►   zur Desktop-Version   ►

Die Kritiker: «Tatort: Absturz»

Story


Hauptkommissarin Eva Saalfeld hat ihrem Neffen Lukas einen Ausflug zu einer Flugschau versprochen, wohin es auch eine Klassenfahrt gibt. Doch die Ermittlerin hat verschlafen. Im Eiltempo saust sie mit ihrem Neffen zum Flugplatz. Derweil sind seine Klassenkameraden bereits auf einer Hüpfburg am toben, ehe Lukas und Eva auf dem Parkplatz ankommen. Doch was sie dort erwartet, ist sein Schreckensszenario: Sie sehen Rauch vom Festplatz aufsteigen, der direkt neben der Startbahn liegt. Der Pilot Thomas Arendt ist beim Startversuch mit seiner Maschine in die Zuschauermenge gerast und hat dabei die Hüpfburg, in der die Kinder spielten, zerfetzt.

Die meisten der Kinder konnten sich retten, einige sind verletzt, doch in mitten der Hüpfburg-Fetzen liegt Emil, der beste Freund von Lukas, schwer verletzt. Sein Vater, Christian Peintner, steht fassungslos neben Kommissarin Eva Saalfeld, die Emil Erste Hilfe leistet und ihre Kollegen per Handy informiert. Als der Junge wenig später an den Folgen seiner Verletzungen stirbt, ist Saalfeld überzeugt, dass es sich hier nicht um einen Unfall, sondern um fahrlässige Tötung handelt, und der Schuldige durch die Mordkommission ermittelt werden muss.

Sie und Hauptkommissar Keppler verhören nacheinander den Piloten, den Chefmechaniker, den Verantwortlichen der Flugaufsicht und den Veranstalter der Flugschau, doch sie weisen alle Schuld von sich. Der Vater des verunglückten Jungen Christian Peintner sucht die Schuld vor allem beim Piloten. Als dann Roland Conze, der Veranstalter der Flugschau, auf einer Leipziger Großbaustelle ermordet aufgefunden wird, müssen die Kommissare auch gegen Emils Vater ermitteln. Die Ermittler können Rache für den Tod seines Sohnes nicht ausschließen. Aber auch die Verantwortlichen am Flugfeld werden ins Visier genommen.

Darsteller


Simone Thomalla («Die Rosenheimcops») ist Hauptkommissarin Eva Saalfeld
Martin Wuttke («Inglourious Basterds») ist Hauptkommissar Andreas Keppler
Matthias Brandt («Die Frau, die im Wald verschwand») ist Christian Peintner
Jan-Henrik Stahlberg («SOKO 5113») ist Thomas Ahrendt
Judith Engel («Die zwei Leben des Daniel Shore») ist Katharina Conze
Annett Heilfort («Sexstreik!») ist Barbara Ahrendt
Klaus Manchen («Das weiße Band») ist Heinz Lienhardt
Bruno F. Apitz («Der Alte») ist Roland Conze
Antoine Monot Jr. («Der große Kater») ist Frank Lienhardt
Axel Wandtke («Die Entbehrlichen») ist Carsten Schreiber

Kritik


Es ist der bereits siebte «Tatort» des MDR-Ermittler-Duos Saalfeld/Keppler. Doch diesmal sind es weder Schauspielerin Simone Thomalla noch ihr Kollege Martin Wuttke, die in den Mittelpunkt des Geschehens rücken. Es ist vielmehr die schauspielerische Leistung des Matthias Brandt, der den Vater des verunglückten Jungen spielt, die viel Lob verdient hat. Es ist wahrlich keine einfache Rolle gewesen. Vor allem aber eine mit sehr viel Gefühl und Emotionen. Da kommt es vor allem darauf an, dass der Zuschauer mitfühlt. Das gelingt Matthias Brandt mit Bravour. Die Verkörperung des trauernden Vaters, der eine gewisse Wut in sich trägt, aber auch Schmerz über den tragischen Verlust bis hin zur Verzweiflung am Ende, all das geht auch am Zuschauer nicht spurlos vorbei, denn Brandt gelingt es, dass man sich in seinen Charakter hinein versetzen kann. Das hilft auch dem Film ungemein, der insgesamt solide und spannend aufgebaut ist.

