Tom Cruise schleppt als überdrehter Geheimagent eine übermüdete Cameron Diaz durch die halbe Welt. Weshalb «Knight and Day» ein schreckliches Debakel ist, und wieso man sich den Fim dennoch ansehen sollte, erfahren Sie in der Quotenmeter-Filmkritik.
Frage: Was geschieht, wenn man Action-Scripts unterschiedlichster Natur in einen Mixer steckt und auf pürieren drückt?
Antwort: Wenn das Püree von einem sonst durchaus begabten Regisseur verfilmt wird, der gerade eine unkonzentrierte Phase durchmacht, und ein ununterbrochen grinsender Tom Cruise vor der Kamera herumhampelt, dann hört das Versuchsobjekt auf den Namen «Knight and Day».
Auf dem Flughafen von Wichita begegnet June Havens (Cameron Diaz), vermeintlich aus Zufall, gleich zweimal kurz hintereinander einem mysteriösen, charismatischen Mann namens Roy Miller (Tom Cruise). Schnell werden sie sich sympathisch und während des gemeinsamen Flugs wird ohne Unterlass gescherzt und geflirtet. Während sich June auf der Flugzeugtoilette selbst Mut zu- und Erfolg verspricht, tötet Roy mal eben die gesamte Flugzeugbesatzung und alle Passagiere. Denn Roy ist Geheimagent und er verspricht June in beruhigendem Tonfall, dass alles gut ausgehen wird. Jedenfalls so lange sie seinen Ratschlägen folgt: Bloß nicht in irgendwelche Fahrzeuge einsteigen und auf gar keinen Fall irgendwelchen Regierungsbeamten vertrauen. Am nächsten Tag scheitert eine verwirrte June beim Versuch, diese wertvollen Lebenstipps zu befolgen. Schon ist der aus dem Nirgendwo auftauchende Roy zur Stelle, um seine neue Bekanntschaft aus der Misere zu retten. So startet eine doppelbödige Hatz um die halbe Welt, während der Roy immer wieder Junes Vertrauen verspielt und zurückgewinnt.
Die Probleme von «Knight and Day» sind mannigfaltig. Die Filmmusik ist unaufregend und die Kameraführung während der Actionsequenzen genauso steif wie Tom Cruise. Die eingestreuten Thrillermomente sind ebenso zäh wie der romantische Subplot und jegliche Spannung wird im Keim erstickt, da Tom Cruises Figur ein wandelnder Agentengott ist. Mit strahlend weißen Zähnen. Es ist schwer eine Einstellung mit Cruise zu finden, in der einem seine Beißerchen nicht entgegenblitzen. Die Darbietung von Strahlemann Cruise könnte in zukünftigen Filmlexika als Beispiel für eine süffisante Selbstparodie aufgeführt werden, bestünde da nicht der unentwegte Zweifel, ob sich Cruise dessen überhaupt bewusst ist. Ihm gegenüber steht Cameron Diaz, die eine Hälfte des Drehs wohl unter Schlafmangel litt und in den restlichen Szenen wie ein aufgescheuchtes oder berauschtes Fangirl agiert, wobei man Diaz in diesen gelungenen Sequenzen wenigstens Absicht attestieren kann. Daraus resultiert, dass in den romantisch oder spannend sowie dramatisch gedachten Momenten von «Knight and Day» überhaupt keine Chemie zwischen den Hauptdarstellern besteht, während die Stimmung Cruises und Diaz’ in den komödiantischen Szenen den Charme chaotischer Amateuerfilme hat. Das ist wiederum äußerst unterhaltsam.
Generell ist «Knight and Day» ein unheimlich zerfahrener, uneinheitlicher Film. Am immer wieder umgeschriebenen Drehbuch waren derart viele Autoren beteiligt, dass die Drehbuchautoren-Gewerkschaft beschloss bloß einem eine Erwähnung im Abspann zu gewähren: Patrick O'Neill, dem Schöpfer der ursprünglichen Grundstruktur der Handlung und somit der einzige, der in den Augen der Gewerkschaft genug relevanten Einfluss auf den Schreibprozess hatte. Und das ist erst der Anfang. Viele Autoren sind eine Sache, ununterbrochene Richtungswechsel eine andere: «Knight and Day» sollte Mal eine Action-Romanze werden, dann eine Action-Komödie, ein Action-Thriller, ein Action-Film, der mit Adam Sandler als Hauptdarsteller funktionieren könnte… Das Projekt war der reinste Spielball der Produzenten.
