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«Schlüter sieht's»: Noch ein Rückblick

Jan Schlüter mit dem etwas anderen Jahresrückblick auf 2009…

Die meisten Jahresrückblicke, ob im Fernsehen oder im Internet, beschränken sich darauf, die Ereignisse der vergangenen zwölf Monate zusammenzufassen, ohne eigene Wertungen vorzunehmen. Doch wie steht es eigentlich um die Entscheidungen, die 2009 in der TV-Branche gefällt wurden? Was war im Nachhinein betrachtet richtig, was falsch? In welchem Punkt hätten die Verantwortlichen anders entscheiden sollen? Die folgenden Zeilen bewerten fünf einzelne TV-Entscheidungen, die vielleicht nicht immer auffällig gewesen sind, die aber weitreichende Konsequenzen hatten.

Falsche Entscheidung: «Big Brother 9». Am Anfang des Jahres stand es um das Container-Format gar nicht gut. Die Quoten dümpelten lange unter dem Senderschnitt; Fans kritisierten stark die fehlenden Innovationen; das Konzept hat sich erneut nicht geändert. Zwar steigerte RTL II die Zuschauerzahlen dann doch allmählich durch einen Relaunch, neue Haus-Einrichtung, modifizierte Regeln und nackte Tatsachen, doch dem Ansehen des Formats «Big Brother» hat diese unplanmäßige Kehrtwende nur geschadet. Und nun? RTL II hat wenig gelernt: Schon im Januar startet die nächste, damit zehnte Season – ohne große Veränderungen, nachdem man das Ost-West-Motto in den letzten Wochen größtenteils aufgegeben hat. Richtig wäre es, «Big Brother» eine längere Pause zu gönnen und die Show wieder als großes Event zu zelebrieren. Vielleicht denken die Verantwortlichen um, falls es bald wieder Negativrekorde hagelt…

Richtige Entscheidung: Der Relaunch von Premiere zu Sky. Wirtschaftlich ist das neue Pay-TV-Programm bisher eher ein Flop – die Erwartungen nach dem Relaunch konnten nicht erfüllt werden; Boss Mark Williams suchte kurzfristig das Weite. Dennoch war die neue Ausrichtung nur vernünftig. Premiere war als Marke aufgebraucht, die zahlreichen Imagewandel mit dem Namen haben die Zuschauer langfristig abgeschreckt. Nun setzt man auf Sky als Premium- und Luxus-TV. Einen anderen Weg kann Sky nicht gehen, nur dieser ist erfolgsversprechend. Günstige Bundesliga ist bei Arena ebenso gescheitert wie günstige Film-Pakete bei Premiere. Und die Kabelnetzbetreiber verkaufen in deutlich günstigeren Pay-Paketen die meisten Sender, die man auch bei Sky bekommt. Der Weg führt nur über Sky mit exklusivem HD-Fernsehen, teureren Konditionen und internationalem Spitzensport zum wirtschaftlichen Erfolg. Und nebenbei ist das Design der neuen Plattform hervorragend…

Richtige Entscheidung: Die gefakte «Fringe»-Werbung. Im März bewarb ProSieben den Start der US-Serie «Fringe» mit gestellten Nachrichtenszenen aus der eigenen Sendung «Newstime», die Vorkommnisse in der Serie als echt darstellte. Die Trailer erregten massives mediales Aufsehen und wurden ob ihrer Authentizität heftig kritisiert. ProSieben selbst wird sich trotz öffentlicher Entschuldigungen ins Fäustchen gelacht haben. Bessere Promotion hätte man durch diese genial inszenierte Provokation nicht bekommen können. Gelohnt hat sich der Aufreger schließlich auch: «Fringe» erzielte mit der ersten Staffel hervorragende Einschaltquoten.

Falsche Entscheidung: «Kerner» in Sat.1. Es ist ohnehin ein Sakrileg, dass in diesem Jahr die großen TV-Moderatoren Bäumchen wechsel´ dich gespielt haben, ohne darüber nachzudenken, dass ein Wechsel auch fatale Folgen haben kann. Während Oliver Pocher noch relativ akzeptable Zuschauerzahlen aufweisen konnte, war Kerners neue Show in Sat.1 von Anfang an ein Megaflop. Die Zuschauer haben die Sendung gnadenlos abgestraft – denn selbst von den wenigen, die am Anfang noch dabei waren, schalteten von Woche zu Woche immer mehr ab. Das Konzept der alten ZDF-Show größtenteils zu übernehmen und selbst die Studiodeko beizubehalten und damit dann in Sat.1 auf Sendung zu gehen – wer soll glauben, dass dies funktionieren kann? Es fehlt unseren TV-Größen ein wenig Demut gegenüber dem Zuschauer, der gutes Programm auf dem richtigen Sender mit hoher Quote honoriert. Jahrelang hatte Kerner diese hohe Quote im ZDF. Nichts ist wertvoller als dieses Gut im Fernsehgeschäft. Und doch suchte er die Herausforderung, die letztlich keine war. Kerner in Sat.1 – bisher ein einziges Missverständnis.

Richtige Entscheidung: Das Sitcom-Revival. Der Aufstieg des Senders kabel eins hängt massiv mit der Entscheidung zusammen, die Daytime zur Sitcom-Zeit zu erklären. Ob Klassiker wie «Eine schrecklich nette Familie» oder kontemporäre Serie wie «Two and a Half Men» – die Quoten sind immerzu stark. Kabel eins hat die Zeichen der Zeit richtig erkannt und damit ein Genre wiederbelebt, das jahrelang brach gelegen hat. Übrigens ist das Sitcom-Revival kein deutsches Phänomen. Auch im Mutterland USA befinden sich die halbstündigen Comedys wieder auf dem Siegeszug. Einen noch mutigeren Schritt ging ProSieben, als man im August die neuen Folgen von «Two and a Half Men» in die Primetime nahm. Dies war die erste Sitcom auf einem Abend-Sendeplatz bei einem der großen Sender seit Jahren – und sie wurde zum riesigen Erfolg. Die Marktanteile stiegen stetig, erst im Dezember gab es neue Rekordzahlen. Und gleichzeitig verbannte ProSieben die unsäglichen Trash-Sendungen auf den Fernsehfriedhof, die sonst am Dienstag ausgestrahlt wurden.

Mögen die Senderverantwortlichen im kommenden Jahr 2010 viele richtige Entscheidungen treffen – gute Vorsätze werden sie sich höchstwahrscheinlich gemacht haben.

Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Donnerstag nur auf Quotenmeter.de.
31.12.2009 00:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/39328
Jan Schlüter

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Schlüter siehts

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