Story
Der Familienvater Maik Lehmann folgt dem obdachlose Künstler Sohle, der in einem Eiscafé mit Geld um sich wirft und den Lehmann zu erkennen scheint. Am Warnow-Ufer stirbt er durch den Tritt auf eine Mine. Wenig später wird auch Rolf Schulte, ein alter Freund von Kommissar Alexander Bukow tot am Strand gefunden. Profilerin Katrin König durchsucht eine Kiste mit Rolfs Sachen und findet ein Foto aus den 80er-Jahren. Darauf zu sehen: Rolf Schulte als bewaffneter Froschmann Arm in Arm mit Maik Lehmann, beide Kampfschwimmer. Die Ermittler stehen vor einem Rätsel. Verbindungen von Kommissar Bukow zur Balkan-Mafia werden offenbart, LKA-Beamtin Katrin König ist deswegen auf ihn angesetzt worden. Sie entdeckt, dass Rolf Schulte als alter Kumpel von Bukow, der auf dem Revier nun die Aufgabe des Büroboten zugeteilt bekommen hat und trockener Alkoholiker ist, darauf angesetzt wurde sich zu ihrem Rechner Zugang zu verschaffen, um in einer Akte eines Mafia-Bosses rumzuschnüffeln. Als er tot aufgefunden wird, hat er mehr Alkohol im Blut als Wasser in der Lunge. Wie sich herausstellt wurde er alkoholisiert in seiner eigenen Regentonnen ertränkt. Zudem stellt sich heraus, dass er zu unverhofftem Wohlstand in seiner luxuriösen Datsche gekommen ist. In seiner Wohnung finden die Ermittler eine Kiste mit alten Bundeswehrpistolen. Das führt das Rostocker Polizeiteam zurück in die deutsch-deutsche Vergangenheit als der Bereich Kommerzielle Koordinierung (KoKo) für die DDR Devisen beschaffte und damit den Untergang des Staates noch eine Weile hinauszögerte. Eine Gruppe ehemaliger Kampfschwimmer ist durch Zufall in den Besitz eines Goldschatzes aus dieser Zeit gekommen und dezimiert sich gegenseitig.
Darsteller
Charly Hübner («Tatort», «Ladykracher») ist Alexander Bukow
Anneke Kim Sarnau («Ken Follets Eisfieber», «Dr. Psycho») ist Kathrin König
Reiner Reiners («Tatort», «Salami Aleikum») ist Rolf Schulte
Hans Uwe Bauer («Boxhagener Platz») ist Ulli Kowski
Karl Kranzkowski («SOKO Stuttgart») ist Heinz Kowski
Marie Gruber («Unser Charly») ist Gisela Kowski
Uwe Preuss («KDD - Kriminaldauerdienst») ist Röder
Thomas Darchinger («Magda», «Faktor 8») ist Sohle
Christoph Gaugler («Ein Sommer in Marrakesch») ist Maik Lehmann
Kritik
Einen vielversprechenden Auftakt hat die «Polizeiruf 110»-Folge aus Rostock mit dem Titel «Aquarius» zu bieten, doch wird sie später dem hier gehegten Anspruch nicht gänzlich gerecht. Regisseur Edward Berger, der zusammen mit Martin Rosefeldt auch das Drehbuch geschrieben hat, schickt seine Ermittler auf der Spurensuche zurück in die DDR-Vergangenheit, die sie in dem verschachtelten Fall aufrollen müssen. Doch die Thematik der deutsch-deutschen Vergangenheit als die KoKo für die DDR Devisen beschaffte wird nur ein wenig gestreift, ins Detail geht man nicht. Sie dient allein dem historischen Hintergrund. Die fehlende Vertiefung in der Thematik mag bei dem Zuschauer Fragen aufwerfen, auf die der Film keine Antwort gibt. Im Vordergrund steht jedoch die Geschichte um Freundschaft, Verrat und Rivalität, die dafür aber plausibel erzählt wird. Gelungen ist es auch eine Erzählstruktur zu schaffen, die Spannung verspricht. Zum Schluss folgt einen Hetzjagd durch die Wälder bei beginnendem Schneefall, die ihres Gleichen sucht. Der Kriminalfall ist zum Großteil der Spielzeit undurchschaubar, teils aber auch verwirrend. Kann man den historischen Kontext nicht genau einordnen, ist das in manchen Szenen ein Nachteil, auch wenn die Zusammenhänge später doch klarer werden.
