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Die Kritiker: «37 Grad: Wenn Kinder ihr Bestes geben»

Inhalt


Die Reportagereihe begleitet vier Kinder ein Jahr lang und beobachtet, welchen Stress, welche Angst und Sorgen sie in der vierten Klasse haben, bevor sie den unterschiedlichen Schulsystemen zugeteilt werden. Anna und ihre Mutter haben in diesem letzten Jahr der Grundschule nur ein Ziel vor Augen: das Gymnasium. Auch Alina steht unter Druck. Sie ist gerade mit ihren Eltern und ihren zwei Schwestern in eine neue Stadt gezogen und muss sich erst in der Klasse eingewöhnen. Jean-Paul hingegen hat die Realschule knapp verfehlt. Er müsste nächstes Jahr erst einmal auf die Hauptschule gehen und könnte ein Jahr später versuchen auf die Realschule zu wechseln. Ein ganz anderes Problem hat Noah. Sein Zwillingsbruder Jaron ist Klassenbester und geht mit ihm in dieselbe Klasse. Werden Anna, Alina, Jean Paul und Noah den Sprung auf ihre "Wunschschule" schaffen?

Kritik


Die Reihe «37 Grad» ist dafür bekannt, brisante gesellschaftliche Themen hautnah aufzugreifen. Menschen mit Behinderung, Kindesmisshandlungen oder Zwangsadoptionen waren Themen der vergangenen Monate. Daher erscheint die aktuelle Ausgabe zunächst etwas seichter. Geht es doch nicht um soziale Randgruppen, sondern um Kinder von mittelständischen Familien. Es wird aber schnell klar, dass in dieser scheinbar heilen Welt auch einiges schief läuft. Zwar werden die Kinder dort nicht körperlich geschlagen, aber dafür einem psychischen Druck ausgesetzt, dem sie kaum Stand halten können. Schon bei der Vorstellung der Kinder wird deutlich, welchen Erwartungen sie ausgesetzt sind. Sie dogmatisieren die Hauptschule ohne genau zu wissen warum. Anna gibt beispielsweise an, ihre Mutter nicht enttäuschen zu wollen. Diese hat ihr zuvor die Entscheidung über ihre Zukunft abgenommen, denn Anna ist dafür noch zu klein.

Die Ereignisse im Laufe des entscheidenden Schuljahres sind auf den ersten Blick sicher nicht so schockierend wie die Prügelbilder bei der «Supernanny». Doch die kleinen Randbemerkungen geben einen viel größeren Einblick in die heimischen Verhältnisse. Etwa, wenn Annas Mutter sauer und wütend ist, als ihre Tochter erstmals in ihrer Schullaufbahn eine „4“ mit nach Hause bringt und sie deswegen gleich einen Termin bei der Lehrerin geben lässt oder ihr das Schulbuch schon demonstrativ auf den Frühstückstisch legt. Zwar sprechen es die Kinder nicht aus, doch man erkennt in ihren Aussagen wie unwohl sie sich mit der Situation fühlen. Hier ist beim Zuschauer eine erhöhte Aufmerksamkeit gefordert, denn es gibt keine moralisch, wertende Stimme, die die Quälereien auf den Punkt bringt.

Da alle vier portraitierten Kinder diesem Druck ausgesetzt sind – mal mehr, mal weniger, fehlt der Dokumentation jedoch ein positives Gegenbeispiel. Vielleicht ein Schüler, der seinen tatsächliches Begabungen entsprechend gefördert wird oder jemand, der gezeigt hat, dass ein Hauptschüler nicht automatisch Hartz-IV beziehen muss. Es werden keine besseren Alternativen oder Lösungsgedanken aufgezeigt. Damit bleibt die Dokumentation lediglich eine Momentaufnahme. Eltern, die die Sendung sehen und sich eventuell ähnlich verhalten, werden nichts dabei lernen können. Außer vielleicht, welche weiteren Drillmethoden es noch gibt.

Trotzdem ist der Film von Maike Conway äußerst sehenswert. Er zeigt wie schon die schwächsten Mitglieder unser Gemeinschaft von der immer stärker werdenden Leistungsgesellschaft zerbrochen werden und dass der Fokus der Kinderschützer und Jugendämter nicht nur auf verwahrlosten Kindern liegen sollte. Auch in den vermeintlich guten Häusern finden Grausamkeiten statt – auch wenn diese nur aus guten Absichten geschehen. Aber wie heißt es doch so schön: Der Weg zur Hölle ist gepflastert mit guten Absichten.

Das ZDF strahlt «37 Grad: Wenn Kinder ihr Bestes geben» am Dienstag, den 6. Oktober 2009, um 20.15 Uhr aus.
05.10.2009 14:01 Uhr Kurz-URL: qmde.de/37650
Christian Richter

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37 Grad

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