Ob das Geschehen vor der Leinwand, auf der Leinwand oder hinter den Kulissen: Unser Filmkolumnist richtet sein waches Auge auf die Filmkultur und lässt uns wissen, was er von den Ereignissen rund ums Kino hält.
Die deutschen Kinobetreiber möchten verhindern, dass der für zwei Academy Awards nominierte Film «Das weiße Band» zu einem Besuchererfolg wird. Anders kann ich mir deren Aufführungspolitik nicht erklären.
Als der Film neu in die Kinos kam, lief er
im Programmkino meines Vertrauens exakt eine Woche, und in dieser Woche nur zu menschenunmöglichen Uhrzeiten. 12 Uhr mittags und 23 Uhr abends. Montag bis Donnerstag. Danach nahm man ihn aus dem Programm.
Einige Zeit später wurden die Oscar-Nominierungen bekannt gegeben, wodurch das öffentliche Interesse an «Das weiße Band» enorm gestiegen ist. Normalerweise würde man erwarten, dass der Film deswegen wieder ins reguläre Programm aufgenommen wird. Falsch gedacht. Man könnte dadurch ja Geld verdienen, wie kapitalistisch, ey!
Stattdessen gingen einige Wochen ins Land, bevor die Internetseite des Kinos verkündigte, dass «Das weiße Band» für drei Tage wieder ins Programm aufgenommen wird. Aufführungszeit: 10 Uhr. Ich verzichtete auf meinen wohlverdienten Internetkolumnistenschlaf und schleppte mich durch die Eiseskälte, um mir dieses Stück deutscher Kinogeschichte anzusehen. Mit erfrorenen Händen und Füßen wartete ich geduldig vor verschlossener Tür, als mir eine verplante Kinoangestellte um 10.15 Uhr die Tür öffnete: „Tut mir leid, reine Schülervorstellung.“ Und das galt natürlich für sämtliche auf der Webseite ganz normal aufgeführten Vorstellungen von «Das weiße Band».
Seither reise ich dem Film hinterher und klappere alle möglichen Kinos in meiner Region ab, die ihn anbieten. Und jedes Mal scheitere ich. Plötzlich ist es eine exklusive Rentner-Café-Vorführung. Dann eine Vorstellung für Goldkartinhaber. Eine Prämienvorführung für Stammbesucher, die ihr Sammelmärkchenheft vollgemacht haben. Alles, nur keine stinknormale, handelsübliche Aufführung für normale Leute. Okay, eine gab es. Ein Kino mietete sich den Film für einen einzigen Abend. Die Vorstellung war sofort ausverkauft.
In den USA ist man nicht nur wirtschaftlicher orientiert, sondern in dieser Hinsicht sogar publikumsfreundlicher: Wenn ein sich derzeit in Rotation befindlicher Arthousefilm mit Preisen überhäuft wird, erhält er einen breiten Kinostart. In Deutschland hingegen zehrt «Das weiße Band» weiter von den paar Kopien, mit denen der Film für ein Nischenpublikum gestartet wurde. Wieso man nun nicht einfach den Markt überflutet? Ganz einfach, in Deutschland hat es sich noch nicht herumgesprochen, dass man sogar mit Kunstfilmen Geld verdienen kann.