Mit rockigen Rentnern möchte Sat.1 in den nächsten Wochen punkten. Gelang dies inhaltlich zum Auftakt? Quotenmeter.de sah die erste Ausgabe und schildert erste Eindrücke zur Doku.
Sat.1 setzt am Mittwochabend wieder auf Doku-Soaps. Nach langer Durststrecke wagt es Andreas Bartl die Programmfarbe gegen die RTL-Konkurrenz zu programmieren. Während man um 21.15 Uhr eine «Anwältin für alle Fälle» in petto hat, setzt der Bällchensender zuvor auf Rentner. In der Doku-Soap «Rock statt Rente! Das Beste kommt zum Schluss» hat es sich Chorleiter Carsten Gerlitz zum Ziel gesetzt, Rentner zu Rockern auszubilden. Es soll das außergewöhnlichste Projekt des Jahres und das letzte, große Abenteuer ihres Lebens werden. Am Ende springt dann für die frisch geborenen Alt-Rocker ein großes Konzert mit der Band PUR heraus. Mit diesem Konzept kündigte Sat.1 das neue Format im Juni an. Die große Frage, die damals aufkam, war jene, wie man die werberelevante Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen mit der gänzlich anderen Altersgruppe der Protagonisten ansprechen könne. Schließlich treffen hier unterschiedliche Generationen aufeinander.
Sat.1 startet mit diesem Format also in gewisser Weise auch ein außergewöhnliches Fernseh-Projekt in der Primetime – und das in jeder Hinsicht. Den Senioren bleiben nur drei Monate, um sich auf das PUR-Konzert zusammen mit Carsten Gerlitz vorzubereiten. Einziges Problem: Die Rentner selbst wissen davon noch nichts, so wird es dem Zuschauer zumindest in der ersten Ausgabe der Doku suggeriert.
Die Rentner sind durch ausgehängte Flyer auf die Aktion aufmerksam geworden. Die Gründe, die die Rentner dazu bewegt haben, am Projekt teilzunehmen, liegen meist im selben Bereich. Oftmals überwiegt die Langeweile und die Einsamkeit bei den Senioren. Mit «Rock statt Rente» wollen sie es nocheinmal krachen lassen und Abwechslung sowie Schwung in ihr Leben bringen. Der älteste Kandidat ist übrigens 95 Jahre alt. Bevor Aufnahmen der ersten Probe gezeigt wurden, stellte Sat.1 ausgesuchte Teilnehmer vor. Diese Vorstellungen verliefen allerdings immer nach dem gleichen Schema und man hatte das Gefühl, das absichtlich auf die Tränendrüse gedrückt wurde. So wurde mehrmals in den Beiträgen betont, dass Verwandte, Freunde oder Bekannte selten gesehen werden oder bereits verstorben sind.
Damit zeigte sich auch schon früh die Ernsthaftigkeit, die im Format steckt. Man zieht nicht über die Teilnehmer her, wie es man es zum Beispiel von mehreren anderen Castingshows gewohnt ist. Die Senioren werden nicht ins Lächerliche gezogen und ernst genommen. Sat.1 hat mit der Aufmachung sogar die perfekte Mischung getroffen. Dank den überaus symphatischen Rentnern, die sich durchaus mit einer Prise Humor präsentiert haben, wirkte das Format erfrischend aufgelockert und weder zu trocken, noch zu albern. Ergänzt wird das Format vom deutschen Musiker Carsten Gerlitz, der durch seine Erfahrung im Geschäft die nötige Professionalität in die Sendung mit einbrachte.
In Berlin trafen die Teilnehmer erstmals aufeinander. Nach ersten Gesangseinlagen als Probe folgte dann die erste harte Bewährung, die die Rentner bestehen mussten: Einen englischen Song vortragen. Schon bei dem aus einem Satz bestehenden Songtext von „Highway to Hell“ stoßen manche Teilnehmer an ihre Grenzen. Nach mehreren Ansätzen wurde der Refrain hintereinander weg geträllert. In diesen Momenten stellte das Format seinen ersten leichten, selbstironischen Hauch unter Beweis. Ein kleines Schmunzeln lief dem Zuschauer dann doch übers Gesicht, als einer älteren Dame erklärt wurde, wie das englische Wort für Hölle, also „Hell“, ausgesprochen wird. Apropos Hölle. Den Versuch, die beiden Generationen miteinander zu verbinden, konnte sich Sat.1 doch nicht verkneifen: Zwei der insgesamt 25 Rentner haben sich auf Anhieb gut miteinander verstanden und wurden von den Kameras auf dem Weg zum „Trinkteufel“, einer Rocker-Kneipe, begleitet. Hierbei wurde gezielt versucht, die Rentner als jung und „hipp“ für die junge Zuschauerschaft darzustellen. Dieser Versuch muss nicht unbedingt negativ gewertet werden. Es war eher leicht amüsant dabei zuzusehen, wie Sat.1 versucht hat, das Format an junge Leute zu verkaufen. Der authentische Eindruck der Senioren, der den ganzen Abend über herausstach, stand dabei offenbar gezielt im Mittelpunkt. Ein ähnliches Szenario ließ sich dann wenige Minuten später beobachten, als sich zwei ältere Damen zum örtlichen Elektronik-Markt aufmachten, um einen CD-Player zu kaufen. Das es solche Geräte gibt, war der 89-jährigen Magda nicht einmal bekannt. Keine unbedingt gute Voraussetzung zu Beginn des Projekts.
Wenig später kam es dann auch schon zur zweiten Probe, die nicht ganz den Vorstellungen von Chorleiter Gerlitz entsprach. Das Alter der Teilnehmer machte sich spätestens zu diesem Zeitpunkt bemerkbar: Die ersten kamen zu spät, während manche schon wieder vergessen haben, was sie in der letzten Probe getan haben. Eine Kandidatin verließ das Projekt dann auch schon – ihr gesundheitlicher Zustand machte ihr zu schaffen. Kein Wunder, von den Rentnern wird noch viel abverlangt. Ein deutschsprachiges Lied der Ärzte brachte dann schon einige Personen ins Schwitzen anstatt zum „Hurra“ schreien. Es wurde also schnell deutlich: Einiges muss noch verbessert werden, auf die Rentner wartet noch viel Arbeit.
Großen Wert hat Sat.1 auch im Vorfeld darauf gelegt, dass die von Ufa Entertainment produzierte Doku-Soap nicht gescripted ist. Ein bemerkenswerter Aspekt, der hier beachtet wurde. Belohnt wurde man hierfür jedoch nicht. Wie vorher befürchtet, lag der Zielgruppen-Marktanteil unter dem Senderschnitt, nämlich bei miserablen 6,6 Prozent. Sat.1 hat ein besonderes TV-Experiment im Bereich des Doku-Genres begonnen, die Frage ist nur: Wie lange hält man noch durch? Selbst beim Gesamtpublikum versagten die Rentner auf ganzer Linie. 5,4 Prozent Marktanteil waren ein bitteres Resultat. Daher ist es nur eine Frage der Zeit, wann Sat.1 den Stecker ziehen wird. Das „volle Programm“, wie Chorleiter Gerlitz es am Anfang angekündigt hat, werden die Fernsehzuschauer mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht miterleben dürfen. Der Versuch von Sat.1, sich an das ältere Publikum ranzuhängen, kann als gescheitert bezeichnet werden. Schade eigentlich, genügend Potenzial für solide Sommerunterhaltung hat die Doku-Soap allemal.