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Der Fernsehfriedhof: Auf King Kongs Kindergeburtstag

Christian Richter erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 8: Viel Action um ein Ei! Erinnerungen an die spaßige Variante der «100.000 Mark Show».

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir einer Sendung, die nichts für Weicheier war.

«Das Goldene Ei» wurde am 25. Februar 1995 in Sat.1 geboren und sollte die Antwort auf die legendäre «100.000 Mark Show» des Dauerkonkurrenten RTL sein. Schließlich hatte diese mit ihren aufwendigen Spielen, actiongeladenen Challenges und einem damaligen Rekordgewinn das Genre der klassischen Samstagabendunterhaltung nicht nur revolutioniert, sondern war mit anfangs zehn Millionen Zuschauern darüber hinaus noch unfassbar erfolgreich. So war es nur eine Frage der Zeit, bis die Rivalen ähnliche Konzepte an den Start bringen sollten, von denen jenes Format, an dies hier erinnert wird, das spaßigste gewesen sein dürfte.

Dessen prinzipieller Aufbau war dem Vorbild grundsätzlich ähnlich. In jeder Ausgabe traten mehrere Kandidaten(paare) in verschiedenen Runden an, in denen das Teilnehmerfeld schrittweise soweit dezimiert wurde, dass am Ende nur noch eine Person im Finale um den Hauptpreis zocken durfte. Während beim Original die Kontrahenten von Beginn an feststanden, wurden diese bei der Kopie zunächst aus dem 130köpfigen Studiopublikum per Zufall ausgewählt. Dafür ließ man mit viel Brimborium über der drehbaren Zuschauertribüne gelbe Bälle fallen. Diejenigen acht Glücklichen, die einen solchen Ball mit einer der im Anschluss per Zufallsgenerator ausgelosten Nummer fangen konnten, waren dabei. Für sie bestand nun als Aufgabe, in den nachfolgenden Wettkämpfen möglichst viele goldene (Styropor)-Eier zu sammeln. Dazu galt es zunächst, den sogenannten „Leonardo-Würfel“ zu besteigen, hinter dem sich ein wackeliges Gerüst verbarg, auf dem jene goldenen Trophäen angebracht waren. Außerdem mussten beim „Silverball“ als menschliche Bowlingkugeln möglichst viele explodierende Eier erkegelt werden. Diejenigen Mitstreiter mit dem niedrigsten Eier-Konto schieden jeweils nach einem solchen Match aus.

Das eigentliche Kernstück bildeten jedoch die Einzelrunden, in denen die sechs verbliebenen Bewerber in individuellen, stetig wechselnden Themenwelten maximal zehn goldene Eier sammeln konnten. So gab es beispielsweise eine riesige Strahlenkanone, Eisschollen in der Antarktis, ein überdimensionales Telefonbuch, ein enges Kellergewölbe, eine hohe Kletterwand im Wilden Westen, ein gewaltiges Spinnennetz, einen außerirdischen Planeten, einen ritterlichen Turnierplatz, die Frankfurter Skyline, das Innere einer Pyramide, die Takelage eines Segelschiffs, eine brennende Raffinerie, eine Kulisse aus 1001 Nacht oder ein gigantisches Bälle-Bad zu bezwingen. Am Ende folgte dann stets der Moment der Entscheidung, bei dem sich die Teilnehmer zwischen zwei Knöpfen, zwei Wegen oder zwei anderen Alternativen entscheiden mussten, wobei sich hinter einer der Möglichkeiten die Verdoppelung der bisher erzielten Punkte versteckte.

Diese bunten Themenwelten wurden von den Bühnenbildnern und Requisiteuren sichtlich mit enormem Aufwand und viel Freude im für all das viel zu kleinen Studio aufgebaut. Das war insofern beeindruckend, als dass jede Szenerie nur einmal für wenige Minuten benutzt wurde, was den größten Teil des nicht geringen Produktionsbudgets verschlungen haben dürfte. Damit lag der Schwerpunkt des Ablaufs im Gegensatz zur «100.000 Mark Show» deutlich auf dem Mittelteil und eben nicht auf einem möglichst eindrucksvollen Finale, was dramaturgisch etwas ungeschickt und ausgewogen wirkte. Das Gefälle zwischen den wechselnden, pompösen Zwischenrunden und dem anschließenden im Vergleich deutlich unspektakulären Finale war schlicht zu groß. In diesem musste sich die verbliebene Person nämlich lediglich zwischen zwei Schlüsseln entscheiden, die entweder in ein Schloss passten oder eben nicht. Im Glücksfall öffnete sich ein großes Ei, im dem eine junge Assistentin mit dem 1000fach Geldwert der zuvor gesammelten Eier wartete. Im Höchstfall konnte auf diese Weise eine Summe von 65.000 DM erzielt werden. Die sieben Kontrahenten, die auf dem Weg ins Finale ausgeschieden waren, erhielten derweil kurze Städtereisen als Entschädigung.

Obwohl viele Aufgaben körperlich anstrengend waren und der potentielle Hauptgewinn eine beträchtliche Höhe hatte, war die Atmosphäre bei der Sat.1-Variante deutlich entspannter und gelöster als beim Vorbild von RTL. Eher erinnerte die Stimmung im Studio an eine Mallorca-Party, denn das Publikum grölte laut mit, anstatt gespannt mitzufiebern. Dazu trug ebenso der anfängliche Moderator Michael Tasche bei, der anders als Ulla Kock am Brink, keine übertriebene Härte demonstrierte, sondern nett und locker auftrat. Wurde Kock am Brink schnell mit dem Titel „TV-Domina“ belegt, hätte auf Michael Tasche wohl am ehesten der Begriff „TV-Animateur“ gepasst. Er wirkte dauernd so, als wollte er all die verrückten Aktionen am liebsten selbst spielen und scheute sich zudem nicht, den Kandidaten regelmäßig kräftig zu helfen. Wie sympathisch! Aufgefallen war der ursprüngliche Musical-Darsteller zuvor bei einem Massen-Casting für den ARD-Klassiker «Geld oder Liebe?». Es folgten einige Einsätze als Außenreporter bei «Ein Tag wie kein anderer» und «VOX BOX», bevor er schließlich von Sat.1 verpflichtet wurde. Parallel präsentierte er zusätzlich den täglichen Anarchie-Talk «Treffpunkt Isartor» bei einem bayerischen Regionalkanal.

