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«Schlüter sieht's»: Daneben genial
Wäre die Einstellung des langjährigen Formats «Genial daneben» ein gutes Zeichen für die TV-Landschaft?
Aktuell befinden sich Sat.1 und die Produktionsfirma Hurricane in Verhandlungen über eine Fortsetzung der Comedy-Spielshow «Genial daneben», die seit Januar 2003 beim Bällchensender jeweils samstags am späten Abend ausgestrahlt wird. Hinlänglich bekannt ist, dass es viele Monate und einige Design-Umstrukturierungen brauchte, bis das Format gute Quoten erzielte und folgerichtig zu einem großen Zuschauerhit wurde, der Impro-Comedys wie der «Schillerstraße» den Weg auf die Bildschirme ebnete. Dass «Genial daneben» aber möglicherweise vor dem Aus steht, zeigen erst jetzt die zähen Verhandlungen zwischen Sat.1 und Hurricane.
Der Sender will nicht mehr so viel für die Produktion zahlen wie zuvor – wirtschaftlich vernünftig, wenn man sich die stetig fallenden Einschaltquoten der Show ansieht. «Genial daneben» hat seine beste und erfolgreichste Zeit hinter sich. Und doch wäre die Einstellung ein falsches Signal für die Fernsehlandschaft: Denn die Sendung ist ein zeitloser Klassiker, dessen Konzept auch in zehn Jahren noch funktionieren könnte. Was «Wer wird Millionär?» für die Quizshow ist, das ist «Genial daneben» im Comedy-Bereich.
Die Show ist gerade deswegen so zeitlos und großartig, weil sie nicht geskriptet ist und spontan produziert wird. Hier trifft sich die komödiantische Elite Deutschlands – nicht um wissensgestählt kuriose Fragen richtig zu beantworten, sondern um zu zeigen, wie schlagfertig und humorvoll sie ist. Viele sind schon an dem Impro-Format gescheitert, viele haben in «Genial daneben» bewiesen, dass sie keine guten Humoristen sind. Um eine Floskel zu bemühen: Hier trennt sich die Spreu vom Weizen.
Und gerade wegen des improvisierten Konzepts überdauert «Genial daneben» die Jahre. Ähnliche Formate wie «Die Wochenshow» oder «7 Tage, 7 Köpfe» wurden irgendwann deshalb langweilig, weil dieselben Autoren jahrelang dieselben Gags geschrieben haben, die von den Comedians dann nur noch abgelesen wurden. Bei «Genial daneben» könnte dies nie passieren, denn es gibt keine Autoren. Es kommt einzig und allein auf die Besetzung des Panels an, das die Fragen beantwortet.
Warum also sind die Quoten mittlerweile so schlecht? Der Samstags-Sendeplatz in Sat.1 war und ist der seit Jahren ein sehr schwieriger, der im Normalfall keinen Quotenerfolg verspricht. Es ist umso höher einzuschätzen, dass «Genial daneben» dort jahrelang gute Werte verzeichnen konnte. Ebenso verhält es sich mit dem Sendeplatz am Freitag um 20.15 Uhr, den das Format von 2004 bis 2006 inne hatte: Die Quoten waren gut bis durchschnittlich – keine einzige Sendung, die danach in Sat.1 auf diesem Sendeplatz ausgestrahlt wurde, erreichte auch nur annähernd solche Werte wie «Genial daneben». Ein Sendeplatzwechsel gepaart mit frischen Gesichtern im Panel neben Hella von Sinnen und Bernhard Hoecker könnte die Zuschauer wieder zum Einschalten bewegen.
«Genial daneben» ist eine Institution im deutschen Fernsehen und sollte von Sat.1 nicht so schnell eingestellt werden. Schon allein auch deswegen, weil es eines der letzten guten Comedy-Formate ist. Die Qualität der Sendung ist weiterhin hoch, auch wenn nicht mehr so viele Menschen zuschauen wie zuvor. Und wenn der Sender das Programm am späten Samstagabend absetzen sollte, droht ein ähnliches Desaster wie zuvor am Freitag: Dann könnte es Jahre dauern, bis man wieder einen akzeptablen Ersatz mit ähnlichen Quoten gefunden hat.
Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Donnerstag nur auf Quotenmeter.de.
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