Von Twitter und Budgetkürzungen bei Captain Jack Sparrow: Wie das Internet die Informationssuche der Filmfans verändert.
Vor zehn Jahren hatte ich es als Filmfan noch richtig schwer, wenn ich an Informationen über kommende Projekte kommen wollte. Damals hatte ich noch kein Internet und musste mich ganz auf Kinosendungen im Fernsehen und Zeitschriften verlassen. Aus Zeit- beziehungsweise Platzmangel wurden in diesen Informationsquellen natürlich die zahlreichen Neuigkeiten kräftig ausgesiebt. Meistens als Service für den Zuschauer, damit er sich nicht durch zahllose Nichtigkeiten wühlen muss, wie es heute im Internet der Fall ist. Aber manchmal gingen so Informationen an mir vorüber, die mich brennend interessiert hätten. So erfuhr ich von den Dreharbeiten zu «Fluch der Karibik» erstmals in einem Videospielmagazin. Jedes Medium hat nun mal seine Vor- und Nachteile und deswegen möchte ich keines davon als Informationsquelle missen. Den größten Vorteil an meiner internetlosen Zeit bekäme ich allerdings nur noch im Austausch für meinen Internetzugang zurück: Damals waren Trailer für mich noch große Überraschungen während meiner Kinobesuche. Einen neuen Trailer erstmals auf der großen Leinwand zu sehen ist einfach viel besser, als ihn erstmals im Internet zu sehen. Erst Recht, wenn es sich um einen Trailer handelt, von dem man noch nie zuvor gehört hat. Das kommt auch heutzutage ab und zu vor, aber dann handelt es sich um Filme, die bestenfalls nette Überraschungen für zwischendurch sind. Das überwältigende Gefühl, den atemberaubenden Trailer für einen gewaltigen Pflichtfilm zu sehen, werde ich nie vergessen.
Mit Internetanschluss ist diese Zeit zur Vergangenheit geworden. Dafür geht alles viel schneller. Mit offenen Augen lässt sich alles entdecken, was das Herz eines wissbegierigen Filmfans begehrt. Welchen Film hecken meine Lieblingsschauspieler, -regisseure und -autoren als nächstes aus? Wer wurde als Komponist für ein von mir heiß ersehntes Projekt engagiert? Wer spielt die Hauptrolle in der neusten Comicverfilmung? Mit wenigen Klicks lässt sich all das herausfinden. Und mit dem Aufkommen von Twitter rückte man noch näher an den Puls von Hollywood. Dank der Twitter-Accounts von zahlreichen Schauspielern, Autoren und Regisseuren bekommt man in Windeseile Dinge mit, die normalerweise erst stunden- oder tagelang durch den Studioapperat gedreht worden wären, bevor die Öffentlichkeit von ihnen Wind bekommen hätte. Sofern das Studio überhaupt eine Bekanntmachung gemacht hätte.
Wie sehr Twitter die Informationssuche und -bekanntmachung veränderte war in den vergangenen zwei Wochen besonders gut zu beobachten. «Toy Story 3»-Regisseur Lee Unkrich ließ die Pixar-Fans über Twitter nahezu live an der Entstehung der heiß ersehnten Fortsetzung teilhaben und veröffentlichte über Twitter die frohe Botschaft, dass der Film nun endlich fertig produziert sei.
Manchmal kommen die Nachrichten über Twitter allerdings etwas vorschnell, womit wir wieder bei den Schattenseiten wären. Vergangene Woche berichteten die Autoren der Kultkomödien «Anchorman» und «Zoolander» über Twitter jeweils, dass das produzierende Studio kein Interesse mehr an einer Fortsetzung hätte. Schon bald darauf wurde aber ein Dementi veröffentlicht, dass diese Projekte doch nicht ganz so tot wären, wie die Autoren es kund taten.
