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«Schlüter sieht's»: RTL auf Probe

Alle Aufregung umsonst: «Erwachsen auf Probe» war kein Publikumsmagnet – und die Zuschauer sind um eine Erkenntnis reicher.

Am Mittwoch startete nun das Doku-Format «Erwachsen auf Probe» bei RTL wie geplant, obwohl es im Vorfeld harte Kritik von Medienwächtern und Kinderschützern gab. In dem Format geht es darum, dass sich Teenager mit Kinderwunsch einer „sozialen Reifeprüfung“ unterziehen und testweise den Alltag mit einem Baby verbringen müssen. Die Kritiker betonten im Vorfeld stets die Wohlgefährdung des Kindes, das der echten Mutter entzogen würde und für ein TV-Format als „Dummy“ herhalten müsse. Trotz aller Hindernisse durfte RTL die Sendung dennoch planmäßig am Mittwoch beginnen. Aber hat die Aufregung nun irgendeinen Zweck gehabt?

Der ehemalige RTL-Chef Helmut Thoma, einer der Wenigen, der das TV-Geschäft in- und auswendig kennt, betonte im Interview mit dem „Tagesspiegel“ den PR-Charakter einer solchen Diskussion um «Erwachsen auf Probe»: „Für die Sender ist die Aufregung sehr nützlich. Die Aufmerksamkeit, die so erzeugt wird, könnte man mit einer Riesenwerbekampagne nie erreichen.“ Dass RTL Tabus für die Quote brechen will und bewusst auf Skandale setzt, vermutete Thoma zwar nicht direkt, allerdings war es schon für ihn damals ein klar forciertes Mittel zur Steigerung der Zuschauerzahlen: „Ich habe das zu meiner Zeit als RTL-Geschäftsführer sehr bewusst eingesetzt, wobei unsere Tabubrüche durchwegs harmlos waren.“

Letztendlich war das Format aber nicht so spektakulär, als dass die Fernsehzuschauer sonderlich interessiert daran gewesen wären: Mit insgesamt knapp über 3 Millionen Zusehern und einem Marktanteil von 19,1 Prozent in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen war die erste Folge nicht erfolgreicher als andere Formate auf diesem Sendeplatz wie die «Super Nanny». Im Gegenteil könnte es in den folgenden Wochen noch bergab nehmen, wenn vorausgesetzt wird, dass wirklich einige Menschen nur des vorherigen PR-Effekts wegen eingeschaltet haben.

Es ist ersichtlich, dass die medienwirksame Kritik im Vorfeld also zumindest nicht dazu beigetragen hat, das Format übermäßig erfolgreich zu machen. Dies könnte letztendlich auch daran liegen, dass das Konzept der Sendung gar nicht so spektakulär ist, wie es zunächst den Anschein hat: Immerhin gibt es seit Jahren schon innerhalb des Nachmittagsprogramms Sendungen über Teenie-Mamas oder solche, die es werden wollen.

«Erwachsen auf Probe» ist daher eine nur etwas modifizierte und verschärfte Version beliebter Themenschwerpunkte diverser Boulevardmagazine, die in der Primetime läuft. PR funktioniert also nicht immer, sondern nur, wenn das Format, was dahintersteckt, auch wirklich interessant ist. In diesem Fall war wohl alle Aufregung umsonst. Besser sollte sich nun RTL selbst auf die Probe stellen: Ist es wirklich nötig, immer mehr solcher unsäglichen Pseudo-Dokus mit lanciertem Skandal-Faktor und eingebauter Familienstreit-Garantie über den Bildschirm flimmern zu lassen? Dass es auch anders geht, zeigen die guten und erfolgreichen RTL-Dokus wie «Der Hotelinspektor» oder «Rach, der Restauranttester».

Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt ein paar neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Freitag nur auf Quotenmeter.de.

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05.06.2009 00:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/35335
Jan Schlüter

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