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Sonntagsfragen an Sat.1-Betriebsrat Uwe Theuerkauff
Die Sat.1-Belegschaft ist stocksauer auf die TV-Manager der ProSiebenSat.1 Media AG. Quotenmeter.de sprach mit Uwe Theuerkauff, seit 16 Jahren Sat.1-Mitarbeiter. Er ist stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der ProSiebenSat.1 Media AG am Standort Berlin und spricht Klartext über Angst, Wut und Heuschrecken.
Herr Theuerkauff, der Umzug von Sat.1 nach Unterföhring scheint beschlossene Sache zu sein. Wie ist die Stimmung am Standort Berlin?
Die Stimmung ist am Boden – einfach apokalyptisch. Es gibt nur noch ein Thema: ich will in Berlin bleiben.
Ist es Angst oder Wut, die einem dort entgegenschlägt?
Beides. Wir sind wütend auf diese Heuschrecken, die nur an maximalen Profit denken. Wir sind wütend auf die Konzernführung, deren Entscheidungen für niemanden nachvollziehbar sind – aber wir haben auch große Angst und sind tief traurig. Wir fragen uns: Wie soll es werden in München? Bekommt überhaupt jeder, der nach München mitgehen würde, ein Angebot? Für alle Sat.1-Mitarbeiter, die ihren Posten hier in Berlin verlieren, wird sich ihr Leben verändern.
Diejenigen, die mit nach München gehen, verlieren ihr gesamtes Umfeld – Väter müssen zu Wochenendpendlern werden, sehen ihre Kinder und Frauen kaum mehr. Zudem: Wir sollten nicht nur an die Besserverdienenden denken. Es gibt zahlreiche Kolleginnen und Kollegen, die nicht soviel verdienen und die sicherlich keine Gehaltserhöhung in München bekommen werden. Die können sich das Leben dort dann schlicht und ergreifend gar nicht leisten.
Und Wochenendpendelei ist sicherlich auch kein billiger Spaß.
Das kommt dazu. Außerdem sind die Lebenshaltungskosten in München deutlich höher. Zum Beispiel: Mieten, Kita-Situation. Man wird einfach in ein vollkommen neues Leben gezwungen.
600 bis 700 Mitarbeiter sind betroffen von den Umzugsplänen. Wie viele würden von sich aus überhaupt mit nach München gehen?
Das ist schwer einzuschätzen. In einer großen Abteilung wurde eine anonyme Umfrage gemacht – da sagte die überwältigende Mehrheit: No way.
Die Geschäftsführung sagte, sie hätte von den Umzugsplänen aus den Medien erfahren. Wie wurden Sie informiert?
Auch durch den „Spiegel“-Bericht. Da muss man sich schon fragen: Welchen Wert hat unsere Geschäftsführung für die Herren in München, wenn man solche wichtigen Dinge nicht mit ihnen abstimmt? Aber das hat ja bei ProSiebenSat.1 in München fast schon Tradition…Wir sind bis heute als Betriebsrat nicht offiziell informiert worden, das ist eine absolute Frechheit. Das wird scharfe Konsequenzen haben, der Betriebsrat hat ein Informationsrecht. Wir werden uns Schritte gegen dieses Vorgehen überlegen.
Ver.di, der DJV und auch Quotenmeter.de unterstützen Sie – haben Sie überhaupt noch Hoffnungen?
In München fällt in diesen Tagen eine rein unternehmerische Entscheidung. Wir hoffen, dass die Manager dort durch unsere Proteste hier in Berlin und auch durch die Quotenmeter-Aktion endlich zur Vernunft kommen. Sie müssen spüren, wie sehr wir diese Pläne ablehnen. Sat.1 nach München zu holen, wäre unvernünftig.
Aber wirtschaftlich macht es Sinn: Aus zehn Pförtnern könnte man fünf machen…
Das ist ein rationales, wirtschaftliches Argument, das man auf eine Kugelschreiberfabrik durchaus anwenden kann. Da spielt es in der Frage der Qualität des Endproduktes keine Rolle, ob der Arbeiter gut oder schlecht gelaunt ist. Aber Fernsehen ist etwas anderes als die Fertigung eines Kugelschreibers.
Das hat mit Leidenschaft, Kreativität und Erfahrung zu tun. Sat.1 existiert seit fast 25 Jahren, seit 2001 sind wir endlich alle in Berlin vereint. Da ist etwas sehr Wertvolles gewachsen, was sich nicht in Zahlen ausdrücken lässt und doch entsscheidend zum Erfolg beiträgt. Bestes Beispiel das erfolgreiche «Frühstücksfernsehen» im Sat.1-Programm. Wenn man Sat.1 mit eiserner Faust aus der Hauptstadt `rausreißt und in München fallen lässt, dann wird das Konsequenzen auf die Qualität des Programms haben.
