Robert Downey jr., der britische Kultfilmer Guy Ritchie, Blockbuster-Mentalität und Sherlock Holmes. Ob diese kuriose Mischung aufgeht, verrät Quotenmeter.de in seiner Kinokritik.
Ob «Bube, Dame, König, grAs», «Snatch - Schweine und Diamanten» oder «Rock N Rolla»: Regisseur Guy Ritchie gelang bislang zwar nicht ans breite Publikum heran, konnte sich aber einen stolzen Kreis an Fans erarbeiten, der Ritchies kultigen Untergrundstil verehrt. Dass er gerne als britischer Quentin Tarantino bezeichnet wird, lässt sich sowohl als Lob, sowie als Plagiatsvorwurf verstehen. Aber gänzlich egal, wie man zu Ritchies kultigem Schaffen steht (seinen Ausrutscher «Stürmische Liebe - Swept Away» mit Damals-Ehefrau Madonna darf man guten Gewissens ausblenden), er stand wohl nie ihn Verdacht, bald die Fäden hinter einem aufwändigen Blockbuster zu ziehen. Aber exakt dorthin führte ihn der Weg. Und mit seiner Themenauswahl, sorgte Ritchie schnell für Aufsehen: Ausgerechnet die klassischen Detektiv-Geschichten mit Sherlock Holmes sollten für das heutige Publikum aufbereitet als Stoff eines modernen Action-Kriminalabenteuers herhalten. Ob das Sir Arthur Conan Doyle gefallen würde? Oder den vielen innigen Liebhabern der 1887 erstmals veröffentlichten Krimigeschichten mit dem überaus genialen Meisterdetektiv?
Im Vorfeld waren die Zweifel durchaus begründet, ob das Rezept “Guy Ritchie und moderne Blockbuster-Sensibilität mit der Geheimzutat Robert Downey jr.” aufgeht und einen ansehnlichen Sherlock-Holmes-Film ergibt. Denn selbst wenn der Film an sich gelingt, müsse er eigentlich weiter der selbst auferlegten Marke treu bleiben. Ansonsten hätte Guy Ritchie einfach irgendeinen Detektiven zur Zeit der Industrialisierung auf die Unterwelt loslassen können, statt den guten Namen Holmes‘ in den Schmutz zu ziehen. Letzten Endes waren die ärgsten Bedenken jedoch vergebens. Guy Ritchie bewies das nötige Fingerspitzengefühl, um dem Grundgedanken und dem Feeling der Vorlage verbunden zu bleiben, und dennoch ein aufgewecktes, modernes Kinoerlebnis zu schaffen.
Die Geschichte ist inmitten Holmes’ Karriere angesiedelt: 1891 möchte Dr. Watson (Jude Law) seine Tätigkeit als Homes’ Assistent an den Nagel hängen und mit seiner Verlobten Mary Morstan (Kelly Reilly) zusammenzuziehen. Watson versprach allerdings, Sherlock Holmes (Robert Downey jr.) bis zum endgültigen Abschluss ihres letzten Falls zu begleiten. Dieser schien erreicht, als der okkulte Ritualmorde abhaltende Lord Blackwood (Mark Strong) durch den Tod am Galgen hingerichtet wird. Drei Tage später erhalten Holmes und Watson die Nachricht, dass Lord Blackwood von den Toten auferstanden sei. Sein Grab wurde von innen heraus aufgebrochen, und jemand habe ihn auf dem Friedhof davonwandeln sehen. Holmes kann seinen beruflichen Weggefährten und Freund dazu überreden, mit ihm die mysteriöse Auferstehung Blackwoods und die vermutlich damit zusammenhängenden Morde in den darauf folgenden Tagen zu untersuchen. Während dessen begegnen sie auch Holmes Gelegenheitsliebe, der Meisterdiebin Irene Adler (Rachel McAdams), welche Holmes damit beauftragt, einen ihr angeblich bekannten rothaarigen Liliputaner ausfindig zu machen. Schnell überkreuzen sich die beiden Fälle und sogar Sherlock Holmes stößt an die Grenzen seines detektivischen Könnens.
