Vom «Wendler-Clan» bis zu neuen Scripted-Realitys - welchen Weg soll der Bällchensender einschlagen?
Wer am Sonntagabend Sat.1 eingeschaltet hatte, durfte sich mit dem Bällchensender über eine neue Doku-Serie freuen: Über keinen Geringeren als den Wendler. Die Ironie in diesem Satz ist zwangläufig, betrachtet man die Sendung genauer. Der Schlagstar Michael Wendler erzählt in der neuen Sat.1-Doku am Sonntag-Vorabend in «Der Wendler-Clan» seine Geschichte: Von seinen Wurzeln in ärmlichen Verhältnissen hin zu seinem heutigen Ruhm und wie ein Wendler mit ebensolchem umgeht. Und die Quote gibt dem Schlagstar und den Produzenten dieser Fernsehsendung wieder einmal Recht: Etwas besser als Kai Pflaumes «Nur die Liebe zählt» schnitt die neue Doku-Serie mit der ersten Folge am Sonntag ab. Damit wird man zufrieden sein. Doch nach dem Inhalt fragt erneut keiner. Viel verpasst hat man nicht: Außer etwas verschüttetem Kakao, der zu einem großen Spektakel herauf beschworen wurde als handele es sich um Salzsäure oder Schlimmerem und der Selbstverliebtheit von Michael Wendler gab es nicht viel zu sehen.
„Ich weiß ja, wer ich bin, ne geile Sau“, sagt der Wendler. Mit diesem Selbstbewusstsein geht er auf die Bühne. Als ihn ein Kollege nach seinem Auftritt fragt, ob er denn mit dem Hubschrauber, dem Lamborghini oder dem 600er Mercedes angereist sei, ist der Wendler plötzlich beleidigt und echauffiert sich vor der Kamera. Dabei widerspiegelt die Doku auf Sat.1 genau diese reichen Zustände im Hause des «Wendler-Clan». Ein zweischneidiges Schwert. Natürlich ist die Familie auch immer komplett zugegen, wenn Drehzeit ist. Offensichtlich inszeniert und die Dialoge vermutlich auch so gut wie abgesprochen. Die Frage sei an dieser Stelle erlaubt: Möchte Sat.1 wirklich so wieder zurück auf die Erfolgsspur finden? Fest steht: Die zuletzt hinzu geholten neuen Gesichter des Senders wie Johannes B. Kerner und Oliver Pocher wurden bislang ihrem Heilsbringer-Status nicht gerecht, ihre Sendungen versanken im Quotentief. Vom «Fun Freitag» ganz zu schweigen. Zudem gehen diverse andere Sendungen baden – so hatte auch die Daily-Soap «Eine wie keine» nicht nur Startschwierigkeiten, sollte sie doch den werktäglichen Vorabend reformieren. Der Nachmittag läuft dank der erstarkten RTL-Konkurrenz nicht mehr ganz so rund. Quo vadis, Sat.1? Die Revolutionen des Guido Bolten scheinen derzeit nicht zu greifen.
Da ist die Meldung aus der vergangenen Woche interessant, dass Sat.1 nun auch auf den Geschmack von gescripteten Doku-Soaps gekommen ist und nun neben ProSieben innerhalb der Sendergruppe ein solches Format testen will. Der neue Vorabend am Sonntag mit dem «Wendler-Clan» passt ins Bild. Ist dies der Schlüssel zum Erfolg? Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Aus dieser Perspektive ist es nur verständlich, dass Guido Bolten mit dem Trend geht. Was bei RTL funktioniert, könnte doch auch bei in der Senderfamilie ProSiebenSat.1 klappen, wird man sich wohl gedacht haben. Doch dann geht man auf direktem Wege in die Konkurrenz-Situation, bietet dem Zuschauer ähnliche Formate an, die sich womöglich bloß einander die Zuseher hin und her schieben. Wobei RTL die Vormachtstellung in diesem Bereich derzeit nur schwer zu nehmen sein wird. Da dem Zuschauer die echte Alternative in Form einer komplett anderen Richtung von Fernsehprogramm fehlt, wird dieser doch eher auf Bewährtes setzen. Auch wenn die anfängliche Neugier die einen oder anderen Interessierten anschwemmen wird. Sollten die neuen Doku-Soaps nicht einschlagen wie eine Bombe, ist mit ihnen sicherlich keine rasche Besserung hinsichtlich der Quote zu erwarten.
Sat.1 ist daher besser beraten auf seine Qualitätsformate zu setzen. Mit König Fußball und Spielfilmen kann der Sender auch momentan noch gut punkten. Auch wenn man versucht das Profil des Familiensenders zu wahren indem man Vielfalt bietet, sollte man zumindest kurzfristig nur eine Schiene fahren. Denn das Breitspektrum abzudenken ist schwierig, da außer der Fußball-Übertragungen für die Fußballfans und einiger alter Spielfilme für das weibliche Publikum alle anderen Formate mindestens gleichwertige Alternativen zu finden sind. Möglich ist auch, dass US-Serien oder –Sitcoms künftig bei Sat.1 einschlagen könnten. Einher gehen muss da nicht nur eine Ausweitung des Crime-Sonntags. ProSieben hat es mit «Two and a half Men» vorgemacht. Ein Versuch wäre es wert. Das Ziel muss es letztlich sein, den Zuschauer durch ein besseres Alternativ-Programm zu gewinnen, nicht etwa durch die Kopien dessen, was bei der Konkurrenz erfolgreich läuft. Die größte Baustelle bleibt der «Fun Freitag» - der muss entweder komplett verändert werden oder einen neuen Namen samt neuem Anstrich erhalten. Hoffnungen darf man hier vielleicht auf Anke Engelke und Bastian Pastewka setzen – zwei alte Gesichter des Bällchensenders, die nach wie vor gut ankommen. Ihre Formate vereinen derzeit Qualität und Quote. Da auch Pochers Show ausbaufähig ist, brechen für Sat.1 im neuen Jahr Zeiten des Wandels an. Eine Veränderung muss her, neue Wege eingeschlagen werden. Schließlich ist nicht jede Veränderung schlecht, also sollte man vor ihnen nicht zurück schrecken. Erst wenn diese nicht greifen, muss man mit der Zeit gehen.
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