Story
Deutschland im Oktober 1961 – ein gespaltenes Land im Zentrum des Kalten Krieges. Im Westen die Wirtschaftswunder-BRD, im Osten der Arbeiter- und Bauernstaat DDR. Und mittendrin auf der Ostseite, im thüringischen Grenzgebiet, ein kleiner, auf drei Seiten von Stacheldraht und Niemandsland umrahmter Ort voller widerspenstiger Zeitgenossen: Böseckendorf. Zwei Monate nach dem Bau der Mauer in Berlin soll nun auch hier die Befestigung der Staatsgrenze forciert werden, doch die Bewohner der kleinen Gemeinde können sich nur sehr schwer mit den damit einhergehenden Veränderungen anfreunden.
Seit Generationen haben sie hier ihr Land bestellt, und so soll es auch bleiben. Bürgermeister Manni Lantz ein überzeugter Kommunist, versucht beharrlich, die Einwohner von den Vorzügen einer landwirtschaftlichen Genossenschaft, kurz „LPG“ genannt, zu überzeugen. Leider ohne Erfolg, zum Leidwesen der SED-Funktionäre Robert Grewe, Jutta Marx und Genosse Wöhler aus der Kreiszentrale in Erfurt.
Überhaupt tanzt dieses Dorf ständig aus der Reihe. Die FDJ-Hemden werden lieber den Vogelscheuchen auf den Feldern übergestülpt, anstatt sie selbst mit Stolz zu tragen. Und auch die fähnchenschwingende Teilnahme an den jährlichen Feierlichkeiten zum Republikgeburtstag am 7. Oktober in der Kreisstadt haben die meisten Dorfbewohner bislang boykottiert.
All das soll sich nun ändern, rechtzeitig zum zwölften Jahrestag der Republik. Die ehrgeizige Genossin Marx verspricht, der Widerborstigkeit der Böseckendorfer Bauern ein Ende zu machen und bei dieser Gelegenheit auch gleich den ominösen
„Schleuser“ aus dem Verkehr zu ziehen, der in der Region seit geraumer Zeit unerkannt DDR-Bürgern die Flucht in den Westen ermöglicht. Als Trumpf soll ihr dabei der Spitzel dienen, der den Staatsapparat mit brisanten Informationen aus Böseckendorf versorgt.
Als Manni zur SED-Kreisleitung nach Erfurt zitiert wird, gelingt ihm in einem unbeachteten Moment ein kurzer Blick in eine streng vertrauliche Akte. So erfährt er von der Aktion „Kornblume“, bei der renitente und nicht linientreue Bewohner einfach „umgesiedelt“ werden sollen. Dies soll bereits kurz nach den Feierlichkeiten zum Jahrestag passieren. Manni ist fassungslos.
Darsteller
Anna Loos («Das Wunder von Berlin») ist Tonia Lantz
Thure Riefenstein («Jack Hunter…») ist Manni Lantz
Andreas Pietschmann («GSG 9») ist Harald Bittmann
Horst Janson («Totgesagte leben länger») ist der Pfarrer
Esther Zimmering («Schwesterherz») ist Christa Esther
Rainer Piwek («Der Lehrer») ist Karl
Rebecca Immanuel («Edel & Starck») ist Jutta Marx
Johannes Brandrup («Die Hitzewelle») ist Robert Grewe
Kritik
In Kürze jährt er sich wieder: Der Tag der deutschen Einheit. In kommenden Jahr feiern wir 20 Jahre Wiedervereinigung und da ist es klar, dass die Fernsehsender das Thema DDR nun noch einmal vermehrt aufgreifen. So ist es auch im neuen Sat.1-Eventfilm «Böseckendorf – Die nacht, in der ein Dorf verschwand» passiert. Das Thema neu erfunden hat die Produktion freilich nicht und dennoch unterscheidet sich sich von Eventproduktionen aus dem Hause teamWorx, die oftmals doch recht ähnliche Herangehensweisen hatten. So viel muss gesagt sein: Auf Herzschmerz verzichtet der Film natürlich nicht ganz, die Sache wird allerdings anders aufgezogen als man es von ähnlichen Produktionen kennt.
Die Geschichte ist daher akzeptabel und man hat nicht das Gefühl, dass eine historische Begebenheit rund um eine Liebesgeschichte gebaut wurde. Es wäre vermutlich auch seltsam, hätten die beiden Autoren Thomas Pauli und Daniel Maximilian gänzlich auf Gefühl in dem Film verzichtet. Das Thema an sich ist aber durchaus ernst, vor allem, wenn man bedenkt, dass der Stoff auf einer wahren Begebenheit beruht.
Am 02. Oktober 1961 machten 53 Bewohner aus Böseckendorf in der Tat in einer Nacht und Nebel-Aktion von Ost nach West rüber und trotz dieser Tragik traute sich das Team um Regisseur Oliver Dommenget, den Stoff mit recht viel Witz anzugehen. Für Sat.1 produzierte der Regisseur zuletzt «Der Amokläufer», zudem inszenierte er mehrere Folgen von «Der Dicke». Man kann also behaupten, dass «Böseckendorf» durchaus eines der größten Projekte in seiner Laufbahn ist und er muss sich deshalb nicht verstecken.
Der Humor passt, wird an den passenden Stellen eingesetzt und frischt die Produktion auf. Mit sehr viel Liebe ins Detail – aber das kann man von solchen Filmen – wurden viele Retro-Utensilien eingesetzt, die vor allem älteren Bürgern im Osten ein nostalgisches Gefühl vermitteln dürften. Alles war ja schließlich auch nicht schlecht in der DDR. Auch schauspielerisch überzeugt der Film: Hier stechen in der erster Linie Andreas Pietschmann, Rebecca Immanuel und auch Johannes Brandrup heraus, wenngleich die beiden letzten aus vielen Sat.1-Filmen möglicherweise etwas verbraucht sind. Rebecca Immanuel hat allerdings noch einen großen «Edel & Starck»-Bonus, der eigentlich jegliche Kritik an ihr von vornherein verbietet.
Weil «Böseckendorf» aber kein 0815-Sat.1-Film ist, können auch sie glänzen. Zu bemängeln gibt es am Film eigentlich wenig und genau deshalb ist er auch ein absoluter Tipp für den kommenden Dienstagabend. Lediglich die ersten 15 Minuten verlaufen möglicherweise etwas zu schleppend, das große Fieber packt den Zuschauer sicherlich erst etwas später. Wer diese Zeit aber übersteht, wird dann auch mit einem tollen Film belohnt.
Sat.1 zeigt «Boeseckendorf – Die Nacht, in der ein Dorf verschwand», am Dienstag, 22. September 2009, um 20.15 Uhr. Ab 22.25 Uhr folgt zudem eine Dokumentation zu dem Thema.