Ein Kommentar zum Ende der zweiten Staffel von «Californication» mit David Duchovny.
Ich denke mal, ich werde zuerst versuchen, mein Leben wieder auf die Reihe zu kriegen.
In der Serienwelt streiten sich zwei Männer um die besten und coolsten One-Liner: der chauvinistische Hollywood-Agent Ari Gold aus
«Entourage» und der Schriftsteller Hank Moody aus
«Californication». In der zweiten Staffel der letztgenannten Serie trumpft Moody aber nicht nur mit besagten Einzeilern auf: Die Charakterisierung seiner Figur wird tiefer und komplexer; in den letzten Folgen der zweiten Season wird in Flashbacks die Geschichte der ersten Begegnungen und Beziehungsmonate von Hank und Karen erzählt – Anfang der 90er Jahre, zur Zeit des Todes von Curt Kobain und in der Dämmerung einer neuen Weltordnung. Wie man sieht, spielt auch der Zeitgeist einmal mehr eine wichtige Rolle in der Serie, die in den USA beim Pay-TV-Sender Showtime läuft und in Deutschland im Free-TV jüngst bei RTL II in der zweiten Staffel ausgestrahlt wurde.
Die Drehbuchschreiber von «Californication» schaffen es in den letzten Episoden dieser Season, den Charakter Hank Moody zu „intensivieren“. Sie geben ihm einen glaubwürdigen Background, sie gestalten seine Wesensstruktur noch ambivalenter – deswegen ist er nicht mehr nur der Macho, wie vielleicht noch in der ersten Staffel gedacht, sondern der Softie-Macho, der den Kampf um seine Ex-Frau Karen über alles stellt und sie abgöttisch liebt, und der Zuschauer versteht nun endlich, warum Hank sie so verzweifelt liebt. Doch Treue, Verantwortungsbewusstsein und väterliche Fürsorge bleiben seine Schwäche. Das Problem ist, dass er genau weiß, dass er all seine Ziele nicht erreichen, seine Probleme nicht lösen können wird: Er ist „kein guter Vater, sondern nur ein Vater“, wie er selbst sagt und seine weiterhin ausschweifenden sexuellen Eskapaden lassen die Chancen für eine erneute Beziehung mit seiner Traumfrau Karen gegen null tendieren. Der Denker handelt falsch. Und der Zuschauer fiebert bei all dieser Ambivalenz dieses Charakters Hank Moody mit, er würde ihm am liebsten verzweifelt zurufen: „Ändere dein Leben, bevor es zu spät ist!“ Dies aber erledigt Hanks Tochter in der Serie schon für den Zuschauer; sie projiziert deren Gedanken auf den Bildschirm und kommt daher trotz ihres jugendlichen Alters am erwachsensten und normalsten von allen Protagonisten rüber. Vielleicht, weil sie erwachsen werden muss, wenn es ihre Eltern schon nicht sind. Auch ihre Charakterisierung erfährt eine deutliche Aufwertung; die Liebesgeschichte, die sich durch die zweite Staffel zieht und gegen Ende so emotional und doch völlig normal daherkommt, macht Becca Moody zur interessantesten und ausdrucksstärksten Hauptfigur hinter ihrem Vater.
