Deutsche Serien holen wieder gute Quoten, die Krise scheint vorbei zu sein. Nun stellt sich die Frage, ob eben diese den Formaten auch inhaltlich geholfen hat. Sind die neuen Serien nun besser als frühere?Pro von Jan Schlüter:
Dass die Krise der deutschen Serie selbiger im Allgemeinen natürlich zunächst einmal geschadet hat, ist unbestritten. Für die heimische Schauspielerlandschaft und die Produktionsfirmen hätte es ab 2005 nicht schlimmer kommen können, als Serienklassiker im Privatfernsehen reihenweise abgesetzt wurden und zudem auch noch die neuen Formate allesamt floppten. Alles, was ein «CSI» im Namen hatte und auch nur ansatzweise nach packender US-Serienkost aussah, hatte deutlich höheres Erfolgspotenzial, sodass die TV-Sender lieber auf dem amerikanischen Markt wilderten anstatt eigene Sendungen in Auftrag zu geben.
Die Krise hat die deutsche Serienlandschaft massiv ausgedünnt und komplett umgekrempelt. Plötzlich fragten sich die Macher, was überhaupt noch beim Zuschauer funktionieren kann. Anfängliche Versuche, die vor allem visuell beeindruckenden Crime-Formate oder Medical Dramas aus den USA nachzuahmen und auf den „Erfolgszug“ aufzuspringen, scheiterten gnadenlos und als finanzielles Desaster, was logischerweise daran lag, dass deutsche Kopien von US-Serien weder inhaltlich noch vom Budget her mit den Originalen mithalten konnten. Und so verschwanden Formate wie «Verschollen» oder «Klinik am Alex» schnell im Giftschrank der Senderbosse.
Insofern ist es kein Wunder, dass die hiesigen Produzenten das tun mussten, was in der Branche sonst gemieden wird wie des Teufels Weihwasser: Sie mussten Innovation zeigen, um überleben zu können. Die letzte Chance, mit deutschen Serien im von der jungen werberelevanten Zielgruppe dominierten Privatfernsehen zu punkten, waren keine Kopien, sondern eigenständige Konzepte und Ideen. Es entstanden Genremixes wie die Medical Dramedy «Doctor’s Diary» oder das religiös angehauchte Action-Format «Lasko – Die Faust Gottes» (Foto), die allesamt zwar keine Straßenfeger waren, aber erfolgreich genug, um in weiteren Staffeln produziert zu werden und den Senderbossen zu bescheinigen, dass die deutsche Serie keineswegs tot ist. Selbst ein Format wie «Der Lehrer», das mehrere Jahre lang bei RTL aus Angst vor einem Quotendesaster nicht ausgestrahlt wurde, wurde zum Überraschungserfolg. Und am vergangenen Montag konnte sogar Sat.1 mit den neuen deutschen Serien «Der letzte Bulle» und «Danni Lowinski» zumindest bei der Premiere sehr gute Zuschauerzahlen erreichen.
All diese Erfolge sind besonders darauf zurückzuführen, dass die neuen deutschen Serien innovativ verpackt sind, einen eigenständigen und nicht abgekupferten Plot haben und letztendlich außer Konkurrenz laufen, da es keine US-Pendants dieser Formate gibt. Die deutsche Serienkrise hat also vor allem dem Fernsehzuschauer geholfen, der qualitativ hochwertige Serienware nicht nur aus den USA, sondern nun auch aus der Heimat bekommt und augenscheinlich wertschätzt, dass die deutschen Formate einfach anders und keineswegs out of date sind. Es brauchte also eine Krise, damit sich die deutsche Serienlandschaft von alten Genre- und Konzepttraditionen trennt und sich neu erfindet. Die NDW, die Neue Deutsche Welle der Serien ist angebrochen – und könnte vielleicht einer der großen Fernsehtrends der nächsten Jahre werden.
Contra von Christian Richter:
Sicherlich hat die vielbesagte Krise der deutschen Serie dazu geführt, dass jüngere Produktionen hochwertiger erscheinen. Mit den Formaten der 90er Jahren sind die wenigsten sowohl vom Erzähltempo als auch vom Look kaum noch zu vergleichen. Doch diesem Hochglanz, der zuweilen mit einer Qualitätsverbesserung gleichgesetzt wird, wurde die Originalität geopfert. Beinahe alle neuen Konzepte sind entweder explizite Kopien erfolgreicher ausländischer Serien oder zumindest stark an solche angelehnt.
Am auffälligsten war dies bei «Post Mortem» (RTL) und «R.I.S. – Die Sprache der Toten» (Sat.1). Dort wurde nicht einmal versucht zu verschleiern, dass man dem US-Original «CSI – Den Tätern auf der Spur» in jeder Sendeminute nacheiferte. Zuweilen übernahm der RTL-Dauerbrenner «Alarm für Cobra 11» typische Stilelemente und Kamerafahrten der amerikanischen Krimireihe. Die Sat.1-Serie «Dr. Molly & Karl» war lediglich ein farbloser Abklatsch von «Dr. House» und auch der gescheiterten Produktion «Klinik am Alex» (Sat.1) sah man die Vorlagen der sogenannten „Medical Dramas“ deutlich an.
Die ProSieben-Serie «Alles außer Sex» mit Anette Frier kopierte einfach die Erfolgsserie «Sex and the City», was schon im Titel deutlich wurde. Mit «Verrückt nach Clara» gab der Sender später eine deutsche Adaption einer französischen Serie in Auftrag, bei der sogar der Name der Hauptfigur unverändert blieb. Als ab 2006 bei RTL «Die Familienanwältin» ihren ersten Dienst antrat, kämpfte sie in der erste Folge in exakt demselben Fall, der schon der Pilotfilm zum US-Original «Family Law» war. Die Autoren haben das Buch einfach übernommen.
Selbst die gelobten und ausgezeichneten Serien «Stromberg» (ProSieben) und «Pastewka» (Sat.1) haben ihre Vorlagen in ausländischen Formaten. Dank einer freien Adaption sind diese trotzdem originell umgesetzt. Sogar die RTL-Serie «Doctor’s Diary», die oft als Wendepunkt in der Krise angesehen wurde, ist laut des Autors eine Mischung aus «Grey’s Anatomy» und «Bridget Jones» und somit ebenfalls an auswärtige Ideen angelehnt.
Auch wenn es vereinzelte Gegenbeispiele geben mag, hat der allgemeine Rückgang des Interesses an deutschen Serien in erster Linie zu weniger Mut bei den Autoren und Sendern und somit zu einer wahren Kopierflut geführt. Damit verloren die neuen Produktionen eine nationale Identität, die sie von ausländischen Importen unterscheiden würde und vielleicht den Erfolg zurückbringen könnte. Ein bloßes Klauen von Ideen, Figuren und kompletten Serien darf nicht mit der Verbesserung der Qualität verwechselt werden. Abschreiben ist keine bemerkenswerte Leistung.