Auf Heidenreich folgt Fried: Das ZDF hat endlich die Nachfolger für eine neue Literatursendung gefunden.
Mit großem Getöse verließ Elke Heidenreich Ende letzten Jahres die Fernsehbühne und ihre Literatursendung im ZDF, «Lesen!», eher unfreiwillig. Die Anschuldigungen, die sie gegen ihren damaligen Arbeitgeber ZDF vorbrachte, waren im Kern nicht falsch, doch um die Art und Weise, wie Heidenreich ihren Unmut ausdrückte, wurde breit diskutiert. Nun soll dem Fall endgültig ein Ende gemacht werden, denn in dieser Woche präsentierte man gleich zwei Nachfolger für eine neue ZDF-Literatursendung: Die Talkshow-Moderatorin Amelie Fried sowie Ijoma Mangold, Redakteur im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung.
Auf den ersten Blick scheint das neue Duo etwas unkonventionell, waren doch zuvor große Namen wie Harald Schmidt im Gespräch um die Nachfolge Heidenreichs. Dass nun zwei wirkliche Fachleute durch das Programm führen werden, ist richtig und gut. Denn erstens hätte ein bekanntes Fernsehgesicht, möglicherweise wie Schmidt noch aus dem Entertainment-Bereich, nicht mit dem nötigen Ernst und Anspruch an die Show herangehen können, weil das Publikum dann nun einmal Unterhaltung erwartet, und zweitens hätte sich dieses bekannte Fernsehgesicht wohl auf populäre Literatur und Trends verschreiben müssen, was wiederum dem Anspruch einer Literatursendung im Fernsehen nicht gerecht wird. Denn schlechte Quoten wird das neue Programm ohnehin einfahren, wobei Heidenreichs «Lesen!» lange Jahre für seine Verhältnisse sehr erfolgreich war. Mit der neuen, unbekannten Besetzung dürften diese Zeiten aber auch vorbei sein.
So ist es schön zu sehen, dass das ZDF bei der Gestaltung bei der neuen Literatursendung wohl nicht auf die Quote schaut – denn sonst hätte man wie gesagt bekanntere Moderatoren engagiert – und den Anspruch hat, ein qualitativ hochwertiges Programm zu entwickeln, das sich deutlich von den anderen und bis heute bekannten Literatur-Sendekonzepten abheben könnte. Dies geschieht einerseits durch die schon angesprochene Doppelmoderation per se, andererseits durch die beiden interessanten Menschen, die sich bald als diese Moderatoren präsentieren: Amelie Fried moderiert seit mehr als zehn Jahren zusammen mit „Die Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo die mit Abstand beste Talksendung im deutschen Fernsehen «3 nach 9». Als Bestsellerautorin ist sie außerdem prädestiniert für diese Aufgabe. Mangold ist Feuilleton-Redakteur der Süddetuschen und ab April 2009 Redakteur bei der „Zeit“. Der erst 1971 geborene Deutsche hat väterlicherseits nigerianische Wurzeln und studierte hierzulande und in Italien, ist aktuell auch Gastprofessor in Göttingen. Er verkörpert den modernen Literaturkritiker der jüngeren Generation und scheint eine wirklich ideale Besetzung für die neue Sendung.
Das ZDF macht mit der Moderation alles richtig – auf den ersten Blick hätte die Auswahl nicht besser sein können. Nun muss das Konzept der jeweils 30-minütigen Sendung noch stimmen. Es soll jeweils ein weiterer Gast eingeladen werden, was wohl bei einer Doppelmoderation nicht zwingend notwendig gewesen wäre, anders als bei Heidenreich. Letztere ist natürlich ein großer Verlust für das deutsche Fernsehen und die Bedeutung von Literatur in der Gesellschaft im Allgemeinen. Dennoch kann sie der Freund ihrer früheren Sendung noch im Internet sehen: Mittlerweile präsentiert sie ein ähnliches Format aus ihrer Kölner Stammkneipe und lädt ebenfalls weiterhin Gäste zu sich ein – in der aktuellen Folge den Comedian Michael Kessler. Einschalten ist empfohlen! Und wie wäre es denn, wenn Fried und Mangold in ihrer ersten Sendung Heidenreich als Gast einladen? Eine sehr starke Versöhnungsgeste als Dank für ihren Beitrag zum lange Jahre erfolgreichen Literaturprogramm wäre es allemal.
Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt ein paar neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Freitag nur auf Quotenmeter.de.
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