Stimmungskiller «Tagesthemen»? ARD und ZDF nutzen die Spielunterbrechung regelmäßig für Nachrichtensendungen. Analysen fallen nur kurz aus. Eine gute Lösung?Pro von Timo Niemeier:
Die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika ist in vollem Gange und die Fans in ganz Deutschland feiern das Spektakel. Doch es gibt auch Unmut – und dabei geht es ausnahmsweise nicht um die Vuvuzelas, über die sich so mancher Fan in den letzten Tagen aufgeregt hat. Vielmehr geht es um die Zeit zwischen den beiden 45 Minuten eines Spiels – sollen ARD und ZDF in dieser Zeit die «Tagesthemen» bzw. das «heute-journal» zeigen? Ich sage: Ja!
Ich bin stets gerne über alle Dinge informiert, die so rund um die Uhr in der Welt geschehen. Auch beim Fußball. Kritiker mögen behaupten, dass in den 45 Minuten schon nichts Weltbewegendes passieren wird, aber ich bin anderer Meinung. Gerade in diesen schwierigen Zeiten, national wie international, gibt es immer wieder Neuigkeiten. Und ich bin froh, wenn ARD und ZDF mich auch in der Halbzeitpause über diese Dinge informieren. Eine kurze Erwähnung und ein kleiner Überblick kann da schon reichen, jeder Fernsehzuschauer kann dann selbst entscheiden, ob er sich über das Internet weitere Informationen beschaffen will.
Und seien wir doch mal ehrlich, was sollen die beiden öffentlich-rechtlichen Sender sonst zeigen? Etwa eine 15-minütige Halbzeitanalyse? Ich finde es perfekt so wie es jetzt ist, nach dem Nachrichtenüberblick wird wieder zu den Sport-Moderatoren geschaltet, die mit ihren Experten noch einmal einen kleinen Überblick über die zurückliegenden 45 Minuten geben. Auch alle wichtigen Szenen werden noch einmal gezeigt und kommentiert, eine unnötig langgezogene Analyse braucht man nicht. Und ohnehin bleibt nach dem Spiel noch genügend Zeit, kritische Spielsituationen zu beleuchten.
Natürlich verfolgen die Sender mit der Strategie auch ein anderes Ziel, auch wenn dies ziemlich eigennützig erscheint. Durch die extrem hohen Zuschauerzahlen bei den Fußballspielen, sind die Reichweiten auch in den Pausen sehr hoch. Die meisten Zuschauer denken nicht einmal daran, das Programm zu verändern. Das hat Vorteile für die Nachrichtenmagazine. Insbesondere für deren Quote. Diese liegt plötzlich nicht mehr bei fünf oder acht Prozent, sondern bei gut und gerne knapp 50 oder mehr. Damit lässt sich auch der Jahreswert der jeweiligen Sendung noch ein wenig nach oben schrauben. Die Fußball-Reichweiten sind für die Sender selbst also auch wichtig, um am Ende des Jahres die Erfolge der Nachrichtenmagazine nochmals aufzupolieren und besonders unterstreichen zu können.
Aber es gibt auch andere, nicht derart eigennützige, Ziele, die die Sender verfolgen. So werden in besonderem Maße junge Zuschauer angesprochen. Zwischen den beiden Hälften beim ersten Deutschland-Spiel gegen Australien verfolgten unglaubliche 11,45 Millionen 14- bis 49-Jährige das «heute-journal». Für einige war es sicherlich das erste Mal, mit Nachrichten dieser Art konfrontiert zu werden. Besonders bei den ganz jungen Zuschauern unter 20 Jahren könnte dies für die Erkenntnis sorgen, dass es auch noch Nachrichten fernab von ProSieben’s «Newstime» oder den «RTL II-News» gibt. Es ist also auch eine Chance, seriöse Nachrichten in den Köpfen von jungen Menschen zu festigen.
Contra von Manuel Weis:
Zugegeben: Ich bin richtiger Fußballfan. Also jemand, der sich nicht nur für das Endergebnis interessiert und in der «Sportschau» über Tore freut, die direkt ins Kreuzeck gehen. Spielweise, Taktik, Spielverlauf – das alles gehört zu einem Fußballspiel dazu. Es geht zu einer Fernsehübertragung aber auch, dass man über genau dieses spricht – gerne auch etwas ausführlicher. Und da sollte es genauso selbstverständlich sein, dass es nicht nur nach Spielende geschieht, sondern eben auch in der Pause. Bei ARD und ZDF ist dafür meistens keine Zeit – denn zehn Minuten gehen in der Regel für Nachrichtensendungen drauf.
Nachrichten haben aber – und da muss niemand etwas anderes sagen – in einer Fußball-Übertragung nichts zu suchen. Vor allem dann nicht, wenn man im «heute-journal» nichts besseres vor hat, als zu Fanfesten in Deutschland zu schalten. Vor einigen Jahren ging es auch: Da liefen die Nachrichten im Anschluss an die Fußball-Übertragungen, doch irgendwann kam ein schlauer Kopf auf die Idee sie als Stimmungskiller in die Halbzeit zu pflanzen.
Ich behaupte, dass es damals weniger um die Informationsvermittlung ging, die nach dem Spiel viel ausführlicher wäre, weil mehr Zeit zur Verfügung steht. Die Rechnung dürfte einfach gewesen sein: Während guten Länderspielen holen «Tagesthemen» und «heute-journal» gut und gerne das fünffache ihrer normalen Quote beim jungen Publikum. In der Jahresendabrechnung hebt diese Programmplanung den Schnitt dann um 0,1 oder 0,2 Prozentpunkte und schon so manche Delle bei den Jungen zumindest ein bisschen ausgebügelt.
Wie man es dreht und wendet: Von Nachrichten in der Halbzeitpause hat schlicht niemand Vorteile. Zu wenig Zeit für wirkliche Informationsvermittlung, zu wenig Zeit für Fußball-Analysen. Schade, dass diese Lose-Lose-Situation seit Jahren nicht bereinigt wird.