«Californication» ist und bleibt damit in der zweiten Staffel hauptsächlich eine Charakter-Serie, in der es weniger um die suggerierten, oberflächlichen Sex-Geschichten geht, sondern vielmehr um die wahren Gefühle: Liebe, Treue, Verantwortungsbewusstsein und den eigenen Platz in der Welt. Die zweite Staffel profitiert besonders von der Figur Lew Ashby, die als Nebenrolle eingeführt wird: Der angesagte Rockmusik-Produzent wird Thema des neuen Buches von Autor Moody, der eine Biographie über Ashby schreibt. Die beiden lernten sich, wie sollte es anders sein, in der Haftanstalt kennen. Ashby ist noch mehr Macho als Moody: Während letzterer die kurze Affäre mit der minderjährigen Mia Cross bereut, schert sich der verantwortungslose Ashby kein bisschen um das Alter seiner jugendlichen Freundin. Gleichzeitig versucht er völlig schamlos, Hanks Ex-Frau Karen ins Bett zu bekommen, und arrangiert dafür standesgemäß ein Date in einem menschenleeren Amphiteater unter sternenklarem Himmel. Ahsby ist nicht der Softie-Macho Moody, sondern der Ober-Macho Ashby, ein skrupelloser, Koks schniefender und cooler Geschäftsmann ohne wahre Gefühle. Doch er kennt seinen „Platz im Leben“. Er hat sich, wie Karen sagt, „für die Kunst [also die Musik] entschieden“, während Hank immer noch nicht wisse, wer er eigentlich ist.
Genau dies aber ist das spannende an «Californication»: Die Ambivalenz des Charakters Moody, der seinen Platz noch zu finden sucht, während die Welt und die Menschen um ihn herum festgefahren und unveränderlich scheinen. Während Hank aber mit seiner Ambivalenz weiterlebt, stirbt der selbstzerstörerische Lew Ashby gegen Ende der Staffel an einer Überdosis und verabschiedet die Zuschauer mit einem storytechnischen Knall in die letzte Folge. Denn die Figur Ashbys ist wunderbar geschrieben und hätte das Potenzial zu einem Hauptcharakter gehabt – dessen Tod zeigt aber auch, dass in der Serie alles jederzeit passieren kann. Von welchem fiktionalen Format kann man dies heute schon noch behaupten?
Ideal ist allerdings auch die zweite Staffel nicht gewesen: Hanks Ex-Frau Karen kommt bei der Charakterisierung zu kurz und wirkt immer noch wie ein Fremdkörper in der Serie der ansonsten so ausdrucksstarken Typen. Sie stellt oft nur eine Projektionsfläche für Hanks Ziele dar und wird gegen Ende der Staffel teils sogar idealisiert. Auch einige zwecks künstlicher Spannung eingeschriebene Storybögen, wie jener von Hanks vermeintlicher Krebserkrankung, wirken deplatziert. Aber insgesamt ist und bleibt «Californication» ein Juwel der US-Serienunterhaltung, dessen Staffelfinale eines der besten der vergangenen Jahre darstellt. Nach zwei Seasons hat es dieses Format geschafft, uns den Charakter Hank Moody so nahe zu bringen wie kaum einen anderen in der Serienwelt. Wir fühlen uns verbunden mit diesem leidenden, triebgesteuerten Menschen, der weiß, dass er immer wieder das Falsche tut und es doch nicht verhindern kann. In uns allen steckt ein wenig von Moody – vielleicht ist es das, was an dieser Figur so fasziniert.
Das Buch über Ashby schreibt Hank in der letzten Folge fertig und feiert dies standesgemäß und ritualisiert mit einem Joint und doppeltem Whisky. Und so endet die zweite Staffel dieser preisgekrönten Serie zu den Zeilen von Warren Zevons Song „Keep Me in Your Heart For a While“ – nicht nur in Gedenken an den verstorbenen Lew Ashby, sondern sicherlich auch in Vorfreude auf die dritte Staffel. Diese ist ab dem 19. August beim deutschen Pay-TV-Sender AXN jeweils donnerstags um 20.15 Uhr in Doppelfolgen zu sehen. Vorgeschmack gefällig? Hank Moody wird College-Dozent. Wer jetzt nicht einschaltet, ist selber schuld.
There's no easy way to say this so I'll just say it, I met someone. It was an accident, I wasn't looking for it, it wasn't on the make, it was a perfect storm. She said one thing, I said another, next thing I knew, I wanted to spend the rest of my life in the middle of that conversation. Now there's this feeling in my gut she might be the one. She's completely nuts in a way that makes me smile, highly neurotic with a great deal of maintenance required, she is you, Karen.