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Die Kino-Kritiker: «Männer, die auf Ziegen starren»

Die auf wahren Begebenheiten beruhende Komödie ist ein herrlicher Blick auf die absurden Seiten des US-Militärs.

Seit jeher ist es immer mit Vorsicht zu genießen, wenn ein Film sich damit brüstet, von wahren Begebenheiten inspiriert worden zu sein. In einer Zeit, in der auch Horror-Reißer wie «Hostel» und «Wolf Creek» (beide 2005) mit einem solchen Prädikat versehen werden, reichen die zu Grunde liegenden Informationen von gerüchteweise im Internet verbreiteten Meldungen bis hin zu tatsächlich verbürgten Fakten. Aber auch in letzterem Fall besteht keine absolute Garantie für den Wahrheitsgehalt der dargelegten Geschehnisse, weswegen es dem Zuschauer schließlich selbst überlassen ist, was er von dem Gesehenen nun glaubt oder nicht. So auch bei der Komödie «Männer, die auf Ziegen starren», welche auf dem gleichnamigen Sachbuch des Journalisten Jon Ronson basiert, mit der geschilderten Problematik jedoch eher spielerisch umgeht, wenn es direkt zu Beginn heißt: „In diesem Film ist mehr wahr als Sie glauben.“

Erzählt wird die Geschichte des Journalisten Bob Wilton (Ewan McGregor), der sich eines Tages als Berichterstatter in den Nahen Osten begibt. Doch die ersehnte Tätigkeit als Kriegsreporter bei den US-Truppen im Irak bleibt dem verzweifelten Bob vorerst verwehrt. Sein Glück scheint sich jedoch zu wenden als er auf den Soldaten Lyn Cassady (George Clooney) trifft und eine große Enthüllungsstory wittert. Denn Cassady war einst ein angesehenes Mitglied einer geheimen Spezialeinheit des US-Militärs, die ihre Rekruten in der Ausbildung übersinnlicher Fähigkeiten geschult hat. Nach eigenen Angaben auf einer geheimen Mission unterwegs, nimmt der von seiner Begabung vollkommen überzeugte Cassady Bob schließlich mit in den Irak und weiht ihn in die Hintergründe und den Ursprung seiner parapsychologischen Truppe ein.

Dieses Handlungskonstrukt erfüllt in erster Linie den Zweck, sich von einer absurden Station in der Darstellung der mehr als ungewöhnlichen Spezialeinheit zur nächsten zu hangeln. Insbesondere die zahlreichen Rückblenden geben in überaus amüsanter Form Aufschluss über deren Formierung und Wesensbildung unter der Führung des esoterisch veranlagten Vietnamveterans Bill Django (Jeff Bridges). In der eigentlichen Geschichte um den Journalisten Bob passiert derweil aber nicht wirklich viel. Dennoch gelingt es Regisseur Grant Heslov, der ansonsten vor allem als Schauspieler tätig ist («True Lies», «Congo»), das Interesse des Zuschauers durch eine routinierte Inszenierung durchgehend aufrecht zu erhalten. So lässt er seinem grandiosen Schauspielerensemble den nötigen Raum, um die Stärken des Drehbuchs von Peter Straughan («New York für Anfänger») mit sichtlichem Vergnügen voll auszuspielen. Die Darsteller sind es auch, die in Verbindung mit dem aberwitzigen Gebaren des US-Militärs den eigentlichen Charme des Films ausmachen. Vor allem George Clooney, der den Film zusammen mit seinem langjährigen Freund Heslov auch produzierte, weiß als angeblich parapsychologisch begabter Supersoldat zu überzeugen und hat somit wohl die meisten Lacher auf seiner Seite.

Obwohl Clooney und Bridges auch im Filmvorspann als erstes genannt werden, ist der von Ewan McGregor verkörperte und zwischen Faszination und Skepsis hin- und hergerissene Journalist Bob Wilton die eigentliche Hauptfigur des Films. Er bildet den Rahmen, kommentiert aus dem Off und ist für die dem Zuschauer in Bildern dargebotenen Nachforschungen verantwortlich. Dabei ist schon die bloße Besetzung von McGregor ein gelungener selbstironischer Gag, bezeichnen sich die vermeintlich übersinnlich begabten Soldaten doch selbst als Jedi-Krieger, wie George Clooney im Film dem erstaunten Obi-Wan-Kenobi-Darsteller erläutert.

Abseits dieser ganzen vordergründigen Komik steckt in «Männer, die auf Ziegen starren» aber auch eine gewisse Tragik. So absurd-witzig die Auftritte der einzelnen Gestalten auf den ersten Blick auch sein mögen, wird es doch bald deutlich, dass es sich bei ihnen eigentlich durchweg um äußerst tragisch gescheiterte Figuren handelt. Sie alle haben ihre großen Träume dahinschwinden sehen und sind nun verzweifelt auf der Suche nach einer Bestimmung, die sie im Grunde nie erfüllen können. Der bloße Glaube an diese ist es, der es den Männern überhaupt ermöglicht, ihr Leben weiterzuführen. Die Subtilität, mit der die Daseinskrisen angedeutet werden, lässt solche Zwischentöne im Hintergrund nur noch intensiver erscheinen.

Bei den satirischen Anspielungen hätte man sich dagegen hier und da ein wenig mehr Direktheit und Ausführlichkeit gewünscht. Die im Ansatz durchaus gelungenen Seitenhiebe auf das absurde amerikanische Kriegsgebaren sowie den fragwürdigen Umgang des US-Militärs mit Kriegsgefangenen und den eigenen Soldaten treten nur nebenbei am Rande des Weges der Protagonisten zu Tage und werden leider ebenso schnell abgehandelt, wie sie in der Geschichte erschienen sind. Gerade weil hier scheinbar schwer wiegende Missstände erkannt wurden, wäre deren etwas tiefer gehende Behandlung durchaus erstrebenswert gewesen.

Im Großen und Ganzen bleibt «Männer, die auf Ziegen starren» aber immer noch ein sehr gelungener und meist kurzweiliger Spaß, der vor allem durch seine spielfreudige Starbesetzung punktet. Auch wenn sich der Titel des Films nur auf eine Aktion der im Fokus stehenden paranormalen US-Spezialeinheit bezieht, verschafft er schon einen guten Eindruck von der Absurdität des gesamten Unterfangens, an dem bedauerlicherweise wohl tatsächlich mehr dran ist als man auf den ersten Blick zu glauben bereit wäre.

«Männer, die auf Ziegen starren» ist seit 4. März in vielen deutschen Kinos zu sehen.
06.03.2010 11:25 Uhr Kurz-URL: qmde.de/40593
Markus Trutt

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Männer die auf Ziegen starren

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