Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 30: Die blasse deutsche Kopie von David Letterman.
Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir dem ersten deutschen David Letterman.
Die «RTL Nachtshow» wurde am 16. Mai 1994 bei RTL geboren und entstand zu einer Zeit, als der Moderator Thomas Gottschalk mit seiner Sendung «Gottschalk Late Night» eine tägliche Talkshow am späten Abend präsentierte. Anders als es ihr Name vermuten lässt, handelte es sich dabei aber eher um ein Personalityformat mit prominenten Gästen als weniger um eine klassische Late-Night-Talkshow, wie man sie von Jay Leno («Tonight Show»), David Letterman («Late Show») oder Conan o’Brien («Late Night») aus dem Fernsehen der USA kannte. Als Gottschalk im Frühjahr 1994 in die Sommerpause ging, wollte der aufstrebende Kanal den etablierten Sendeplatz nicht mit Wiederholungen schädigen und betraute den damals noch unbekannten Radiomann Thomas Koschwitz vom Hessischen Rundfunk mit der Vertretung für die heißen Monate.
Koschwitz übernahm jedoch nicht einfach das Konzept von Gottschalk, sondern erhielt ein gänzlich neues – nämlich jene «RTL Nachtshow», die sich nun sehr stark an den berühmten US-Vorlagen von David Letterman und Co. orientierte. Mehr noch, es handelte sich inhaltlich und optisch um eine exakte Kopie jener Sendungen. So eröffnete Koschwitz jede Ausgabe mit einem Monolog, in dem er aktuelle Ereignisse humoristisch aufarbeitete. Es folgten einige witzige Aktionen sowie Gespräche mit mehr oder weniger bekannten Gesichtern am hölzernen Schreibtisch, während eine Studioband das Geschehen akustisch untermalte. Von Letterman klaute er sich zudem die Idee der „Top Ten“, bei dem zehn Gags zu einem Thema in einer Art Ranking vorgetragen wurden. Doch obwohl Koschwitz die US-Profis formal imitierte, gelang es ihm niemals, ihr Niveau zu erreichen.
Überraschenderweise wurde die lediglich als Lückenfüller gedachte Produktion von den Zuschauern sehr gut angenommen und entwickelte sich zu einem großen Erfolg. Daher entschieden die Verantwortlichen von RTL, sie auch außerhalb des Sommers regulär fortzusetzen, worauf sie ab 28. November 1994 eine werktägliche Ausstrahlung um 0.30 Uhr im Anschluss an «Gottschalk Late Night» zugesprochen bekam. Damit hatte der Sender nun eine echte Late-Night-Schiene im Programm wie sie für amerikanische Networks längst typisch war. Auf diesem Sendeplatz konnte sich Koschwitz ebenso gut behaupten und erzielte hervorragende Quoten.
Als Thomas Gottschalk seine «Late Night» im Mai 1995 dann vollständig aufgab, stand außer Frage, dass die «RTL Nachtshow» (erneut) die Nachfolge antreten würde - diesmal allerdings dauerhaft. Am 02. Mai 1995 wanderte die Sendung somit auf den ursprünglichen Slot um 23.15 Uhr zurück. Doch diesmal ging der Plan nicht auf. Die Sehbeteiligungen lagen deutlich unter denen, die Gottschalk erzielen konnte und kamen oft nur an die Werte heran, welche das Team zuvor zur deutlich späteren Zeit erreichte. Dazu sollen hinter den Kulissen starke Differenzen mit dem Sender bezüglich der Ausrichtung des Formats aufgekommen sein. Außerdem hatte Sat.1 gerade angekündigt, mit Harald Schmidt eine
eigene Variante des Genres aufbauen zu wollen und konnte dafür zahlreiche Mitarbeiter abwerben. Es kamen somit eine Vielzahl von Gründen zusammen, die letztlich zur Einstellung der Reihe führten.
Die «RTL Nachtshow» wurde am 17. November 1995 beerdigt und erreichte ein Alter von exakt 250 Folgen. Die Show hinterließ den Moderator Thomas Koschwitz, der später zu Sat.1 wechselte, dort aber mit
«Hamster TV» ,
«Hast Du Worte?!» und
«Jetzt sind Sie dran!» seinen anfänglichen Fernseherfolg nicht wiederholen konnte. Nach einem kurzen Intermezzo beim «Sat.1 Frühstücksfernsehen», einer Talkshow bei N24 und erheblichen gesundheitlichen Problemen, besann er sich ab 2004 wieder auf seine Wurzeln und kehrte ins Radio zurück. Aktuell ist er täglich bei einer Berliner Station zu hören, wo er übrigens noch immer eine tägliche Top-Ten-Liste vorträgt.
Möge die Show in Frieden ruhen!
Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs widmet sich harten Schlägen aufs weiche Hirn.