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Die Kritiker: «Dell & Richthoven»

Story

Knast oder Cognac

Erwischt! Trickbetrüger Bruno Dellstaunt nicht schlecht, als sich sein letztes Opfer bei der "Wagen-Nummer" als Oberstaatsanwalt i.R. Sebastian Richthoven herausstellt. Richthoven stellt ihn vor die Wahl - entweder wird Dell angezeigt oder er hilft ihm bei einem verwegenen Plan.



Die skrupellose Klatschkolumnistin Gundula Renner hat durch ihre einseitige und skandalträchtige Berichterstattung bereits viele Karrieren und Leben zerstört. Ihr letztes Opfer, die 17-jährige Wiebke, trieben Renners Schlagzeilen in einen Selbstmordversuch. Wiebke sitzt seitdem im Rollstuhl.



Richthoven will Vergeltung. Zu oft haben eindeutig schuldige Straftäter wegen gekaufter Zeugenaussagen oder manipulierter Beweise auf freiem Fuß seinen Gerichtssaal verlassen - wenn sie denn überhaupt dingfest gemacht werden konnten. Jetzt, im Ruhestand, will er auf seine Art für Gerechtigkeit sorgen, doch dafür braucht er professionelle Unterstützung. Dell soll ihm helfen, die Schwächen der Täter zu ergründen, um sie sowohl öffentlich bloßzustellen als auch finanziell auszunehmen. Das Geld soll einem von Richthoven gegründeten Opferfonds zugute kommen und für ein Stück mehr Gerechtigkeit sorgen.



Personell unterstützt durch Dells alte Freundin Lilo und Richthovens attraktiver Nichte Hannah, entwickeln Dell & Richthoven einen gewagten Plan. Und schon bald wittert Gundula Renner die Geschichte ihres Lebens: das Schicksal der unehelichen Tochter von Sir Paul McCartney...



In Bruno Dell und Sebastian Richthoven hat Robin Hood seine wahren Erben gefunden. Es beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel, in dem alle Beteiligten in die verschiedensten Rollen schlüpfen müssen, um der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen.



Der süße Klang der Lüge


Adrian Kempter ist ein mieser, kleiner Trickbetrüger, der es vor allem auf die Armen und Schwachen als Opfer abgesehen hat. Sein neues Opfer: Rebecca Lerch , die blinde Nichte der berühmten und verstorbenen Violinistin Elena Lerch. Im Auftrag des britischen Sammlers Mr. Foster will sich Kempter an Rebecca ranmachen, um so an eine wertvolle Geige, eine Gennaro Gagliano, aus Elena Lerchs Nachlass zu kommen.



Bruno Dell fühlt sich in diesem Fall bei seiner Berufsehre gepackt - niemanden verachtet er mehr als Betrüger, die Hilflose ausnehmen! Und so entwickeln Sebastian Richthoven und Dell einen Plan: Lilo soll in der Verkleidung als "Mathilde von Bosau" Kempter ein lukratives Gegenangebot machen - allerdings nicht für die Gennaro Gagliano, sondern für eine viel wertvollere Stradivari, die ebenfalls in Lerchs Nachlass zu finden sein soll.



Es scheint der perfekte Plan zu sein - wenn Kempter nicht Bruno Dell erkennen und den Plan durchschauen würde...



Darsteller


Friedrich von Thun («Zodiak») ist Sebastian Richthoven

Christoph M. Orth («Edel & Starck») ist Bruno Dell

Katrin Sass («Mitten im Leben») ist Lilo

Annalena Duken («Aus gutem Haus») ist Hannah Richthoven

Sonja Kirchberger («Rose unter Dornen») ist Gundula Renner



Kritik

Beim ZDF kann man «Dell und Richthoven» insgesamt als einzigen geglückten Serienneustart des langsam ausklingenden Jahres verbuchen. Die Charaktere sind interessant und glaubwürdig, jedoch leider auch ein wenig undifferenziert. Der Staatsanwalt Richthoven a. D. hat sich zum Ziel gesetzt, auch im Ruhestand Gaunern und Betrügern eine Lektion zu erteilen, wenn diese auch anders ausfallen mag als zu seiner Zeit im Staatsdienst. Doch warum er das tun will, woher er diesen massiven Willen zur Herstellung von ausgleichender Gerechtigkeit hat, bleibt die ersten zwei Folgen über unklar. Dass er einfach nur ein „guter“ Mensch ist, reicht vom dramaturgischen Standpunkt aus betrachtet nicht als Erklärung aus. Ähnlich verhält es sich bei den Nebenfiguren:



Im Piloten ist Gundula Renner die fiese Boulevardjournalistin, die über Leichen geht, während in der zweiten Ausgabe Roman Knizka den „miesen, kleinen Trickbetrüger“ Adrian Kempter spielt, der Rentnerinnen mit Call-Center-Tricks das Geld aus der Tasche zieht. Doch auch warum diese beiden ebenfalls sonst hervorragend konstruierten Antagonisten so dermaßen rücksichtslos sind, wird nicht geklärt.



