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«Der Kreuzfahrtkönig»: Fremdschämen & nackte Haut auf hoher See

Die neue „Dokutainmentshow“ mit Jochen Bendel unterhält nur durch den altbewährten Limbo-Dance.

Dem Programm von RTL II eilt ja der Ruf voraus, dass man in seinen Sendungen gerne mal unverhüllte Brüste zeigt oder das Sexualleben der Protagonisten oftmals in den Themenfokus gestellt wird. Diesem wird der Münchner Sender mit seiner neuen Spielshow «Der Kreuzfahrtkönig» gerecht. Doch nicht auf Anhieb. Denn bevor das Schiff ablegt, auf dem die Kandidaten an Bord als auch beim Landgang verschiedene Spiele zu absolvieren haben, möchte der ehemalige «Ruck Zuck»-Moderator Jochen Bendel die Kabinen vergeben. Es gibt dafür einen Wettbewerb, denn schließlich soll es Gewinner- und Verlierer-Kabinen geben. Anziehen statt Ausziehen ist angesagt, denn für die Kandidaten liegen Kleidungsstücke parat, von denen sie so viele wie möglich angezogen werden sollen. „Wie im Sommerschlussverkauf“, wird aus dem Off kommentiert. Wohl wahr. Doch: Hallo? Sachen anziehen bei RTL II? Hat man hier nicht was verwechselt? Die Auflösung folgt zwei Minuten später: Die Punkte bekommt man natürlich für jedes Kleidungsstück das man wieder ablegt, bis auf die Unterwäsche versteht sich. Und schon steht der erste Kandidat splitternackt an Deck. Es ist Peter aus Siegen, der die ersten Punkte einstreicht. Als Belohnung für das Blankziehen darf er und Paco die gesamte Woche im Luxus schlafen. Verlierer sind Jasmina und Leon, die unter Deck übernachten müssen.

Acht Minuten sind bereits um, als es zum ersten Mal Brüste zu sehen gibt. Und man dachte schon, man sei beim falschen Sender gelandet. Kandidatin Jasmina präsentiert beim Einziehen in die Verliererkabine namens „Dunkelkammer“ ihre Fotos, auf denen sie natürlich die Hüllen fallen ließ. Denn sie ist Foto-Model und zieht sich regelmäßig vor der Kamera aus. Ihr Partner Leon ist Go-Go-Tänzer. Das passt wunderbar zusammen, hat man sich wohl auch bei RTL II gedacht. Auch die anderen Teilnehmer sind ebensolche Lichtgestalten, die prädestiniert für einen Auftritt in einer solchen „Dokutainmentshow“ sind. Auch bei Peter und Paco ist beim Einziehen in die Luxus-Kabinen auf dem Kreuzfahrtschiff Anlass zum Fremdschämen. Hier hört man Kommentare wie „Schöne Aussicht“ oder ein einfaches „Geil“, nach einem Schnitt heißt es von Unterdeck „Viel zu klein die Kabine“. Auch ein passender Dialog: „Haben wir Licht? – Nein“, bis sie dann doch den Lichtschalter finden. Doch Licht allein reicht wohl nicht aus, um das neue RTL II-Format mit Glanz zu versehen. Denn auch bei der Kandidatenvorstellung stolpert der Sprecher aus dem Off über die Polemik in Bezug auf die eigene Sendung: „Während Kristin fleißig studiert, ist Pascal auch fleißig - auf der Suche nach einen neuen Job“, sagt er, was so viel bedeutet wie: Wir nehmen die Sendung selbst nicht ganz ernst. Trash-TV at it’s best. Oder in der RTL II-Sprache: It’s fun. Auf Spaß ist die Sendung auch ausgelegt. Peter und Paco haben in beider Heimatstadt Siegen (sie treffen sich dort in einer Bar) sogar einen eigenen Stunt für die Darstellung ihrer verrückten Natur vom RTL II-Team drehen lassen. Immerhin ist man kreativ.