Tasches lässige Art polarisierte allerdings. Etwa bezeichnete ihn der Journalist Ralf Schlüter in der Berliner Zeitung als zu „nett“, als „zu höflich“ und als „blonden Prediger der Harmlosigkeit“. Dies hätte dazu geführt, dass es egal ist „ob die Verlierer am Ende in einen Pool fallen oder einen Trostpreis kriegen. [...] Das goldene Ei war nicht richtig hartgekocht. Und Weicheier gibt es genug“, lautete sein abschließendes Fazit. Dabei war es gerade die Tatsache, dass die Show jene Über-Dramatik des Vorbilds vermied und eher gute Laune in den Vordergrund stellte, was sie auszeichnete - dass sie sich eben nicht allzu ernst nahm und auch nicht vorgab, als würde von ihrem Ausgang das Schicksal der westlichen Welt abhängen. Sie war ein großer, übertriebener, manchmal sinnfreier, aber stets harmloser Quatsch. Nicht mehr und nicht weniger. Michael Tasche selbst beschrieb das Format gern als „King Kongs Kindergeburtstag“, was es ziemlich genau trifft. Andere Pressestimmen sahen in der Sendung lediglich die blasse Kopie der «100.000 Mark Show». Der SPIEGEL schrieb deswegen, dass der Neustart der RTL-Version „wie ein faules Ei dem anderen“ gleichen würde.

Anfänglich schien dies die Fernsehzuschauer nicht allzu sehr gestört zu haben, denn es wurden regelmäßig Sehbeteiligungen von deutlich über vier Millionen Menschen gemessen. Das waren respektable Werte, da das RTL-Pendant mit höherem Aufwand zu jener Zeit pro Abend etwa 6,5 Millionen Zuseher anlocken konnte. Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass «Das Goldene Ei» zwar ebenfalls am Samstagabend, aber erst um 22.00 Uhr – also abseits der Primetime – gezeigt wurde. Einem Sendeplatz, auf dem gewöhnlich die Albernheiten von «Mann-O-Mann» und «Pack die Zahnbürste ein» zu sehen waren.

Angesichts der erfreulichen Werte war es nur logisch, das 90minütige Spektakel nach den sechs Episoden der ersten Staffel zu verlängern. Als die sieben neuen Ausgaben ab Juli 1995 auf dem selben Slot starteten, war das Interesse bereits spürbar gesunken, denn nun sahen in der Regel nur noch zweieinhalb Millionen Menschen zu. Dennoch beschloss der mittlerweile neu eingestellte Sat.1-Chef Fred Kogel eine erneute Verlängerung der Produktion, verlegte sie im Sommer 1996 jedoch in die „echte“ Primetime um 20.15 Uhr. Außerdem musste im Finale der richtige Schlüssel künftig nicht einfach nur gewählt, sondern ab jetzt ertaucht werden. Die zentrale Änderung bestand hingegen darin, dass Michael Tasche in der dritten Staffel als Gastgeber durch den aufstrebenden Jörg Pilawa ersetzt wurde. Wie Tasche in einem späteren Interview angab, habe Pilawa intern als Kogels Zögling gegolten, der ihn bewusst in der Day-Time mit der Gameshow «Hast Du Worte?!» aufgebaut hatte, um ihn dann im Abendprogramm einsetzen zu können. Eine Trendwende bei den Einschaltquoten konnte dieser aber nicht bewirken. Trotz besserer Sendezeit kamen die drei Pilawa-Einsätze nicht über die Ergebnisse der zweiten Staffel hinaus. Eine weitere Verlängerung blieb deswegen verwehrt.

«Das Goldene Ei» wurde am 24. August 1996 beerdigt und erreichte ein Alter von 16 Folgen. Die Show hinterließ den Moderator Michael Tasche, der anschließend als freier Autor für die «Harald Schmidt Show» und «Darüber lacht die Welt» sowie als Regisseur für die Reality-Serien «Popstars» und «Bachelorette» tätig war. Zuletzt wandte er sich wieder der Musical-Branche zu und setzte mehrere eigener Stücke um. Jörg Pilawa entwickelte sich indessen zu einer der vielbeschäftigten Personen der deutschen TV-Branche und präsentierte unzählige Unterhaltungsformate. Darunter befand sich die «Quiz Show», die er offenbar derart überzeugend meisterte, dass er in den folgenden 15 Jahren fast ausschließlich durch ähnliche Reihen führte und zum „Quizonkel der Nation» aufstieg. Übrigens befasste sich der Fernsehkritiker Oliver Kalkofe ebenfalls mit der Sendung «Das Goldene Ei». Er bezeichnete sie (etwas zu Unrecht) als ein weiteres Beispiel für "Showkonzepte, die beim Kacken entstanden sind, abgedrückt von Sat.Ei, wo man leider danach das Spülen vergaß.“

Möge die Show in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann dem Duell Deines Lebens.
30.10.2008 08:40 Uhr Kurz-URL: qmde.de/30673
Christian Richter

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