Am kommenden Samstag kehrt der Bällchensender nach fast neun Jahren in den Boxring zurück. Damals kämpften unter anderem der "Tiger", "Rocky" und die Klitschko-Brüder.
Man muss ein gutes Gedächtnis haben und nach Möglichkeit noch nicht zur allerjüngsten Generation gehören, um sich an ein Engagement des Senders Sat.1 im Boxsport zurückerinnern zu können. Zwischen 1997 und 2001 war man zuletzt wirklich an Übertragungen von Kämpfen von Top-Boxern interessiert, danach folgte eine fast neunjährige Pause. Nicht schlecht gestaunt haben dürften deshalb viele Medienvertreter, als die Sendeanstalt Anfang des Jahres eine umfassende Berichterstattung rund um den Revanceversuch des deutschen Schwergewichtsboxers Steffen Kretschmann gegen seinen Kontrahenten Denis Bakhtov, welchem er sich im Sommer vergangenen Jahres bereits in der ersten Runde geschlagen geben musste, ankündigte. Nicht nur die Rechte an besagtem Boxkampf wurden gesichert, sondern man ließ den Zuschauer des weiteren in Form einer vierteiligen Doku auch an den Vorbereitungen des 29-Jährigen teilhaben. Quotenmeter.de blickt zurück auf die Zeit, in der Sat.1 noch als einer der führenden deutschen Sender im Boxsport galt.
Zwischen 1997 und 1999 sicherte man sich die Rechte an den Kämpfen des gemeinhin als "Tiger" bezeichneten WBO-Halbschwergewichtsboxers Dariusz Michalczewski. Die erste Liveübertragung fand am 13. Juni 1997 statt, als Michalczewski in Oberhausen gegen den damaligen WBA-Titelträger Virgil Hill antrat. Den Kampf verfolgten vor den heimischen TV-Geräten damals 5,84 Millionen Zuschauer, was zu großartigen 36,7 Prozent Marktanteil führte. Nie mehr konnte der Boxer solch einen hohen Anteil der Fernsehzuschauer für sich gewinnen, wenngleich zumindest der Kampf gegen den relativ unbekannten Briten Mark Prince im September 1998 mit 5,93 Millionen Faustkampfinteressierten noch eine minimal höhere Reichweite für sich beanspruchen konnte. Generell sank aber der Zuschauerzuspruch an den sechs gezeigten Kämpfen des Deutsch-Polen nahezu linear. Waren gegen Drake Thadzi Ende 1998 immerhin noch 4,89 Millionen Menschen mit von der Partie, fieberten im April 1999 bereits nur noch 4,79 Millionen Bundesbürger mit, als es gegen den Russen Muslim Biarslanov ging. Die schwächste Reichweite wurde beim letzten übertragenen Kampf gegen Montell Griffin gemessen, den im September 1999 nur noch 4,23 Millionen Zuschauer sehen wollten. Da aber die Übertragung in diesem Fall erst um 22:45 Uhr statt wie üblich um 22:15 Uhr ausgestrahlt wurde, konnten mit gut 23 Prozent Marktanteil dennoch etwas bessere Werte erzielt werden als die beiden Male zuvor.