Geprägt wird dieses Kriminalabenteuer vor allem von seinem nicht zu unrecht dafür mit dem Golden Globe ausgezeichneten Hauptdarsteller Robert Downey jr., der eine für das zeitgenössische Publikum angepasste und dennoch der exzentrischen, undurchschaubaren und genialen Natur der Figur treue Interpretation von Sherlock Holmes abgibt. Es ist eine behutsame Modernisierung des Charakters und es macht Freude, diese Auffassung des klassischen Literaturhelden auf der Kinoleinwand agieren zu sehen. Die enorme Leinwandpräsenz und verschroben-charismatische Ausstrahlung von Robert Downey jr. stellt zweifelsfrei das Erfolgsgeheimnis von Guy Ritchies «Sherlock Holmes» dar. Dennoch sollte man nicht den Fehler machen und Jude Laws Dr. Watson außer Acht lassen. Law spielt nicht den aus Basil-Rathbone-Filmen bekannten, dicklichen und leicht trotteligen Sidekick, sondern einen näher an der Vorlage orientierten Kriegsveteranen, der sich mit väterlicher Fürsorge und kumpelhafter Bissigkeit um Holmes kümmert und, wenn es nötig ist, auch für sich selbst einstehen kann, statt hinter Holmes zu verblassen.
Die restliche Darstellerriege liefert solides Mittelmaß ab. Mark Strong als Lord Blackwood hinterlässt trotz ein paar einschüchternden Monologen keinen bleibenden Eindruck, weder positiv noch negativ, während Kelly Reilly und Rachel McAdams zu wenig zu tun haben, um das in manchen Szenen spürbar große Potential hinter ihrer Darstellungen der beiden Figuren auszuschröpfen.
Vielleicht haben die Schauspieler in der Fortsetzung bessere Chancen, sich aus dem Schatten Holmes’ rauszuspielen. Angekündigt wurde ein zweiter Teil zumindest, und selbst ohne eine offizielle Bestätigung ist der Wunsch Ritchies, einen weiteren Holmes-Film zu drehen unübersehbar, schließlich öffnet er ihm schon ein wenig dreist Tür und Tor, was zu einem holprigen Ende führt, noch dazu ohne die packende Wirkung eines Cliffhangers.
Für die Fortsetzung wäre, neben der Rückkehr der wichtigsten Darsteller, auch ein weiterer Einsatz von Komponist Hans Zimmer («Der König der Löwen», «Gladiator», «The Dark Knight») wünschenswert, der für «Sherlock Holmes» eine sehr wirkungsvolle Hintergrundmusik schrieb, die mit einem für Zimmer überraschend kleinem Orchester arbeitet und die deprimierte Seite Holmes ebenso unterstreicht, wie seine exzentrisch-manische Persönlichkeit und seinen analysierenden Verstand. Das Hauptthema des Films (und seines Protagonisten) hat durchaus das Potential dazu, ein Filmmusik-Klassiker zu werden, den man noch über viele Jahre hinweg erkennt und ganz klar dieser Figur zuordnen kann. In der Fortsetzung nicht erwünscht ist dagegen die Computereffekte-Crew, die eher unterdurchschnittlich arbeitete und den Zuschauer mit auffälligen Computermaskenmalereien rausreißt. Dies ist besonders schade, weil die praktisch umgesetzten Effekte sowie die detaillierte Ausstattung des Films einen sehr guten Eindruck machen und das Publikum in genau die richtige, unterkühlte Stimmung versetzen und das zwischen Gotik und Industrialisierung stehende London zum Leben erwecken.
Insgesamt betrachtet gibt Guy Ritchies «Sherlock Holmes» ein sehr stimmiges Bild ab. Der Geist der Vorlage blieb erhalten und die eingebrachten, modernen Sensibilitäten wie etwa Zeitlupen wurden clever eingesetzt. Der zu lösende Fall hätte zwar gerne ein wenig kniffliger und aufwändiger sein dürfen, dem Spaß am Film tut dies jedoch keinen Abbruch.
«Sherlock Holmes» läuft seit dem 28. Januar in vielen deutschen Kinos.