Von der verführerischen Wirkung Twitters, voreilig Nachrichten in die Welt hinauszuposaunen abgesehen, gibt es noch einen Störfaktor am Micro-Nachrichtendienst: Die Zeichenbegrenzung. Diese mag für viele der eigentliche Reiz an der Sache sein, doch ich bin vornehmlich ein Fan von Filmemachern, die faszinierende und schier endlose Vorträge halten können. Da verhindert die arg eingegrenzte Länge der Twitter-Nachrichten größeres Vergnügen. Deshalb bevorzuge ich selbst gestaltete Blogs und Podcasts von Filmschaffenden, wie etwa Kevin Smiths SModcast. Am meisten favorisiere ich jedoch einen anderen interaktiven Zugang zu Filmemachern: Das Wordplayer-Forum der erfolgreichen Drehbuchautoren Ted Elliott und Terry Rossio.
Die Autoren der «Fluch der Karibik»-Trilogie, Disneys «Aladdin» und «Shrek» geben in diesem Forum aufstrebenden Drehbuchschreibern eine Plattform, auf der sie sich austauschen können und hilfreiche Tipps erhalten. Zugleich dient es den Fans von Elliotts und Rossios Schaffen als direkter Zugang zu den recht redseligen Schöpfern des «Fluch der Karibik»-Kosmos. Von Problemen während der Dreharbeiten über die Herausforderung jemanden wie Keith Richards in einen Film reinzuschreiben bis hin zu ihren eigenen Lieblingsszenen ihrer Filme, alles mögliche wird dort diskutiert. Und insbesondere Terry Rossio nimmt gerne Stellung zu aktuellen Fehlmeldungen über die nächste Fortsetzung von «Fluch der Karibik», «Pirates of the Caribbean - On Stranger Tides». Rossio dementierte seinerzeit lautstark die Gerüchte, das nächste Abenetuer von Jack Sparrow enthielte Steampunk-Elemente, Sacha Baron Cohen wäre als Jack Sparrows Bruder gecastet und Tim Burton übernähme den Regieposten.
Vergangene Woche meldete die LA Times, dass das Budget von «Pirates of the Caribbean - On Stranger Tides» aufgrund der unter den Erwartungen liegenden Einspielergebnisse der letzten beiden Produktionen von Jerry Bruckheimer (namentlich «G-Force» und «Shopaholic») gekürzt wurde und man nun energisch nach Szenen suche, die man aus dem Film werfen könne. Deswegen sei bereits eine actionreiche Verfolgungsjagd, die auf zwölf Drehtage angesetzt wurde, stark runtergekürzt worden, so dass man sie in sechs Tagen drehen kann. Rossio schrieb daraufhin in seinem Forum, dass der Reporter der LA Times bereits mit einem fertigen Thema ins Produktionsbüro kam: Er wollte unbedingt über Budgetkürzungen von Sommerblockbustern schreiben. Also nahm er die Fakten und drehte sie sich zurecht. Laut Rossio gab es keine Auflagen des Studios, das Budget des Films klein zu halten. Besagte Verfolgungssequenz etwa habe im Drehbuch einen Rahmen eingenommen, der drei bis vier Drehtage nahe läge. In der Storyboardphase spinnten die Verantwortlichen ein wenig herum und suchten nach Wegen, wie man sie ausschmücken könnte, wodurch die Sequenz so weit aufgepustet wurde, dass sie zwölf Tage zum Drehen benötigte. Das sei ein ganz alltägliches Vorhaben in Hollywood, und genauso normal ist es, daraufhin die besten neuen Ideen zu nehmen und den Rest zu entschlacken.
Man sieht: Der Abenteuerspielplatz “Internet” bietet einem Filmfan viele Möglichkeiten, sich mit Informationen zu füttern. Manche sind ertragreicher, andere unterhaltsamer. Und wieder andere, wie Rossios und Elliotts Forum, sind fernab vom Scheinwerferlicht. Deshalb empfehle ich an dieser Stelle, sich einfach Mal kopfüber ins Netz zu stürzen. Manchmal wird man für seine Suche reich entlohnt.