Nach der Werbung kommt es zum zweiten Spiel, das von Jochen Bendel präsentiert wird. Der Limbo-Dance ist angesagt und auch an dieser Stelle kommt man im Off-Text nicht um einen süffisanten Ton umher, weil auch die Kandidaten genügend Anlass dafür geben. So hat es auch etwas Gutes, dass die Sendung nicht allzu ernst genommen wird und Spaß und Unterhaltung in den Vordergrund gestellt werden. Jochen Bendel als Moderator ist kein Vorwurf zu machen, er versucht die Kandidaten anzuspornen, was sicherlich auch zu seinen Aufgaben zählt, wahrt aber nichtsdestotrotz einen gewissen Abstand zum Geschehen, um im richtigen Moment auch mal einen Spruch drücken zu können. Der Spielshow-Charakter von «Der Kreuzfahrtkönig» ist noch das erfrischende an diesem Format, das aber mit nicht allzu auffallenden, sondern natürlich wirkenden Kandidaten mehr zu bieten hätte. Auf dem majestätisch wirkenden Kreuzfahrtschiff, übrigens auch im Namen so beschriebenen MS Louis Majesty, treten fünf verschiedenen Paare gegeneinander an und reisen eine Woche lang durch das Mittelmeer. Man ist also immer zu Zweit und wer am Ende als Paar die meisten Punkte gesammelt hat, wird zum Kreuzfahrtkönig und Kreuzfahrtkönigin gekürt. Doch ein Scheitern der Aufgaben bedeutet ein Aussteigen beim nächsten Hafen. Jeden Tag gibt es zwei Aufgaben, die Jochen Bendel den Kandidaten stellt. Anja und Nicole, Jasmina und Leon, Stephanie und Tanja, Pascal und Kristin sowie Paco und Peter heißen die Kandidatenpaare. Jede Menge Abwechslung wird versprochen, doch nur die Spiele bringen Action in die Sendung, die ansonsten an ihrem Doku-Charakter scheitert.

Das Konzept heißt Konzeptlosigkeit, denn außer dem den vorbestimmen Spielregeln wirkt alles in seiner Gesamtheit sehr spontan und ausgefallen. Peinliche Momente nicht ausgeschlossen. Doch auf diese setzt man mit dem „Dokutainment“ schließlich, wenn man fünf Paare eine Woche lang auf ein Kreuzfahrtschiff quer durch das Mittelmeer setzt. 2009 lief «Der Kreuzfahrtkönig» noch bei RTL und wurde ebenfalls von Uli Potofskis und Alexander von der Groebens Produktionsfirma napasai media in Kooperation mit der Düsseldorfer Firma Lynx and Friends hergestellt. Damals hatten die Kandidaten noch mehr natürlichen Charakter als die von RTL II normierten Paare, so dass auch die Einschaltquoten von bis zu 20,6 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe sich sehen lassen konnten. Bei der Entscheidungsverkündung wird schließlich noch einmal versucht künstlich Spannung aufzubauen. Das schlägt fehl, ein Marco Schreyl hätte das vielleicht eher geschafft, doch dann hätte man auch mehr Sendezeit einräumen müssen.

Am Ende musste in der ersten Sendung dann doch keiner gehen: Peter und Paco sowie Nicole und Anja und waren gleich schlecht beim Limbo-Wettbewerb und belegen damit einfach beide den vorletzten Platz. Nun, dann hätte man vielleicht noch einen Entscheidungswettbewerb zwischen beiden einbauen müssen. Der letzte Platz wurde lieber nicht vergeben, also nehmen alle fünf Paare jetzt Kurs auf Marseille. Gewonnen haben den Limbo-Wettbewerb – falls es interessiert - Leon und Jasmina. Der Go-Go-Tänzer und das Foto-Model also. Na, wer hätte das gedacht. „Ich entlasse euch jetzt in die Freizeit. Bis morgen“, sagt Jochen Bendel am Ende der Sendung. Einem spaßigen Jugendfreizeit-Trip auf See kam die Sendung auch gleich. Mit dem Unterschied, dass Erwachsene auf dem Luxus-Dampfer sich zum Affen machen und zum Fremdschämen animieren. Immerhin ist dies ein wenig unterhaltend wie auch die Spiele, die aber ausbaufähig sind.

«Der Kreuzfahrtkönig» läuft werktags jeweils um 18.00 Uhr auf RTL II.
10.08.2010 08:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/43779
Jürgen Kirsch

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