Die zahllosen angedachten Ideen sind in Versatzstücken noch immer in «Knight and Day» zu vernehmen. Und um die als Wundertüte verkaufte Resterampe vollständig zu machen, beschloss Regisseur James Mangold («Kate & Leopold», «Walk the Line», «Todeszug nach Yuma») eine experimentelle Herangehensweise an den Dreh eines 100-Millionen-Dollar-Actioners auszuprobieren. Am Set schrieben er, seine Ehefrau und Cruise spontan das Skript um und die Stimmung des Films sollte sich Mangolds Ansicht nach ununterbrochen ändern. So erklärte der Regisseur seine Idee der LA Times. Der Störfaktor daran: Experimente sind im Kino erst dann willkommen, wenn sie wenigstens teilweise aufgehen. Ebenso sind kunterbunte Genre-Mischungen gerne gesehen, so lange deren Einzelelemente gleichermaßen gut munden wie ihr Zusammenspiel. Wie so etwas funktioniert, beweisen regelmäßig die Pixar Animation Studios, indem sie unter anderem Filme wie «WALL•E» produzieren, eine Sci-Fi-Abenteuer-Action-Romantik-Tragikomödie. Und erst kürzlich lief mit «Kick-Ass» eine intelligente, tiefschwarze und sozialkritische, actionreiche Superhelden-Vulgärkomödie im Kino an, die Superheldenstoffe parodierte, dekonstruierte sowie glorifizierte. Diese Filme erzählten eine zusammenhängende, clevere Geschichte, nicht die Kohärenz einer Clipshow. «Knight and Day» hingegen ist ein kopf- und haltloses Durcheinander katastrophalen Ausmaßes. Auf parodistische Actionszenen im Stil einer Komödie des Zucker-Abrahams-Zucker-Teams («Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug»), bei denen ein Hauch der Unsicherheit bleibt, ob sie eigentlich so gedacht waren, folgen bemüht-bombastische und ernst gemeinte Mammutszenen im Stil einer Bruckheimer-Produktion (nur ohne deren „Wumms”-Effekt). Plötzlich fühlt man sich in einen Bugs-Bunny- oder Roadrunner-Cartoon versetzt und dann möchte «Knight and Day» gerne den Anschein eines Hitchock-Thrillers oder einer leicht verschrobenen Actionromanze erwecken. All diese Versuche scheitern kläglich. Abgesehen von den cartoonigen Momenten und den Szenen im Stil der Zucker-Abrahams-Zucker-Truppe. Dort passt der zum Comic-Abziehbild verkommene Cruise nämlich wundervoll herein, weshalb das «Tropic Thunder»-Spin-Off um seine widerliche Produzenten-Karikatur das einzig verbliebene, hoffnungsvolle Cruise-Projekt darstellt.
Der große Schocker (der trotz Werbeversprechen im eigentlichen Film ausbleibt) kommt allerdings jetzt: Allen Makeln zum Trotz ist «Knight and Day» auf eine erschreckende Weise sehenswert. Dieses außer Kontrolle geratene Action-Debakel erfüllt über weite Teile sämtliche Anforderungen an einen Film der Kategorie „So misslungen, dass es wieder Spaß macht” erfüllt. Abhängig davon, wo sich die eigene Fremdscham-Grenze befindet und wie viel Spaß man daran haben kann, wie sich ein ungehemmt übertreibender Cruise zum Affen macht, kann man an «Knight and Day» jede Menge Freude haben. Es ist äußerst amüsant mit anzusehen, wie Mangold alle paar Minuten gewaltsam ein neues Action-Subgenre in die Handlung reinquetscht, bloß um nach fünf Minuten wieder aufzugeben. Und es hat seinen Reiz nie zu wissen, wo Selbstironie sowie absichtliche Albernheiten anfangen und wo schief gelaufener, klassischer Actionkomödien-Humor aufhört.
Fazit: «Knight and Day» leistet etwas, das man hauptsächlich von B-Movies kennt: Dieses Tom-Cruise-Vehikel ist ein unbeabsichtigt gelungener Film. Das Blockbuster-Desaster wartet mit einem hoffnungslos überdrehten Hauptdarsteller, einem zusammengeflickten Drehbuch und einer wankelmütigen Inszenierung auf. Trocken betrachtet ein schwacher Film. Und trotzdem bietet er geballte Unterhaltung. Wer sich «Knight and Day» schon nicht bei ein paar Bierchen oder im Anschluss an eine Cocktailrunde am Kinotag auf der großen Leinwand anschauen mag, sollte bereits für die DVD sparen. In heiterer Runde ist «Knight and Day» ein garantierter Renner während eines gemeinsamen Filmeabends auf dem Sofa. Da kann man auch problemlos die zähen Stellen überspringen, die nicht einmal unfreiwillig unterhaltsam sind.
«Knight and Day» ist seit dem 22. Juli in vielen deutschen Kinos zu sehen.