Immerhin: Finanziell könnte man Einsparungen vornehmen…
Sagt man in München. Wir haben da unsere Zweifel. Ein Umzug von Berlin nach München würde zunächst Unsummen von Geld verschlingen und Sie wissen ja, dass wir nicht gerade sonderlich viel Geld übrig haben. Dass ein so hoch verschuldetes Unternehmen für so etwas dann noch etliche Millionen in die Hand nimmt, entbehrt für mich jeglicher Logik. Und: Mit den Umzugskosten es ist ja noch nicht getan: Das Gebäude in der Jägerstraße ist weiter angemietet, vermutlich müsste man Subventionen zurückzahlen. Hinzu kommen die aktuelle Finanzkrise und die Krise am Werbemarkt. Es ist unverantwortlich, einen so teuren Umzug zu beschließen.
Was hören Sie aus München? Es ist dort ja nicht so, dass dort ganze Gebäudeteile leer stehen…
Das ist richtig. Wir hören aus München: „Wo sollen die denn alle hin?“ Auch hier müsste eine neue Infrastruktur geschaffen werden, die wieder zusätzlich Geld kostet.
Sie haben vorhin über die Qualität gesprochen. Wieso sind Sie sich so sicher, dass diese schlechter werden würde?
Ist doch klar. Bei einem Umzug werden wir viele sehr gute und erfahrene Mitarbeiter verlieren, weil nicht alle mitgehen werden oder weil sie gar kein Angebot bekommen, überhaupt nach München zu gehen. Das hat natürlich Auswirkungen auf das gesamte Programm, weil Strukturen und Know-How vernichtet werden. Unsere Befürchtung ist, dass der Umzug eine getarnte Entlassungswelle ist.
In seinem offenen Brief sprach der Betriebsrat von 2001, als Sat.1 noch die Fußball-Bundesliga hatte, Harald Schmidt werktags sendete… Wenn wir sagen, dass Sat.1 auf der Gesundheitsskala damals 100 Punkte hatte: Wie viele wären es heute?
Sat.1 geht es auch heute gut. Unser Sender macht Millionen-Gewinne. Nur die Gewinnerwartung der Heuschrecken von KKR und Permira ist einfach viel zu hoch. Unser Konzern ist doch nur in eine derartige finanzielle Schieflage gekommen, weil wir die Übernahmeverpflichtung der SBS-Gruppe hatten. Die Gier der Eigner von KKR und Permira ist einfach viel zu groß.
Da wäre eine Übernahme durch Axel Springer um einiges besser gewesen.
Das möchte ich jetzt nicht bewerten. Fakt ist: Auch Leo Kirch und Haim Saban haben Fehler gemacht, Saban ist aus dem Grinsen nicht mehr rausgekommen als er seine ganzen Milliarden hier aus Deutschland `rausgeschleppt hat. Aber all das ist überhaupt nichts gegen das, was diese Heuschrecken innerhalb von zwei Jahren mit unserer Firma angestellt haben.
Wusste man das nicht vorher?
Man hätte sich nur umschauen müssen. Von Heuschrecken überfallene Firmen wurden ausgequetscht wie eine Zitrone und dann fallengelassen. Diesen Erbsenzählern an den Entscheidungshebeln geht es nur um die höchste Rendite – Rücksicht auf all das, was später einmal kommt, kennen die Herrschaften nicht.
Richtet sich Ihre Wut eigentlich auch gegen die Sat.1-Geschäftsführer Matthias Alberti und Torsten Rossmann?
In erster Linie richtet sich unsere Wut gegen die Entscheidungsträger in München, in die wir ehemals durchaus Hoffnungen hatten.
Sie spielen auf Andreas Bartl an?
Der sagte uns kürzlich noch ins Gesicht, dass der Standort Berlin sicher sei. Und was ist heute? Heute habe sich die Situation komplett verändert. Wir vom Betriebsrat sind es leid, dass immer alle Anderen Schuld sind. Der Markt sei schwierig, die Werbewirtschaft trage die Verantwortung. Keiner der Manager erkennt, dass er selbst agieren müsste. Der Konzern taumelt von einem Problem zum nächsten, stets bemüht, den Schaden in Grenzen zu halten. Aber wo sind die Strategen, wo ist der Kapitän dieses Schiffes, der uns offensiv auf einen erfolgreichen Kurs bringt?
Zu Alberti und Rossmann: Wie es aussieht, scheinen sie machtlos zu sein, wurden sie doch angeblich nicht mehr direkt informiert.
Alles deutet darauf hin. Sie können natürlich auch wenig für uns tun, wenn sie bei solchen Entscheidungen außen vor gelassen werden.
Herr Theuerkauff, ich bedanke mich bei Ihnen für das Gespräch.
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• Sat.1
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