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Die Experten: 22. Februar 2010

Seite 1 Heute: Was genau ist eigentlich „Pornographie“? Die Rückkehr einer RTL-Sitcom und der «Anubis».

Ralf: In der letzten Ausgabe hieß es, dass im Fernsehen keine Pornographie gezeigt werden darf. Trotzdem laufen doch viele Sexfilme sowohl im FreeTV als auch im PayTV. Daher interessiert es mich, was überhaupt Pornographie.

Christian Richter:
Diese Frage ist nicht so leicht zu beantworten, wie man glaubt, denn der Begriff „Pornographie“ ist gesetzlich nicht definiert. Es lag und liegt also an den Gerichten diesen näher auszulegen. Zur Einschätzung, ob ein pornographisches Werk vorliegt, hat der leitende Oberstaatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart Klaus Walther vier Merkmale herausgearbeitet. Erfüllt ein Werk diese, ist es in der Regel als pornographisch einzustufen.

1. Die „Stimulierungstendenz“: D.h. die objektive Gesamttendenz des Filmes zielt ausschließlich auf die Erregung eines sexuellen Reizes beim Betrachter ab. Dieser sexuelle Reiz stellt also den Hauptinhalt dar. Dies liegt dann vor, wenn es keine relevante Handlung abseits der sexuellen Vorgänge gibt - insbesondere, wenn das Werk nur aus einer bloßen Aneinanderreihung von Szenen sexueller Betätigungen besteht. Eine solche Tendenz ist auch dann zu bejahen, wenn sogenannte Scheinwelten des sexuellen Genusses aufgebaut werden, wie bspw. die grenzenlose Potenz des Mannes oder die allzeitige Hingabebereitschaft der Frau.

2. Die sexuellen Handlungen müssen grob aufdringlich, übersteigert und in aufreißerischer Weise gezeigt werden. Hier ist also auf die konkrete Darstellung zu achten. Bloße Nacktaufnahmen reichen dafür nicht aus, selbst wenn die Geschlechtsmerkmale deutlich erkennbar sind. Wichtig ist, dass diese Darstellung auf die sexuelle Stimulierung reduziert und anreißerisch präsentiert wird. Dies ist gegeben, wenn Frauen mit unnatürlich, gespreizten Beinen gezeigt werden und dem Betrachter so ihre Geschlechtsteile zeigen – insbesondere wenn die Schamlippen zusätzlich mit den Händen auseinander gezogen oder masturbierende Gesten gemacht werden. Etwas unklarer ist allerdings, wo bei der Darstellung des männlichen Penis die Grenze liegt. Bei den Printmedien hat sich manifestiert, dass der männliche Penis den Erektionswinkel von 45 Grad nicht übersteigen darf. Ist dieser größer werden Zeitungen in der Regel nicht frei zugänglich verkauft. Allerdings gibt es Gerichtsurteile, wo auch solche Darstellungen nicht als pornographisch bewertet wurden. Hier lag jedoch der Fokus nicht nur auf dem Genital, sondern auf dem ganzen Mann. Der Penis stand nach Ansicht des Gerichts trotz der vollwertigen Erektion nicht grob aufdringlich im Vordergrund. Außerdem wurde die Person nicht als ein sexuelles Objekt der Begierde abgewertet oder gar herabgewürdigt. Die Abgrenzung zur Kunst ist bei diesem Merkmal oft mit Problemen verbunden.

3. Die Darstellungen müssen die allgemeinen sexuellen Wertvorstellungen eindeutig überschreiten. Dabei sind immer die aktuellen Werte zu betrachten, da sich diese im Laufe der Zeit immer wieder veränderten und die Schamgrenzen herangesetzt haben. Letztendlich muss das Gezeigte die üblichen von der Gesellschaft allgemein tolerierten Darstellungen überschreiten.

4. Der Gesamteindruck des Werkes muss berücksichtigt werden. Selbst wenn es in einem Film Szenen gibt, die die ersten drei Merkmale erfüllen, können diese unschädlich für die Einstufung als pornographisches Werk sein, wenn die Rahmenhandlung so dominant ist, das sie die Bilder entschärft.

Ist ein Film als pornographisch einzustufen, darf dieser nicht im Fernsehen gezeigt werden. Selbst im Pay-TV ist eine Verbreitung von Pornographie trotz Pincode nicht zulässig. Auch dort werden nur Filme gezeigt, die zwar starke sexuelle Tendenzen beinhalten, aber die obigen Kriterien nicht erfüllen. Zum Teil werden dazu „echte“ Pornofilme so umgeschnitten, dass die aufdringliche Darstellung entfernt wird. Zusätzlich wird oft eine Handlung durch einen Erzähler oder eine Gedankenstimme nachträglich eingebaut, die dann zum Beispiel erklärt, dass sich das Paar schon seit ihrer Jugendzeit lieben würde und eben nicht nur augrund rein sexueller Lust miteinander aktiv würde.

Dass Sky über Blue Movie “echte” Pornofilme zeigen darf, liegt übrigens nicht nur am gesonderten Pincode-Verfahren, sondern auch in der Tatsache, dass es sich beim dem Sender um ein Pay-per-View-Angebot handelt. Der Kanal ist damit nicht als Fernsehsender, sondern als Mediendienstleister anzusehen, für die ein grundsätzliches Verbreitungsverbot nicht gelten. Die Verbreitung von pornographischen Werke, in denen Gewalthandlungen wie Vergewaltigungen, Sex mit Tieren und Kindern gezeigt werden, ist generell verboten – egal auf welchem Wege. Dies gilt also nicht nur fürs Fernsehen.

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22.02.2010 12:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/40343
Christian Richter

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