäuft, da Wolfs Büro alle Mitarbeiter von der Absetzung informieren ließ. Ein cleverer Schachzug: NBC bemühte sich sofort, die Gerüchte zu dementieren, noch befände man sich ja in Gesprächen. Doch auch diese kamen zu keinem Kompromiss. Gescheitert ist es wie so oft am lieben Geld. Etwa drei Millionen Dollar soll NBC eine Episode gekostet haben. In Wolfs Tasche wanderten dabei 350.000 Dollar. Die Verantwortlichen versuchten, Wolf von einer niedrigeren Gebühr zu überzeugen, damit sich eine Fortsetzung des Formats bei den ernüchternden Einschaltquoten auch weiterhin lohnte. Doch der winkte ab und versicherte sogleich, sich nach einem geeigneten Kabelsender auf die Suche zu machen, auf dem die Reise weiter gehen sollte. “Niemals beschweren, niemals erklären” war alles was Wolf zu diesem Zeitpunkt zu sagen hatte.
Bis zuletzt hielten Anhänger an der Hoffnung fest, ihre Lieblingsserie künftig im Kabelfernsehen zu verfolgen. Undenkbar ist das längst nicht mehr, vor allem wenn schon von NBC-Serien die Rede ist. «Criminal Intent» selbst wanderte erfolgreich zu USA Network – auch wenn man aktuell wieder um die Serie bangen muss. «Medium» verschlug es in der vergangenen Season zu Broadcaster CBS und «Southland» zu TNT, das darüberhinaus die Syndycation-Rechte an «Law & Order» hält. Kein Wunder, dass Turner also Wolfs erste Anlaufstelle war. Letztlich ging es ihm wohl ums Prinzip, immerhin musste er bei einem der kleineren Sender definitiv mit Budgeteinschnitten rechnen. Doch TNT war weder vor den Upfronts an einer Kompetenzteilung mit NBC, noch anschließend an der alleinigen Übernahme interessiert. Nun war auch ein Fernsehfilm nicht mehr ausgeschlossen, der der Serie zumindest ein angemessenes Finale bescheren sollte. Schließlich kam es zu Wolfs Koma-Metapher. Produzent René Balcer stimmte ihm zu und versicherte: “Noch sind wir [die Serie] nicht tot.”
Es wurde wieder ruhiger um das Mutterschiff, während «Law & Order: Los Angeles» sich die Aufmerksamkeit der Branche sicherte. Zu überhören war der bittere Unterton in Wolfs Stimme aber nicht. Noch hatte er seine Schöpfung nicht aufgegeben. Geschürt wurde das Feuer erneut durch Gespräche zwischen der Produktionsfirma, Wolf und dem Kabelsender AMC, der die Zuschauer unter anderem mit «Mad Men» und «Breaking Bad» bedient. Serien also, die durchaus auf die Tasche drücken, durch Kritiker- und Publikumserfolg aber mehr als gerechtfertigt sind. «Law & Order» müsste bei AMC nicht wenige Einsparungen vornehmen. Es blieb bei den Verhandlungen, auch hier sollte die Serie nicht unterkommen.
Viel hat sich Wolf anschließend nicht mehr zur Lage geäußerst – er unterschrieb einen Vertrag über zwei Bücher und konzentriere sich sonst weitesgehend auf die Arbeit am neuesten Spin-Off. Die Möglichkeit eines Fernsehfilms stand allerdings noch immer im Raum, bis zur TCA Press Tour, die Wolf nutzte, den Gerüchten einen Riegel vorzuschieben. “Ich bin extrem enttäuscht, dass die Serie nicht zurückgekommen ist ... das ist das Geschäft, das ist das Leben. Es gibt inzwischen keine Gespräche mehr, die Serie zu einem anderen Sender zu bringen. Sie ist jetzt Teil der Geschichtsbücher.” Was Fans bislang hoffen ließ, war stets Wolf selbst, der sein Urstück nicht ohne zufriedenstellendes Ende ziehen lassen wollte. Mit seiner endgültigen Resignation kann das Kapitel «Law & Order» nun, nachdem auch die letzten Wochen nach dieser Äußerung nichts Neues brachten, endgültig geschlossen werden.