Bislang ist ein TV-Duell zwar noch nicht in trockenen Tüchtern, aber die Fernsehsender gehen von einem Aufeinandertreffen der Kanzlerkandidaten aus.Pro von Fabian Riedner
Wenn rund 20 Millionen deutsche Bundesbürger vor dem Fernseher sitzen, dann spielt die Nationalmannschaft bei einer Fußball-Europa oder –Weltmeisterschaft. Doch alle vier Jahre sind diese exzellenten Einschaltquoten auch im September möglich, denn dann wird geboxt – allerdings nur verbal. Mit dem ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder fing die Debatte im Jahr 2002 an, da das Parlament bereits nach drei Jahren aufgelöst wurde, duellierten sich Schröder und die derzeitige Kanzlerin Angela Merkel schon 2005.
Nach einer Legislaturperiode stehen bekanntlich die Wahlen an, ein TV-Duell soll bei der Wahlentscheidung helfen. Denn dort sind die zwei wichtigsten Parteien – SPD und Union – in einer Sendung zu Gast und präsentieren dort die wichtigsten Eckpunkte ihres Wahlprogramms. Der Zuschauer kann so schnelle und kompakte Informationen aufnehmen und muss sich nicht durch dicke und unverständliche Wahlprogramme kämpfen. Ohnehin ist es für den Zuschauer weitaus aufschlussreicher, wenn ein Politiker auf eine Frage mit einer simplen Antwort antwortet und eben kein langes Statement kommt.
Selbst in den Vereinigten Staaten ist das Bild nicht anders: Die Republikaner und die Demokraten treffen sich vor der Wahl mehrfach und beleuchten ihren Standpunkt. Was viele nicht wissen: In den USA treten noch weitaus mehr Parteien an, doch auch diese werden – wie hierzulande – von dem Fernsehduell ausgeschlossen. Denn für eine Partei wie die FDP, die Grünen oder Die Linken ist es unmöglich, alleine das Land zu regieren.
Fernseh-Duelle sind für das Volk ein riesen Vorteil, denn so werden die Zuschauer direkt ohne Umwege angesprochen. Zudem werden die Inhalte nicht von der Presse vorher gefiltert, wie es schon seit Jahren der Fall ist. Was ein Kanzlerkandidat beziehungsweise eine –Kandidatin sagt, wird auf jeden Fall an die Bundesbürger weitergegeben. Zensur, sei es absichtlich oder einfach aus Zeitgründen, findet bei einem Duell nicht statt.
Contra von Christian Richter
Die Frage, ob ein TV-Duell bei einer Wahlentscheidung hilft, trifft den Kern eigentlich nicht exakt. Viel wichtiger ist die Frage, ob ein Duell eine Grundlage für eine fundierte(!) Entscheidung sein kann. Zwar mag sich die Idee eines direkten Vergleiches der Spitzenkandidaten durchaus sinnvoll anhören, doch zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass eine solche Fernsehsendung diese Basis gerade nicht liefern kann.
Das enge Konzept der Sendung schreibt dafür zu viele Beschränkungen vor. So sind die Anzahl der Themenschwerpunkte und der Fragen sowie die Dauer der Antworten der Kandidaten von vornherein genauen Regeln und Zeitvorgaben unterworfen. Diese engen Grenzen lassen eine konstruktive Diskussion gar nicht erst aufkommen. Vielmehr entwickeln sich Zwiegespräche zwischen den Moderatoren und den Kandidaten, wie man sie auch von gewöhnlichen Interviews kennt.
Durch die festen Zeitvorgaben, die oft nur wenige Minuten pro Antwort zulassen, können zudem wichtige Themen nicht ausführlich besprochen, sondern allenfalls oberflächig angerissen werden. Oft unterscheiden sich die Aussagen der Teilnehmer daher kaum von den auswendig gelernten Wahlkampfslogans der Parteien. Da aber auch für die Moderatoren kaum Raum für kritische Rückfragen besteht, bleiben diese Slogans meist unkommentiert und unkorrigiert. Ohnehin sind die TV-Duelle mit Polemik und persönlichen Angriffen gegen den jeweiligen Gegner angefüllt, was zusätzlich dafür sorgt, dass die politischen Inhalte zu kurz kommen. Zu groß ist ihre Sehbeteiligung und damit die mediale Aufmerksamkeit. Ein Duell muss damit zwangsläufig auch immer im unproduktiven Niedermachen des Gegners enden.
Das Format des TV-Duells insgesamt, so wie es aus den USA bei uns eingeführt wurde, ist zudem für unser politisches System ungeeignet. Schließlich besteht unser System nicht nur aus zwei Parteien. In den Duellen dürfen sich jedoch nur die Spitzenkandidaten von CDU und SPD präsentieren. Die kleinen Parteien, die mitunter das Zünglein an der Waage bedeuten und zum Teil Regierungsverantwortung erhalten könnten, bleiben außen vor. Selbst wenn in diesem Jahr das gesondertes Duell mit Grünen, FDP und Linkspartei zustanden kommen sollte, bleiben weiterhin die noch kleineren Gruppierungen unberücksichtigt. Schließlich stehen am 27. September nicht nur die beiden Hauptparteien, sondern insgesamt 29 Parteien zur Wahl. Gerade in der aktuellen Stimmungslage, in der die beiden großen Volksparteien immer mehr Wähler an kleinere Gruppierungen verlieren, darf man sich bei einer solchen Diskussion nicht nur auf die beiden großen Fraktionen beschränken.
TV-Duelle führen zu einer extremen Reduzierung der Inhalte und schließen den allergrößten Teil der zur Wahl stehenden Organisationen aus. Auf dieser Basis können sie keine verlässliche Grundlage für eine Wahlentscheidung sein. Sie können bestenfalls eine Orientierung oder eine Ergänzung zu einer eigenen, kritischen Auseinandersetzung mit den Programmen der Parteien liefern. Sie werden diese wichtige Pflicht eines jeden Wählers jedoch nie ersetzen können.