Danach verzichtete Sat.1 auf weitere Live-Kämpfe des "Tigers" und sicherte sich stattdessen die Rechte an Kämpfen der beiden Klitschkos und des deutschen Meisters im Halbschwergewicht, Thomas Ulrich. Zudem wurde ein weiterer Kampf von Graciano Rocchigiani erworben. Zwischen 1999 und Dezember 2001 führte der Erwerb dieser Rechte zu insgesamt fünf Boxnächten, die jedes Mal von 22:15 Uhr bis kurz nach Mitternacht gingen und jeweils zwei Duelle beinhalteten. Dieses neue Konzept ging schon am ersten Kampfabend auf, an dem sich Wladimir Klitschko gegen den US-Boy Chris Bryd souverän den WBO-Weltmeistertitel angelte und Thomas Ulrich gegen Warren Moore siegreich war. Die Kämpfe wurden von durchaus beachtlichen 7,01 Millionen bzw. 5,17 Millionen Deutschen gesehen. Der reichweitenstärkste Boxabend in der Sendergeschichte war jedoch der am 1. April 2000, an dem sich die Werte von Vitali Klitschko und Ulrich weniger als Aprilscherz denn als grandiosen Erfolg entpuppten: Spektakuläre 9,82 Millionen Zuschauer bescherten dem Sender zunächst 50,7 Prozent Marktanteil, bevor im Anschluss mit immerhin noch 8,04 Millionen ein knappes Drittel der Bundeshaushalte erreicht werden konnte. Einzig enttäuschend verlief der Abend ohne Klitschko-Beteiligung, an dem dem Zuschauer lediglich die Kombination "Rocky" und Ulrich geboten wurde. Mit 4,44 Millionen bzw. 3,99 Millionen blieben beide kämpfe hinter den Erwartungen zurück, in der Zielgruppe wurden sogar nur knapp 15 Prozent erzielt.
Seinen bis dato letzten Ausflug in die Welt des Boxsports unternahm der Bällchensender am 08. Dezember 2001, an dem Vitali Klitschko gegen Ross Puritty antrat. Mit 7,39 Millionen Zusehern konnten zum Ende hin nochmal überaus gute 37,0 Prozent generiert werden, was aber nichts mehr am Ausstieg des Senders aus dem Boxgeschäft änderte - bis zum 27. März 2010.
Auf der Liste der Verantwortlichen für eine gelungene Boxübertragung findet man einige durchaus renommierte Namen, die zum Teil auch heute noch aktiv sind. So moderierten zwischen 1997 und 2000 die heutigen ARD-Sportgesichter Reinhold Beckmann und Steffen Simon die Übertragungen. Des Weiteren war in dieser Zeit auch noch der zugegebenermaßen heutzutage nicht mehr wirklich bekannte Thomas Klementz in Moderatorenrolle für den Boxsport zuständig. In den beiden letzten Jahren des Boxsport-Engagements übernahm Oliver Welke die Moderation, welcher noch heute bei vielen Fußballübertragungen des Senders zu sehen ist und auch am Samstagabend wieder in moderativer Form fungieren wird. Auch der Kommentator der Live-Kämpfe war damals mit Erich Laaser jemand, der auch heute noch Spiele der Champions League und der Europa League für Sat.1 kommentiert. Er wird auch an diesem Wochenende am Mikrofon sitzen – für Sat.1 ebenfalls mit am Ring ist Fußball-Kommentator Wolff-Christoph Fuß.
Es ist durchaus fraglich, ob ausgerechnet ein eher unbekannter Name wie Steffen Kretschmann den Boxsport in Sat.1 zu erneuten Traumquoten führen kann. Der Kampf gegen seinen russischen Gegner wird in den Medien längst nicht mit einer solchen Euphorie erwartet wie beispielsweise der von Vitali Klitschko vergangenen Samstag. Zudem bekam der Sender bereits durch die schlechten Quoten der Dokumentation über die Vorbereitungen auf den anstehenden Kampf ein deutliches Signal, dass die Zuschauer nicht sonderlich am sportlichen Schicksal von Steffen Kretschmann interessiert sind. Superquoten deutlich jenseits der Zwölf-Millionen-Marke sind also an diesem Wochenende beim besten Willen nicht zu erwarten - daran denkt aber auch niemand bei Sat.1. Aus Quotensicht kann der Sender am späten Samstagabend eigentlich nur gewinnen, da sowohl
«Genial daneben», als auch die Spielfilmübertagungen in vergangener Zeit regelmäßig am Interesse der deutschen Haushalte vorbeigesendet wurden. Es ist also durchaus eine Chance für Sat.1, auf der einen Seite sein Image als Sportsender inklusive der Marke «ran» weiter zu fördern und auf der anderen Seite zumindest stärkere Werte als zuletzt einzufahren. Viel wird davon abhängen, ob
«Wetten, dass...?» und
«Deutschland sucht den Superstar» kommenden Samstag pünktlich beendet werden und sich die Zuschauer zu Sat.1 verirren.