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«Popstars» hat nicht die ‚Purheit’, die wir brauchen

In der Castingshow ProSieben «Popstars» werden wieder die Mitglieder einer neuen Girlband gesucht. Christian Richter sah die erste Ausgabe der neuen Staffel.

Unglaublich aber wahr. Durch das Pausieren der Castingshows hätte man während den vergangenen Monaten fast glauben können, dass nur noch Menschen mit echtem Talent im Fernsehen auftreten dürften – wenn es nicht Collien und Gülcan gegeben hätte. Doch diese Zeiten sind mit dem Start der neuen Staffel von «Popstars» endgültig vorbei.

Die erste Folge bot erwartungsgemäß wenig Neues. Wie auch? Nach sechs Durchläufen. Wieder suchte ProSieben eine reine Girlgroup und orientiert sich nach den Reinfällen von „Room 2012“, „Overground“ und „Nu Pagadi“ wieder an den bisherigen Erfolgen der „No Angels“ und „Monrose“. Die Auffälligste Veränderung in der siebten Staffel war die neu besetzte Jury. Neben «Popstars»-Veteran Detlef D! Soost durften fortan Mallorca-Überbleibsel Loona und Skandalrapper Sido die Talentfreiheit der Möchtegernsängerinnen beurteilen.

Bereits im Vorfeld wurde Sido als neuer Dieter Bohlen von ProSieben bezeichnet. Zu Recht. Der vermeintliche Gangsterrapper nahm diese Rolle bereitwillig an und füllte sie gut aus. Ohne dabei unsympathisch zu wirken, riss er die gesamte Show an sich und degradierte den sonst überdominanten Detlef D! Soost zum Statist. „Dette“, wie er liebevoll von Sido genannt wurde, hat kaum Gelegenheit die Kandidaten in gewohnter Weise erst anzuschreien, um sie anschließend behutsam zu trösten.

Der HipHoper stellte eine absolute Bereichung für eine Sendung dar, die kaum nennenswerte Highlights hatte. Lässig verwies er die ungeeigneten Kandidaten mit einem pupsenden Geräusch von der Bühne, ohne dabei zu großkotzig zu wirken. Ein Talent, das Bohlen bisher noch fehlt.

Aber was kann man über die neuen Kandidaten sagen? Nicht viel. Zu mittelmäßig war die Ausbeute des Castings in Hamburg. Auffällig jung waren sie. Die meisten schienen das geforderte Mindestalter gerade erreicht zu haben. Verständlich, denn mittlerweile dürften sich alle älteren Kandidaten bereits in irgendeiner Castingshow beworben haben.

Dabei bestätigten sich wieder die gängigsten Vorurteile. Die Mehrzahl der Mädchen schien in einer Popkarriere nur ein Forum für die eigene Selbstverliebtheit zu suchen. Oder zumindest eine einfachere Alternative zu einer klassischen Berufsausbildung. Die könnte schließlich in Arbeit ausarten. Gezeigt wurde dies besonders eindrucksvoll anhand des Castingbogens von Anja. Darin bezeichnete sie die Musikrichtung „Rhythm & Blues“ als „ARB“ und schrieb „und“ mit einem „t“.




Schnell stellte sich heraus, dass der Titel „Just 4 Girls“ und das damit versprochene Ziel vier talentierte Mädchen auszusuchen, schwieriger umzusetzen war, als gedacht. Anhand des Zusammenschnitts auf ProSieben hätte es eigentlich nur eine Bewerberin verdient gehabt.

Dies war allerdings schwer zu beurteilen, da die meisten Kandidatinen von ProSieben nicht gezeigt wurden. Zu hören war vielleicht ein gutes Dutzend - und das obwohl beim Hamburger Casting mehrere Hunderte vorgesungen hatten. Stattdessen durften sich die auserwählten Kandidaten lang und breit über vergessene Medikamente und zu wenig Schlaf beklagen. Unterstützt wurde diese gefühlte Langeweile durch die nervige Überdramatik der Show. Damit sind nicht nur die Kandidatinnen gemeint, die egal wie das Ergebnis der Jury ausfiel, im Anschluss stets in Tränen ausbrachen, sondern auch die bedrückende Musik, der eingespielte Herzschlag und die künstlichen Pausen, mit denen die Produzenten jede Unstimmigkeit, jeden Minifehler und jede Entscheidung bis zum Erbrechen aufbliesen. Das Schicksal der gesamten freien Welt schien davon abzuhängen, ob Wackelkandidatin Catherine weiter kommt.

Auch wenn «Popstars» älter ist, bleibt das Format der kleine Bruder von «Deutschland sucht den Superstar», dessen Zusammenschnitte der Castings unterhaltender sind. Wo waren bei «Popstars» die Freaks? Die durchgeknallten Typen, über die am nächsten Tag das ganze Land spricht? Die einzigen skurrilen Momente der ersten Folge waren die rappenden, russischen Zwillinge mit ihrer Mischung aus tibetanischem Gebetsgesang und Kinderhiphop à la Oli P. Stattdessen zelebrierten übergewichtige Teenagerinnen ihre Selbstüberschätzung unreflektiert in aller Öffentlichkeit. Wenn man sich die Klamotten der Mädchen betrachtete, muss es von den Machern die Anweisung gegeben haben, ein gelbes Kleidungsstück mitzubringen. Anders ist die Allgegenwärtigkeit der Farbe nicht zu erklären. Doch auch die restlichen Kostüme ließen vermuten, dass Stevie Wonder für das Styling der Show zuständig war. Riesige Ohrringe, die eher an Papagei-Stangen erinnerten, Puffkleider aus der Schwangerenabteilung von H&M und hautenge Leggins, die stummelgie Beine umhüllten, dominierten das Erscheinungsbild der Bewerberinnen.

Was also bleibt nach über zwei Stunden «Popstars»? Viel ist es nicht. Hauptsächlich die Vorfreude auf die lustigeren Castings von «DSDS» und ein weiterer legendärer Satz von Detlef D! Soost bei der Beurteilung einer Kandidaten: „Sie hat nicht die Purheit, die wir brauchen!“
29.08.2008 12:05 Uhr Kurz-URL: qmde.de/29430
Christian Richter

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Popstars

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