Nichtsdestotrotz wünscht man sich hier ein wenig mehr Transparenz, doch die hat Regisseur Berger weggelassen, um eine verschachtelte Figurenkonstellation zu erzwingen. Da die aber nicht leicht zu verstehen ist, ist der «Polizeiruf 110: Aquarius» vor allem im Mittelteil schwere Kost. Eine lückenlose Aufklärung erfolgt hier nicht, so dass manches Detail in der Komplexität des Films untergeht. In mitten dieser Konstruktion einer verwobenen Geschichte mit historischem Hintergrund hat man Anzeichen einer Beziehung im Ermittlerteam eingebaut. Zwischen Bukow und LKA-Beamtin König scheint sich etwas anzubahnen, wobei es vorerst nur beim erotischen Traum des Ermittler bleibt. Doch die anfängliche Abneigung („Quotenfrau“) schlägt im Laufe der Ermittlungen um, ein Grundstein für leidenschaftlichen Zündstoff in kommenden Episoden scheint jedoch gelegt worden zu sein. Zum Glück jedoch wird diese private Beziehungs-Geschichte zwischen beiden Charaktere nur beiläufig erzählt, denn sonst hätte es die durchaus spannende Rahmenhandlung in ihrem Tempo, das nicht gleichbleibend, sondern mal schnell, mal langsamer ist, erheblich gebremst.
Interessanter ist da schon die Machart des Films. Dem typischen TV-Krimi-Stil hat Regisseur Edward Berger offenbar einen Laufpass gegeben. Er setzte zwischenzeitlich auf Handkameras, die vor allem in dem packenden Finale des Films vollends zur Geltung kommen. Auch eine Vielzahl der Szenen im mittleren Filmteil ist mit Hilfe dieser Handkameras entstanden, was dem Zuschauer ein Gefühl gibt, mitten im Geschehen zu sein. Auch auf zusätzliches Licht hat man in den Nachtszenen beispielsweise verzichtet. Natürliche Lichtquellen haben Regisseur Berger vollkommen ausgereicht. Zwar ist das Bild dann stockfinster, doch es wirkt eben echt. Wie auch die Geschichte authentisch erzählt werden soll. Die Schauspieler agieren in ihren Rollen dementsprechend. Denen wurde zudem viel abverlangt. So musste sich Hans Uwe Bauer in der Schlusssequenz nicht nur splitternackt in kaltes Wasser tauchen lassen, sondern auch leicht bekleidet durch den winterlichen Wald laufen, gejagt von Karl Kranzkowski, der im Film seinen Bruder und Rivalen spielt. Auch Charly Hübners Ermittler-Figur muss viel wegstecken, wird in Alpträumen von der Balkan-Mafia verfolgt. Da die Schauspieler in diese schwer zu spielenden Rollen hineingewachsen sind und ihrem Charakter eine natürlich, menschliche Art verleihen, zollt ihnen Respekt für diese Leistung. Denn die ganze Palette der Gefühlswelten musste beherrscht werden und glaubwürdig rüber gebracht werden. Die Authentizität, die schon mit der Inszenierung beginnt und mit dem Schauspiel der Darsteller aufhört, ist ein klarer Pluspunkt für den «Polizeiruf». Die Story ist zwar spannend, hat aber an manchen Stellen Lücken, die nicht geschlossen werden. Letztlich überwiegt jedoch das Positive an diesem Film.
Den «Polizeiruf 110: Aquarius» zeigt das Erste am Sonntag, den 2. Mai 2010 um 20.15 Uhr.