Story
Am frühen Abend meldet die hochschwangere Nadine Nowak das Verschwinden ihrer achtjährigen Tochter Michelle – wenige Stunden später wird die Leiche des Mädchens auf einem Schiffsdeck im Kieler Hafen entdeckt. Als sie von dem Tod ihrer Tochter erfährt, bricht sie zusammen: Ihre Ehe mit Thies Nowak steht auf der Kippe, das gemeinsame Restaurant steht kurz vor der Pleite und das Familienleben ist alles andere als harmonisch – zu viel für die junge Mutter.
Doch als sei der Tod ihres Kindes noch nicht genug, ergibt die Obduktion von Michelles Leiche, dass das Mädchen jahrelang geschlagen wurde. Kriminalkommissar Borowski und Psychologin Frieda Jung sind gezwungen, das familiäre Umfeld unter die Lupe zu nehmen. Je mehr Licht Borowski und Jung ins Dunkel des Familienlebens bringen, desto mehr offenbart sich den Ermittlern ein Drama zwischen Liebe, Gewalt und großen Hoffnungen: Seit einigen Wochen hat Thies Nowak, der bereits wegen Körperverletzung verurteilt worden ist, wieder Kontakt zu seiner Exfreundin Saskia, Nadine Nowak lebt in einer naiven Traumwelt, um der dominanten Mutter zu entfliehen, die Nachbarn berichten von ständigem Streit und Gewalt in der Familie und der junge Kellner Tim Hansen scheint mehr als eine freundschaftliche Beziehung zu Michelle gehabt zu haben. Für Borowski und Jung beginnt der schwere Weg in eine familiäre Welt, die nach außen vorgibt, perfekt zu sein.
Darsteller
Axel Milberg («Doktor Martin», «Stauffenberg») ist Klaus Borowski
Maren Eggert («Das Experiment», «Donna Leon») ist Frida Jung
Thomas Kügel («Großstadtrevier», «Kleine Haie») ist Roland Schladitz
Katharina Wackernagel («Contergan», «Der Baader Meinhof Komplex») ist Nadine Nowak
Fabian Hinrichs («Sophie Scholl – Die letzten Tage», «Die Bluthochzeit») ist Thies Nowak
Vivien Ciskowski ist Michelle Nowak
Marita Breuer («Heimat – Eine deutsche Chronik», «Maddin in Love») ist Vera Zimmer
Edward Piccin («The Ring Thing», «Asterix und die Wikinger») ist Tim Hansen
Karin Giegerich («Zwei Asse und ein König», «Sternzeichen») ist Saskia Fröhlich
Kritik
Dass sich die «Tatort»-Reihe in ihrer fast vierzigjährigen Sendezeit als sonntägliche Institution im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen etabliert hat und nach wie vor für Diskussionen sorgt, ist vor allem ihrer Vielschichtigkeit und Aktualität geschuldet. Während Mehmet Kurtulus als Cenk Batu in der Hamburger Ausgabe des «Tatort» als verdeckter Ermittler mit juvenilem Leichtsinn die Krimiserie – zumindest gefühlt – in die Moderne gehievt hat, bedient Axel Milberg als Klaus Borowski, der mit kriminalistischem Spürsinn und konventioneller Ermittlungsarbeit erfolgreich ist, eher altbekannte Vorstellungen. Langweilig ist der neue «Tatort» dabei aber keineswegs, thematisiert er schließlich ein hochaktuelles Thema und beweist damit den Facettenreichtum der Serie.
Gewiss, Borowski kann es nicht mit der Agilität und dem satirischem Biss seiner Kollegen aufnehmen und scheint mit dem anfänglichen Mord einen grundsoliden Kriminalfall bearbeiten zu müssen – doch weit gefehlt: Die Spurensuche entwickelt sich zu einem hochemotionalen und psychologisch vertracktem Spiel zwischen falschen Beziehungen und enttäuschten Hoffnungen, neurotischer Liebe und Überforderung.
Denn der Kindesmord an der achtjährigen Michelle, die mit ihrer eigenen Jacke erdrosselt auf einem Fährschiff gefunden wird, führt zu einem wahren Familiendrama – das Mädchen weist alte Hämatome und einen verheilten Rippenbruch auf, die hochschwangere Nadine Nowak leidet unter ihrer dominanten Mutter und sieht in ihrem Ehemann Thies einen Beschützer, während der ehemalige Häftling die naive Schwäche seiner Frau ausnutzt, das gemeinsame Restaurant steht vor der Pleite, Thies hat seit einigen Wochen Kontakt zu seiner Exfreundin, sein Kellner Tim Hansen scheint eine unnatürlich enge Bindung zu Michelle gehabt zu haben und die Nachbarn erzählen von familiärer Gewalt. Für die psychisch angeschlagene Nadine entwickelt sich der Fall zu einem strapaziösen Fiasko, das sie nervlich kaum aushält, während ihr Mann immer wieder seine Unschuld beteuert und dabei in alte Gewaltmuster verfällt.
Hochgradig feinfühlig und mit Gespür für die besondere Thematik hat Regisseur Florian Froschmayer einen ruhigen, dafür in seiner Tragweite erdrückenden Film geschaffen, der den Zuschauer mitfühlen lässt. Die heiklen Themen des Kindsmordes und der Gewalt an Kindern können nicht unter dem Mantel des heilen Familienlebens versteckt werden und bewirken vor allem im Falle Borowskis eine emotionale Gereiztheit, die dem Zuschauer einprägsame Momente beschert. Psychologisch erdrückend und schauspielerisch mehr als gelungen, ist der neue «Tatort» ein Film zwischen Familiendrama und Krimi, der von seiner trügerischen Ruhe lebt. Unbedingt anschauen!
Das Erste zeigt «Tatort: Borowski und die heile Welt» am 04.Mai 2009 um 20:15 Uhr.