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Popcorn und Rollenwechsel: Kommunismus!

Ob das Geschehen vor der Leinwand, auf der Leinwand oder hinter den Kulissen: Unser Filmkolumnist richtet sein waches Auge auf die Filmkultur und lässt uns wissen, was er von den Ereignissen rund ums Kino hält.


Wird das kommerzielle, von Studiobossen gesteuerte Hollywoodsystem bald von einer geradezu kommunistischen Idee bedroht? Ginge es nach Kultfilmer Kevin Smith (u.a.: «Clerks», «Dogma» und «Zack & Miri Make a Porno»), könnte das durchaus eintreffen. Sofern seine Anwälte ihm grünes Licht dazu geben.

Sie können nicht wirklich folgen? Okay, drehen wir die Uhr ein bisschen zurück: Vor einiger Zeit überkam Kevin Smith, der sich selbst trotz aller seriösen untertönen in seinen Filmen nicht als reifer Filmemacher akzeptieren kann, die Lust etwas völlig anderes als bislang zu machen und verfasste daraufhin ein überaus düsteres und pessimistisches Drehbuch für einen Thriller namens «Red State». Die Kombination aus einem so grimmigen Skript und Kevin Smiths bislang kein Stück in diese Richtung gehender Karriere schreckte sämtliche potentiellen Geldgeber in Hollywood ab. Die treue Fangemeinde Smiths möchte den Film dennoch zu sehen bekommen. Was wäre also die am nächsten liegende Konsequenz? Genau! Man bietet dem Filmemacher sein eigenes Geld an!

Gerührt, wie dringend seine Fans «Red State» sehen möchten, entwickelt der nicht sonderlich kommerziell orientierte Regisseur und Autor folgende Idee: Er verzichtet bei diesem Thriller auf seine Gage und richtet mit dem Gewinn von «Red State» einen Fond ein, aus dem weitere Problemprojekte (natürlich auch von anderen Autoren) finanziert werden. Eine demokratisch-gemeinschaftliche Internetabstimmung solle entscheiden, welche Drehbücher verwirklicht werden. Mit deren Gewinn würde eine neue Staffel an Filmen finanziert, und so weiter. Kevin Smith selbst nennt seine Idee „Indie-Movement v. 3“, in Anspielung darauf, dass mit der Schließung Miramax' das Independentkino wie wir es bislang kennen gestorben sei.

Einer solch außergewöhnlichen Idee wie einem kommunistisch-demokratischem Filmstudio liegen selbstverständlich allerhand rechtliche Steine im Weg. Was ist, wenn der zwölfjährige Duderino McDopejoint die Kreditkarte seiner Mutter klaut, um Kevin Smith, dem er seine Drogenkarriere zu verdanken hat, Geld zu schicken? Was geschieht mit „Indie-Movement v. 3“, wenn die von einer Internetgenossenschaft gewählten Projekte ihre Kosten nicht einspielen können? Und wer prüft eigentlich nach, ob Uwe Boll nicht sofort achttausend Accounts eröffnet, um für die von ihm unter anderem Namen eingereichten Drehbücher abzustimmen? So erfüllend es für die Filmwelt auch sein mag, wenn jemand, der sich mit seinem Fuß bereits in der Tür Hollywoods befindet, ein alternatives Studiosystem aufbaut, die Fallstricke sind ungezählt. Überall wo betrogen werden könnte, wird auch betrogen. Und ehe es sich der verklärt-träumende Kevin Smith versieht, nutzt jemand sein System aus und bringt die nächste Generation des Independentkinos zu Fall, bevor es überhaupt das Laufen gelernt hat.

Bleibt zu hoffen, dass Smiths Anwälte Möglichkeiten finden, dem Filmkommunismus den Weg zu sichern. Denn dieses mutige und originelle Konzept hat es verdient, sich an der Praxis auszutesten. Vielleicht funktioniert es tatsächlich für eine Weile, und Hollywood hat wieder einen vitalen, aufsässigen kleinen Bruder.
15.02.2010 00:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/40197
Sidney Schering

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Popcorn

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