Interessant ist, dass «Dell und Richthoven» eine sehr undeutsche deutsche Eigenproduktion ist. Die Prämisse (Ehemaliger Staatsanwalt jagt mit Hilfe eines mit allen Wassern gewaschenen Betrügerpaars andere Betrüger.) klingt wie die einer amerikanischen Sitcom, während die Filmästhetik eindeutig britische Züge trägt. Die vielen Schnitte, die rasanten, dynamischen Kamerafahrten und die vielen Insert-Shots und Close-Ups erinnern stark an neuere BBC-Serien wie „Hustle“. Ob ein deutsches Publikum diese Eigenschaften in einer tragikomischen Serie annehmen wird, wird sich zeigen. Auf alle Fälle ist es etwas Neues und dieser frische Mix funktioniert.



Wahre Meisterleistungen verbringt die neue ZDF-Serie auf jeden Fall auf dem Gebiet Storytelling. Denn die Vorgehensweise von Dell und Richthoven beim Zur-Strecke-Bringen ihrer „Opfer“ ist äußerst kompliziert. Hinzu kommt noch, dass die Geschichten nicht linear erzählt werden und dem Zuschauer erst am Schluss offenbart wird, warum der Coup der beiden trotz aller Hindernisse funktioniert hat. Dabei haben die Autoren jedes Detail bedacht und die Handlungsschritte ergeben durchwegs Sinn. In gewisser Weise wird der Zuschauer genauso hinters Licht geführt, wie die Ganoven. Man muss also aufmerksam sein, wenn man der Handlung folgen können will. Auf nebensächliche Sub-Plots wird erfreulicherweise zum größten Teil verzichtet, da diese vom ohnehin schon stets komplexen Haupthandlungsgerüst nur ablenken würden.



„Knast oder Cognac“ bietet eine spannende Story und deckt gnadenlos die abartigen Hintergründe des Boulevardjournalismus auf. Der Pilot zeigt dieses schmutzige Geschäft, wie es ist und beschönigt nichts. Dabei bleibt der Humor aber nicht auf der Strecke, der sich weniger durch die gut geschrieben Dialoge, als durch die Handlungsweisen der Figuren äußert. Journalismus ist wie Wurst. Wenn man weiß, wie's gemacht wird, will man's nicht mehr haben. Die erste Folge ist bis auf den kleinen Nebenhandlungsstrang um die siebzehnjährige Wiebke, der etwas zu viel auf die Tränendrüse drückt, durchwegs gelungen. Natürlich ist der Main-Plot maßlos „over the top“ und unrealistisch. Trotzdem oder gerade deswegen kommt die Message rüber und einige komische Szenen lassen sich finden. Auch die Story von „Der süße Klang der Lüge“ ist interessant und dramatisch und die Folge erfüllt die Erwartungen, die man nach dem Piloten an sie hat.



Im Großen und Ganzen überzeugt die neue Serie auch schauspielerisch, wobei besonders Katrin Sass und Annalena Duken besonders positiv hervorstechen. Christoph M. Ohrt liefert passable Arbeit ab, während Friedrich von Thun ein wenig enttäuscht, da er stellenweise etwas zu schematisch spielt. In der zweiten Folge macht er seine Sache aber schon besser als in der ersten. Es besteht also Grund zur Hoffnung, dass er sich in der dritten und vierten Ausgabe noch gesteigert hat. Weniger geglückt ist jedoch das Casting der ein oder anderen Nebenrolle, denn Sonja Kirchberger überzeugt als rücksichtslose Klatschreporterin Gundula Renner nur teilweise, während Josefine Preuß als Rebecca in der zweiten Episode nicht wirklich glaubwürdig spielt.



Die neue Serie von Regisseur Marcus O. Rosenmüller (Nicht verwechseln mit Marcus H. Rosenmüller, der bisher nur durch widerwärtige Filme in Erscheinung getreten ist!) kann also insgesamt überzeugen, wenn auch manches an der ein oder anderen Stelle noch ausbaufähig ist. «Dell und Richthoven» ist zwar kein neuer «Stromberg», bietet aber nicht nur für ZDF-Verhältnisse gute Unterhaltung. Man wird sehen, ob sich auch das jüngere Publikum trotz der zwei älteren Hauptprotagonisten in den Bann der Serie ziehen lässt. Einschalten!


Das ZDF strahlt «Dell & Richthoven» ab Donnerstag, 13. November 2008, um 20.15 Uhr aus.
12.11.2008 10:10 Uhr Kurz-URL: qmde.de/30929
Julian Miller

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Tags

ZDF

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