Das gute und nervige im Kino, das auffällige und das, was im Verborgenen bleibt. Ob das Geschehen vor der Leinwand, auf der Leinwand oder hinter den Kulissen: Unser Filmkolumnist richtet sein waches Auge auf die Filmkultur und lässt uns wissen, was er von den Ereignissen rund ums Kino hält.
Im Aushang meines örtlichen Kinos kann man seit wenigen Tagen ein neues Banner betrachten: "Seht den neuen Trailer zu 'Avatar', ab sofort vor '2012'!"
So weit ist es mit dem "Avatar"-Hype also schon gekommen, dass im Kino darauf hingewiesen wird, vor welchem Film der neue, überlange (und langwierige) Trailer zu James Camerons schweineteures Sci-Fi-Abenteuer läuft. Außerdem werde ich immer und immer wieder gefragt, was ich denn vom Trailer halte, und von den neuen Bildern, und vom Film überhaupt, und wie erfolgreich das wohl wird, und und und... Meine liebste Frage: Wie bahnbrechend schätze ich "Avatar" ein?
Richtig gelesen. Ich werde nicht gefragt, ob ich denke, dass "Avatar bahnbrechend sein könnte. Dass er ein Meilenstein wird, das steht anscheinend schon in Stein geschrieben, bloß die Größe der nahenden Sensation ist angeblich bislang nicht abzusehen.
"Avatar" hier, "Avatar" dort, "Avatar" überall: Ich kann es nicht mehr hören!
Wenn es nur schlichte Vorfreude wäre, aber nein, es besteht eine universelle Gewissheit, dass "Avatar"das Kino revolutionieren und einer der erfolgreichsten Filme aller Zeiten wird, wenn nicht sogar die neue Nummer Eins.
Dabei kann das derzeit gar niemand beurteilen.
Das einzige, was man jetzt schon über "Avatar" sagen kann ist, dass der Film ein gelungenes Beispiel für eine erfolgreiche Vermarktungsstrategie darstellt. Die strenge, jahrelange Geheimnistuerei und die immer wieder hinter vorgehaltener Hand getätigten Lobeshymnen über die im Film verwendete Computertechnik heizten nicht bloß eine unglaubliche Neugierde beim Kinopublikum an, es begann plötzlich von sich aus die Überzeugung zu entwickeln, dass "Avatar" zum besten und erfolgreichsten der Kinogeschichte gehört. Egal ob Durchschnittskinogänger, die mit Ehrfurcht über "Avatar" sprechen, oder Filmjournalisten, die "Avatar" schon jetzt auf Filmhitlisten dieser Dekade setzen, sie alle sind mit der Avatar-itis infiziert.
Bislang kann so gut wie niemand sagen, ob "Avatar" nicht einfach ein kostspieliger Flop wird. Anders, als bei weiteren demnächst startenden, schon im Vorfeld gelobten Filmen wie etwa Rob Marshalls Musical "Nine", wurde der komplette Film noch keinen Kritikern vorgeführt. Auf der diesjährigen Comic Con gab es zwar eine ausführliche Vorschau, doch die wurde mit eher gemischten Gefühlen aufgenommen. Woher also diese Sicherheit, wie toll "Avatar" auf jeden Fall sein werde? Offensichtlich nicht aus dem neuen Trailer, dem mein örtliches Kino ein eigenes Banner spendierte.
Von der sensationellen Computergrafik ist nichts zu sehen, stattdessen sieht man bescheiden gestaltete, sehr gut animierte Schlumpf-Elf-Indianer, die im Krieg mit den Menschen stecken. "Pocahontas 3000" ist der Plot, den uns dieser Trailer schmackhaft machen möchte. "Avatar" scheint ein aufwändiges Mammutspektakel mit sehenswerten Hintergründen zu sein. Geht es nach dem Trailer, ist es allerdings kein Meilenstein der Filmgeschichte.
Aber was hilft mein Jammern und Klagen? Die Kinowelt ist gespannt wie ein Flitzebogen und die Erwartungen sind nahezu unerreichbar.
Entweder sie werden erfüllt und wir dürfen uns über einen außerordentlich gelungenen Film freuen, oder sie werden enttäuscht und ich darf mich im Recht fühlen. So oder so wird es für mich eine aufregende Winter-Kinosaison.
Am 17.12 werden wir endlich erfahren, ob "Avatar" das hält, was sich alle versprechen.