Regisseur Thorsten C. Fischer hat vor allem einen guten Anfang für den Film inszeniert. Was harmlos mit dem Verschlafen des Hauptcharakters Saalfeld beginnt, endet mit einer Tragödie, die so schrecklich scheint, dass man nicht viel von ihr sieht. Nur einige Bild-Fetzen setzt Fischer uns vor: Spielende Kinder auf einer Hüpfburg, kreisende Flieger am Himmel und die Perspektive des Piloten. Zwischendurch gibt es Schnitte zur rasanten Autofahrt der Hauptkommissarin, die noch einigermaßen pünktlich zur Flugschau vor Ort sein möchte. Vom Unglück bekommt auch der Zuschauer nichts mit – was genau geschehen ist, erfährt man wie die Ermittler im Film erst später. Saalfeld kommt mit ihrem Neffen am Flugplatz an. Man hört Kindergeschrei, sieht aufsteigenden Rauch. Fortan beginnen die Ermittlungen, deren Abläufe stets spannend bleiben und auch die Zuschauer miträtseln dürfen, wer welches Verbrechen begangen hat, denn schnell sind diverse Verstrickungen der Charaktere untereinander klar.

Dabei ist der «Tatort: Absturz» phasenweise auch emotional. Der Sohn von Ermittlerin Saalfeld hat seinen besten Freund verloren. Trost findet er zunächst nicht. Verarbeitet den Verlust mit lauter Musik. Und auch der Vater des verunglückten Freundes wird darauf in seiner Wohnung tanzend zu einem Lieblingssong seines Kindes, den Frust abbauend gezeigt. Es sind eben die Emotionen Trauer, Schmerz und Leid, die vorerst zum Tragen kommen. Wenig später äußern sich diese in Wut und Hass. Denn als der verunglückte Emil im Krankenhaus obduziert wird, befragen die beiden Hauptkommissare sowohl seinen Vater, aber auch den Piloten des Unglücksfliegers. Schließlich begegnen sich beide direkt: Peintner schnappt sich eine Blutkonserve und wirft sie dem Unfall-Piloten an den Kopf. Abermals eine gute Szene, von denen es ruhig mehr hätte geben können. Denn die beiden Figuren – der leidende Vater auf der einen Seite und der Pilot mit schlechtem Gewissen auf der anderen Seite – laufen sich noch öfter über den Weg.

Die erste Dreiviertel-Stunde des «Tatort: Absturz» ist also gelungen. Wenig Leerlauf, viel Emotion und eine ordentliche Geschichte, die dem Drehbuch von André Georgi zu verdanken ist. Während man zur Halbzeit des Krimis also ein rundum positives Fazit ziehen kann, lässt der zweite Teil etwas nach. Das obwohl der Spielfilm nach dem Mord an Roland Conze, dem Veranstalter der Flugschau, wieder etwas Fahrt aufnimmt. Der Spannungsbogen bleibt weiter gespannt, doch die Emotionen rücken leicht ins Abseits, während die Kommissare die Schlinge um die Verdächtigen immer mehr zuziehen und der Warmherzigkeit zuvor eine kühle Ermittlung folgen lassen, vor der auch die leidenden Opfer nicht verschont werden. Hier verkommt der Krimi-Streifen leider zum üblichen Aneinanderreihen von Ermittlungsmethoden und eher durchwachsenen Befragungen. Zum Glück sind da aber noch die kleineren Konflikte zwischen den beiden Hauptkommissaren, die die mechanisch wirkenden Abläufe etwas auflockern können. Saalfeld und Keppler sind nicht immer einer Meinung und als die Kommissarin zu ihrem Ex-Mann sagt, er solle sich nicht „aufblasen“, kommt man zumindest um ein Schmunzeln nicht umhin. Solch kleine Reibereien sind selbst in den besten Ehen typisch. So wurden diese Streit-Dialoge als kleine Nebengeschichte auch an der richtigen Stelle eingesetzt. Im Übrigen fühlt sich auch Kommissarin Saalfeld an die Vergangenheit erinnert: Als sie noch mit Keppler zusammen war, verlor sie ebenfalls ein Kind.

Zum Schluss kommen dann auch die Emotionen wieder und vor allem Matthias Brandt läuft zur Höchstform auf. Ein dramatischer Schlusspunkt in dem Film ist damit garantiert, so bekommt der letzte Abschnitt wie schon der erste Teil die volle Punktzahl. Auch Saalfeld schafft es zu ihrem Neffen wieder durchzudringen und ihm Trost zu spenden. Nach einem starken Beginn und einem eher durchschnittlichen Mittelteil, in dem vor allem die Ermittlungen im Vordergrund stehen, sowie einem herausragenden Finale ist der Film keinesfalls abgestürzt. Vielmehr ist auch dieser «Tatort» eine Empfehlung wert.

Das Erste zeigt den «Tatort: Absturz» am Sonntag, den 14. März 2010 um 20.15 Uhr.
13.03.2010 13:09 Uhr Kurz-URL: qmde.de/40738
Jürgen Kirsch

Artikel teilen


Tags

Tatort Die Kritiker

◄   zurück zur Startseite   ◄

Qtalk-Forum » zur Desktop-Version

Impressum  |  Datenschutz und Nutzungshinweis  |  Cookie-Einstellungen  |  Newsletter