Elke Heidenreich hat sich für ihre Kritik am ZDF in den damaligen Wogen des Fernsehpreises 2008 öffentlich entschuldigt.
Die Affäre Heidenreich ist im kollektiven Mediengedächtnis noch nahezu so präsent wie am ersten Tag. Nach der Verleihung des Fernsehpreises 2008, bei der Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki seine Trophäe ablehnte und sie am liebsten jemandem vor die Füße geworfen hätte, ging ein Raunen durch die deutsche TV-Landschaft. Eine von Reich-Ranickis stärksten Verfechterinnen war zu dieser Zeit Elke Heidenreich. Ihre Meinung war klar und daraus machte sie keinen Hehl. Von „hirnloser Scheiße“ sprach sie damals im Zusammenhang mit dem Programm ihres Haussenders ZDF. Die Reaktion aus Mainz ließ nicht lange auf sich warten: Ihre Sendung «Lesen!» wurde mit sofortiger Wirkung abgesetzt und in der Stellungnahme sprach man von nicht mehr hinzunehmender öffentlicher Herabsetzung.
Dabei hat Elke Heidenreich nur das angesprochen, was die meisten Brancheninsider, seien sie Kritiker oder nicht, schon seit langer Zeit denken. Das Programm verkommt und der Kretinismus siegt. Doch die Strukturen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens verlangen von seinen Mitarbeitern blinden Gehorsam und völlige Unterordnung und man offenbart dabei eine Fähigkeit zur Selbstkritik, die sogar noch die von Michael Moore unterschreitet. Wer nicht mehr passt und Kritik am Programm oder Geschäftsgebaren äußert, fliegt. Das erklärt dann auch, wie etwa Doris Heinze, ehemalige Fernsehspielchefin des NDR, in aller Seelenruhe ganze Filmproduktionsfirmen zu ihren privaten Geldwaschanlagen umfunktionieren konnte und sich lange Zeit niemand aus Angst vor Heinzes weit reichendem Arm traute, die Skandale öffentlich zu machen. Autoren, mit denen es Debatten gab, bekamen von ihr grundsätzlich nie wieder einen Auftrag und auf Anfragen zu Etats und Produktionsvolumina reagierte sie stets pampig und herablassend, während sie ihrem Ehegatten jahrelang einen Auftrag nach dem anderen zuschacherte.
Als Ultima Ratio greift dann die Politik ein, wenn sie mit der Besetzung einzelner Posten unzufrieden ist, wie etwa jüngst in der Causa Brender, als der damalige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender von Hessens Ministerpräsidenten Roland Koch abgesäbelt wurde. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen bietet kein Umfeld für kreativen Diskurs, geschweige denn Kritik an den hochrangigen handelnden Personen oder dem grundsätzlichen Aufbau von Programm und Entscheidungshierarchie. Die Gremien und Rundfunkräte sind nahezu allmächtig und wer ihnen nicht mehr ins Bild passt, muss gehen.
Vor wenigen Tagen bat Elke Heidenreich öffentlich für ihre harsche Kritik am ZDF vor zwei Jahren um Entschuldigung. Dabei bedauerte sie jedoch nicht ihre Kritik an sich, sondern vielmehr die Tatsache, dass ihre Wortwahl zum Ende ihrer Sendung geführt hatte. Doch angesichts der „Shock and Awe“-Taktik des öffentlich-rechtlichen Fernsehens muss man sagen, dass die Affäre eher die erschreckenden Hintergründe der dort praktizierten massiv hierarchischen Ausrichtung offenbarten und weniger Heidenreichs Unfähigkeit zur Diplomatie.
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